Konzept zur nachhaltigen Nutzung des Berliner Wassers

Folgendes beschlossen: „Der Senat wird aufgefordert, dem Abgeordnetenhaus bis zum 31. Oktober 2000 eine Konzeption vorzulegen, wie die Sicherung der Trinkwasserbrunnen und die Verhinderung von Bodenverunreinigungen weiter verbessert sowie die jährliche Algenblüte in den Berliner Gewässern eingedämmt und bis Ende 2004 beseitigt werden kann. Weiterhin ist darzulegen, wann, mit welchen Maßnahmen und zu welchen Kosten die Wasserqualität der Berliner Gewässer die Güteklasse II erreichen könnte. Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31. Oktober 2001 und 31. Oktober 2003 über den Zustand der Berliner Gewässer (inklusive des Grundund Trinkwassers) zu berichten."

Hierzu wird berichtet:

Dem Abgeordnetenhaus von Berlin wurde auftragsgemäß in einem ersten Bericht ein umfassendes Konzept zur nachhaltigen Nutzung des Berliner Wassers vorgestellt. (Drs Nr. 14/877 vom 1. Dezember 2000). Zum zweiten Berichtstermin am 31.Oktober 2001 wurde mit einem Zwischenbericht die Zustimmung zur Terminverlängerung bis zum 31. März 2002 eingeholt. Nachfolgend wird nunmehr auftragsgemäß über den Zustand des Oberflächenwassers, des Grundwassers und des Trinkwassers sowie über finanzielle Auswirkungen von Maßnahmen berichtet.

Überwachung der Berliner Oberflächengewässer und des Grundwassers

Die Überwachung der Berliner Oberflächengewässer und des Grundwassers hat wegen der hohen Nutzungsansprüche an die Wasserressourcen für die Naherholung und für die Trinkwassergewinnung sowie der ökologischen Bedeutung einen wichtigen Stellenwert. Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung betreibt zur Erfassung der Gewässerzustände und der Grundwasserzustände mehrere Messprogramme:

- Oberflächenwassergütemessprogramm (12 bis 24 Stichproben pro Jahr an 63 Messstellen)

- Sensorisches Messprogramm (kontinuierliche Güteüberwachung der Oberflächengewässer an 11 Messstellen)

- Messprogramm der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser ­ LAWA (24 Stichproben pro Jahr an 3 Messstellen)

- Schwebstoffmessprogramm (Wochenmischprobe an einer Messstelle)

- Sondermessprogramme (je nach Aufgabenstellung)

- Grundwassergütemessprogramm (2 Stichproben pro Jahr an 278 Messstellen)

In enger Abstimmung mit den vorgenannten Messprogrammen führen die Gesundheitsbehörden (zentral organisiert durch das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit Berlin) ein Messprogramm zur Überwachung der Qualität der Badegewässer durch. In ihm werden, auf der Grundlage einer entsprechenden EG-Verordnung, verschiedene Qualitätsparameter (z. B. bakteriologische Parameter und Algentoxine) während der Badesaison regelmäßig untersucht.

Die Vorgaben für die Strukturierung der Messprogramme (Häufigkeiten, Parameterauswahl, Anzahl der Messstellen) ergeben sich aus einer Vielzahl fachlicher und rechtlicher Randbedingungen. Im Rahmen der oben genannten Messprogramme werden folgende gestaffelte Untersuchungen absolviert:

- Grundmessprogramm

- Erweitertes Grundmessprogramm

- Fischgewässerüberwachungsprogramm

- Badegewässerüberwachungsprogramm

- Eutrophierungsmessprogramm

- Messprogramm zur kontinuierlichen Erfassung der Wasserbeschaffenheit

- Messprogramm zu Erfassung gefährlicher Stoffe

Der Anlage 1 zeigt exemplarisch den Untersuchungsumfang des Grundmessprogramms, des erweiterten Grundmessprogramms, des Eutrophierungsmessprogramms und des LAWAMessprogramms (Stand 2001).

