Speicherung von personengebundenen Hinweisen

Gleichzeitig wurde die Einführung bundesweiter Dateien und von Katalogwerten zur Erfassung linksorientierter, politisch motivierter Straftäter und Straftäter politisch motivierter Ausländerkriminalität in INPOL sowie Störerdateien der Länder beschlossen.

Bei allem Verständnis für Maßnahmen, um die zunehmende politisch motivierte Kriminalität effektiver bekämpfen zu können, bestehen erhebliche Zweifel an der Erforderlichkeit und der Verhältnismäßigkeit des beschlossenen Maßnahmenkataloges. Diese neuen personengebundenen Hinweise gehen in der Intensität des Eingriffes in die Rechte der Betroffenen deutlich über die Aufnahme von Datensätzen in Dateien ­ z. B. in die Datei „Gewalttäter Sport" ­ hinaus, weil der Hinweis automatisch bei jedem polizeilichen Kontakt mit dem Betroffenen wie bei einer Verkehrskontrolle angezeigt wird.

Nach dem BKAG ist die Speicherung von personengebundenen Hinweisen nur zulässig, wenn das zur Eigensicherung von Beamten oder zum Schutz des Betroffenen erforderlich ist (§ 7 Abs. 3). Die Senatsverwaltung für Inneres hält demgegenüber § 8 Abs. 2 BKAG ­ wonach personenbezogene Daten von Beschuldigten und Tatverdächtigen gespeichert, verarbeitet und genutzt werden dürfen, wenn das erforderlich ist, weil wegen der Art der Ausführung der Tat, der Persönlichkeit des Betroffenen oder sonstiger Erkenntnisse Grund zu der Annahme besteht, dass Strafverfahren gegen den Beschuldigten oder Tatverdächtigen zu führen sind ­ für eine breite und tragfähige Rechtsgrundlage. Subjektive Einschätzungen ­ also beispielsweise die Wertung, gewalttätig zu sein ­ bringt der Gesetzgeber durch den Begriff „personengebundene Hinweise" zum Ausdruck. In § 8 Abs. 2 BKAG ist jedoch von personenbezogenen Daten die Rede. Wenn § 8 Abs. 2 BKAG auch die Speicherung subjektiver Einschätzungen umfassen würde, entfiele der eigenständige Anwendungsbereich des§ 7 Abs. 3 BKAG hinsichtlich der Beschuldigten und Verdächtigen. Die strengeren Anforderungen würden somit umgangen. nalitätsphänomen wie das der politisch motivierten Straf- und insbesondere Gewalttaten zu gewinnen und um diese effektiver bekämpfen zu können.

Die Speicherung der personengebundenen Hinweise „LIMO", „REMO", „AUMO" in den bereits bestehenden INPOL -Verbunddateien ist entgegen der Auffassung des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit auf der Grundlage des § 8 Abs. 2 BKAG rechtlich zulässig. Diese Rechtsauffassung wird auch vom Arbeitskreis Innere Sicherheit II (s. Umlaufbeschluss vom 13.11.2000, Abschnitt II Nr. 3) bezüglich des personengebundenen Hinweises „REMO" vertreten. Der Beschluss ist uneingeschränkt auf die von der Innenministerkonferenz am 24.11.2000 ebenfalls beschlossenen personengebundenen Hinweise „LIMO" und „AUMO" anwendbar.

Ausweislich der Gesetzesbegründung zu § 8 Abs. 2 BKAG ist die Speicherung von personenbezogenen Daten sowohl zu Zwecken der Verhütung von Straftaten als auch zur künftigen Strafverfolgung zulässig.

Mit den genannten personengebundenen Hinweisen wird genau dieser vom Gesetzgeber beabsichtigte zweifache Zweck verfolgt. Richtig ist, dass diese Hinweise subjektive Einschätzungen in Bezug auf die Betroffenen wiedergeben. Allerdings bewirkt nicht die politische Anschauung allein kausal eine Eintragung, sondern es müssen zusätzlich die Voraussetzungen des § 8 Abs. 2 BKAG erfüllt sein. Nur dann, wenn der personengebundene Hinweis im konkreten Fall zur Verhütung von Straftaten oder zur künftigen Strafverfolgung erforderlich ist, kann er eingestellt werden. Es liegt damit eine klare Abgrenzung zu den Fällen des § 7 Abs. 3 BKAG vor.

Die polizeilichen Erfahrungen bei der Bekämpfung des Rechtsextremismus lassen eine verbesserte präventive und repressive Aufgabenerfüllung durch die personengebundenen Hinweise insofern erwarten, als sie geboten sind für die Durchführung polizeilicher Maßnahmen z. B. im Vorfeld von Skinheadkonzerten, Versammlungen etc. oder im Rahmen der Fahndung nach politisch motivierten Straftaten. Die Umstände, die zu der Annahme führen, dass solche Maßnahmen gegen die betreffende Person zu richten sein werden, sind Gegenstand der obligatorischen Einzelfallprüfung.