Die Messergebnisse dienen der Zustandsbeschreibung wesentlicher Gewässereigenschaften und der Ermittlung kurzfristiger und längerfristiger Emissionseinflüsse, wie

- chemisch-physikalische Belastung der Gewässer durch Kläranlagen und Kraftwerke

- chemisch-physikalische Belastung der Gewässer durch Stoßbelastungen infolge von Regen- und Mischwassereinleitungen

- chemisch-physikalische Belastungen des Grundwassers durch anthropogene Schadstoffeinträge

- Belastung der Gewässer mit ökologisch/ökotoxikologisch bedenklichen organischen und anorganischen Substanzen

- Einträge in die Oberflächengewässer über die Zuflüsse aus Brandenburg

- Unfälle mit wassergefährdenden Stoffen

- biologisch/ökologischer Zustand der Gewässer

Die Messdaten werden regelmäßig ausgewertet und dokumentiert. Sie stellen eine wesentliche Grundlage für eine Vielzahl von Berichten und Planungsaufgaben dar.

Im Rahmen der Monatsberichte werden wesentliche Messergebnisse aus dem Oberflächenwassermessprogramm aktuell zusammengestellt und Behörden, Universitäten sowie Fachkreisen und Verbänden regelmäßig zur Verfügung gestellt. Die Anlage 2 enthält den Monatsbericht für den Monat August 2001.

Die Erarbeitung des Abwasserbeseitigungsplanes für Berlin basiert im Wesentlichen auf Stoffbilanzen, die aus den Messergebnissen der Überwachungsprogramme gewonnen wurden.

Zum Zustand des Oberflächenwassers, des Grundwassers und des Trinkwassers wird nachfolgend berichtet: Zustand der Gewässer Biologischer Zustand (Trophie)

Die Eutrophierung als zivilisatorisch beschleunigter Naturprozess ist nach wie vor das ökologische Hauptgewässergüteproblem im Berliner Spree-Havel-System. Einen Schwerpunkt der Überwachungsprogramme stellt daher die Erfassung der Folgen der Eutrophierung (algenbiologische Untersuchungen) sowie der Ursachen für die Eutrophierung (Nährstoffe) dar.

Im Rahmen der Mitteilung zur Kenntnisnahme über „Konzept zur nachhaltigen Nutzung des Berliner Wassers" vom 1. Dezember 2000 ­ Drs Nr. 14/877 wurde umfassend über die Bewertungsmethoden für die Zustandsbeschreibung der Trophiesituation und über die Ergebnisse der Trophieüberwachung für den Jahreszeitraum 1997 bis 1999 berichtet. Die Anlage 3 enthält für diesen Berichtszeitraum die offizielle Gewässergütekarte Berlins. Die Fortschreibung der Gewässergütekarte Berlins ist für den Zeitraum 1999 bis 2001 in Vorbereitung. Erst nach Abschluss der Untersuchungen im Oktober 2001 können die Auswertungen für die Erstellung der aktuellen Gewässergütekarte abgeschlossen werden. Als vorläufiges Ergebnis lässt sich absehen, dass die Algenwachstumsintensitäten und die Nährstoffsituation sich gegenüber dem vorangegangenen Bewertungszeitraum nicht merklich geändert haben. Die Berliner Spree sowie die Havel werden nach wie vor lediglich die Gewässergüteklasse III erreichen ­ mit Ausnahme des Tegeler Sees, der infolge des Betriebes der Oberflächenwasseraufbereitungsanlage Tegel noch die Güteklasse II aufweist.

Im Zeitraum zwischen 1990 und 2000 konnte ein spürbarer Rückgang der Nährstoffeinträge in Berlin und Brandenburg festgestellt werden, der eine deutliche Entlastung für die Oberflächengewässer mit sich brachte. Der Eintrag an Nährstoffen in das Berliner Gewässersystem durch Berliner Einträge und über die Zuflüsse aus Brandenburg ist bei Phosphor von 435 Tonnen pro Jahr (1992) auf nunmehr rund 330 Tonnen pro Jahr (­ 25 %) und bei Stickstoff von 11 550 Tonnen pro Jahr auf 7 400 Tonnen pro Jahr (­ 35 %) zurückgegangen. Dieser Rückgang fiel Anfang der 90er Jahre deutlicher aus und hat sich in den letzten Jahren verlangsamt. Der Rückgang der Nährstoffeinträge hält zwar nach wie vor an, signifikante Trends in der rückläufigen Entwicklung der Nährstoffkonzentrationen lassen sich aber derzeit nicht feststellen. Die derzeitige Belastung an Phosphor und Stickstoff verursacht nach wie vor ausgiebige Algenmassenentwicklungen.

Im Rahmen der Mitteilung zur Kenntnisnahme über „Konzept zur nachhaltigen Nutzung des Berliner Wassers" ­ Drs Nr. 14/877 wurde der Sanierungsbedarf für die einzelnen Emissionspfade wie Landwirtschaft in Brandenburg, Kläranlagen in Berlin und Brandenburg sowie Regenwasser- und Mischwassereinleitungen in Berlin zur Erreichung der Gewässergüteklasse II umfassend dargelegt.

Belastung Berliner Oberflächengewässer mit organischen und anorganischen Spurenstoffen

Im Rahmen des Landesmessnetzes Berlins zur routinemäßigen Überwachung der Oberflächengewässer werden drei Messstellen betrieben, die dem bundesweiten Messnetz der Länderarbeitsgemeinschaft Wasser (LAWA) zugeordnet sind. Dies betrifft je eine Messstelle in der Spree, der Unterhavel und dem Teltowkanal.

Zum Untersuchungsprogramm dieser Messstellen gehört seit Jahren auch die Ermittlung der Belastungssituation mit ausgewählten organischen Spurenstoffen in der Wasserphase wie Chlorbenzene, Pestizide, Polyzyklische Aromatische Kohlenwasserstoffe (PAK), einige Industriechemikalien und Pflanzenschutzmittel. In den Jahren 2000 und 2001 wurden die Zielvorgaben der LAWA für diese Stoffgruppen ausnahmslos eingehalten.

Vereinzelt wurde lediglich saisonbedingt bei dem Pflanzenschutzmittel Diuron die Zielvorgabe.

Über das LAWA-Programm hinaus werden in 2001 zur Umsetzung des Artikel 7 der „Richtlinie 76/464/EWG über die Ableitung bestimmter gefährlicher Stoffe in die Gewässer der Gemeinschaft" weitere 99 überwiegend organische Schadstoffe und Pestizide in den Berliner Oberflächengewässern analysiert (siehe Anlage 4). Als Voraussetzung und Basis für die Durchführung dieses Messprogramms hat Berlin mit Datum vom 23. Mai 2001 per Rechtsverordnung den Artikel 7 der Richtlinie 76/464/EWG umgesetzt. Gemäß § 3 dieser Verordnung sind Programme zur Verringerung der Verschmutzung oberirdischer Gewässer mit gefährlichen Stoffen aufzustellen. Im September 2001 wurde das Berliner Programm aufgestellt.

Für dieses Programm wurden in Abstimmung mit Brandenburg die beiden LAWA-Messstellen Spree-Sophienwerder und Teltowkanal-Kohlhasenbrück benannt. Der überwiegende Anteil der Stoffe wird auf Grund des geochemischen Verhaltens in der Wasserphase gemessen. Einige Verbindungen, wie die Polychlorierten Biphenyle reichern sich vorzugsweise im Schwebstoff an, sodass die Einhaltung der Qualitätsziele für diese Stoffe durch Messungen am Schwebstoff nachzuweisen ist.

In 2001 werden an beiden Stellen jeweils 4 Untersuchungen vorgenommen. Als Zwischenergebnis einer vorläufigen Bewertung der bisher vorliegenden Messergebnisse für die Wasserphase (jeweils zwei Messungen an beiden Messstellen) ist lediglich eine geringfügige Überschreitung des Qualitätsziels für den Parameter Fluoranthen (PAK) festzustellen. Alle anderen Stoffe wiesen Konzentrationen unterhalb oder gleich dem Qualitätsziel auf und sind nach einer ersten Einschätzung als unbedenklich einzustufen.

Seit November 1994 betreibt das Institut für Geografische Wissenschaften der TU Berlin im Auftrag des Referates Wasserwirtschaftliche Grundlagen der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung im Rahmen des bundesweit abgestimmten Schwebstoffmonitorings eine Schwebstoffzentrifuge an der Messstelle SpreeSophienwerder. An den gewonnenen Schwebstoffmischproben werden die Schwermetallgehalte sowie einige organische Schadstoffe bestimmt. Die ermittelten Konzentrationen werden auf Einhaltung der LAWA-Zielvorgaben zum Schutz oberirdischer Binnengewässer sowie der Zielvorgaben der Richtlinie 76/464EWG für Schwebstoffe überprüft.

Beispielhaft werden die Untersuchungsergebnisse des Jahres 2000 für Schwermetalle und organische Schadstoffe dargestellt.

Die Analytik und Auswertung der Messergebnisse für 2001 ist noch nicht abgeschlossen. Die Ergebnisse sind für den Untersuchungszeitraum 1995 bis 2000 repräsentativ und zeigen eine geringe Belastungssituation für Chrom und Nickel, während die toxisch problematischen Schwermetalle Blei, Cadmium, Kupfer und Zink die Werte der Zielvorgaben um das 2- bis 8fache überschreiten. Zur Erreichung der Zielvorgaben sind umfangreiche Maßnahmen zur Reduzierung der Schwermetalleinträge erforderlich.

Schwerpunkt der Belastungssituation der Schwebstoffe mit organischen Stoffen stellen die Polychlorierten Biphenyle dar. Die Werte weisen durchgehend die Güteklasse III gemäß Klassifikationsschema der Abwassertechnischen Vereinigung (ATV) auf. Der Eintrag von PCB findet diffus satt. Diese Einträge aus zahlreichen verstreuten, häufig kaum zu lokalisierenden kleinen und mittleren Quellen sind für PCB typisch. Seit dem 18. Juli 1989 ist die PCB-Verbotsverordnung in Kraft. PCBs wurden früher überwiegend als Isolier- und Kühlmittel oder Hydraulikflüssigkeit verwendet und gelangten so über vielfältige Eintragspfade in die aquatischen Systeme. Vor allem in den Gewässersedimenten haben sich diese Verbindungen extrem angereichert und werden durch verschiedene Prozesse remobilisiert. Auch rezente Einträge u. a durch Leckagen aus älteren Hochleistungserdkabeln werden diskutiert. Insgesamt ist mittelfristig ein abnehmender Trend zu erwarten.

Zustand der Gewässer infolge Einleitungen aus den Regenentwässerungs- und Mischwassersystemen

In den Sommermonaten, insbesondere nach ergiebigen Regenfällen, führt Sauerstoffmangel vor allem in den innerstädtischen Kanälen und der Stadtspree lokal zu akuten ökologischen Schädigungen mit Fischsterben. Ursache sind stoßartige Einleitungen aus der Regenentwässerungs- und Mischwasserkanalisation.

Dadurch werden die ökologisch erforderlichen Schwellenwerte für Sauerstoff zur Aufrechterhaltung der Lebensgrundfunktionen

­ selbst für anspruchslose Fischarten ­ pro Jahr mehrmals unterschritten. Oftmals kann nur durch den künstlichen Eintrag von Luft oder technischem Sauerstoff ein Massenfischsterben verhindert werden. Voraussetzung für eine erfolgreiche Belüftung ist das rechtzeitige Erkennen kritischer Sauerstoffkonzentrationen im Gewässer. Durch spezielle Wassergütemessstationen mit Datenfernübertragung ist eine ständige Erfassung der Gewässergütesituation möglich. Ergänzt werden die punktuellen Messungen während kritischer Situationen durch Sauerstoffprofilfahrten des Fischereiamtes zur räumlichen Erfassung der Gewässersituation.

Beispielhaft werden anhand der Situation im Mai/Juni 2000 die Folgen der Regenwassereinleitungen und Mischwasserüberläufe in den Gewässern aufgezeigt:

Nach starken Niederschlägen am 17. Mai 2000 kam es in Berlin zu signifikanten Mischwasserüberläufen in der Innenstadt. Allein über die Regenbeckenüberläufe Berlin I, Berlin II, Berlin VI und Berlin VII wurden am 17. Mai 2000 38 000 m3 Mischwasser in den Landwehrkanal eingeleitet. Deutliche Anzeichen von Sauerstoffzehrungen wurden am 18. Mai im Landwehrkanal zwischen Urbanhafen und Potsdamer Platz und unterhalb der Unterschleuse registriert (siehe Anlage 5). Gewässerstrecken über mehrere Kilometer waren sauerstofffrei. Durch den massiven Einsatz des Sauerstoffschiffes „Rudolf Kloos" (200 kg technischer Sauerstoffeintrag je Stunde) in der Zeit vom 17. Mai bis 27. Mai 2000 konnten diese Sauerstofflöcher zügig wieder aufgestockt werden.