Die von der Innenministerkonferenz beschlossenen Maßnahmen zielen einerseits darauf ab, den Vollzugsbeamten in Bund und Ländern bei den polizeilichen Kontrollen vor Ort entscheidende personenbezogene Informationen zukommen zu lassen, auf deren Grundlage geeignete präventive oder repressive Maßnahmen ergriffen werden können. Dazu sollten die personengebundenen Hinweise in den INPOL-Dateien „Personenfahndung", „Erkennungsdienst" und „Kriminalpolizeilicher Aktennachweis" (KAN) gespeichert werden.

Andererseits werden den Vollzugsbeamten die Inhalte der auf Länderebene im Rahmen der Gefahrenabwehr eingerichteten Störer-Dateien zur Verfügung gestellt.

Es ist nicht zu erkennen, welche zusätzlichen Erkenntnisse aus den geplanten Verbunddateien gewonnen

Die neuen Verbunddateien bzw. Anlass-ZweckKombinationen und die personengebundenen Hinweise in den bestehenden INPOL ­ Dateien wurden erforderlich, weil das gegenwärtige Dateiensystem von INPOL (aktuell) mit seinem Bestandsführungs- und Zugriffsregelungen es nicht mehr auf einfache Weise ermöglicht, jedem Polizeibeamten die für seine Aufgabenerfüllung richtigen Informationen zielgenau zur Verfügung zu stellen. Nur das Programm „Personenfahndung" steht allen Polizeibeamten für Auskünfte bei „Fahndungsabfragen" zur Verfügung; die drei neuen Dateien nutzen diese Möglichkeit, durch die Vergabe der Anlass-Zweck-Kombination derartige Personen, bei denen verdichtete Erkenntnisse zur Gewalttätigkeit bzw. Gewaltbereitschaft im Zusammenhang mit poliBericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats werden können. Im Übergangsbetrieb ist ohnehin nur die Speicherung der Personalien der Betroffenen sowie die Anlass-Zweck-Kombination zulässig. In den Errichtungsanordnungen sind die Kriterien, nach denen die Daten eingestellt werden sollen, wenig präzise. Das Bundesministerium des Innern legt darüber hinaus den Begriff der „Straftaten von erheblicher Bedeutung" sehr extensiv aus; das hat zur Folge, dass eine aus extremistischen, politischen Beweggründen begangene Tat dann regelmäßig eine Straftat von erheblicher Bedeutung (§ 2 Abs. 1 BKAG) ist. Diese Auslegung wird in dem Entwurf der Errichtungsanordnung für die INPOL-Verbunddatei KAN deutlich: Danach soll der Verdacht des Handelns zur Verfolgung extremistischer Ziele oder die Begehung fremdenfeindlicher Straftaten generell das Merkmal der überregional bedeutsamen Straftaten erfüllen. Dadurch wird eine viel zu weit gehende Hereinnahme potenziell extremistisch motivierter Straftaten unter faktischer Umgehung der Speicherungsschwellen des BKAG (§ 2 Abs. 1 BKAG) erreicht. Auch die Löschungs- und Prüffristen sind zu lang. Eine Pflicht zur Dokumentation der Begründung für die Vergabe eines personengebundenen Hinweises fehlt.

Die Senatsverwaltung für Inneres hat in das Abstimmungsverfahren ­ ohne die Zustimmung der Länder können Verbunddateien bei dem Bundeskriminalamt nicht dauerhaft eingerichtet werden ­ ihre Bedenken eingebracht, soweit Platzverweise oder Personalienfeststellungen als Speicherungsanlass bei den „sonstigen Personen" ­ also Personen, die nicht Beschuldigte oder Verdächtige sind ­ ausreichen sollen. In Berlin werden Personen, die nach Polizeirecht „Störer" sind, ohne Straftäter zu sein, nicht in Dateien zentral erfasst.

Der Polizeipräsident in Berlin kann diese Daten nicht anliefern.

tisch motivierter Kriminalität vorliegen, bei jeder INPOL - Fahndungsabfrage sichtbar zu machen. Diese Kenntnis kann nicht zuletzt aus Gründen der Eigensicherung für die jeweiligen Polizeibeamten von Bedeutung sein. Ferner ermöglicht diese Information, dass im Einzelfall geeignete repressive bzw. präventive Maßnahmen ergriffen werden können. Die Dateien im beschriebenen Übergangsbetrieb sind im Gegensatz zu den Störer-Dateien auf Landesebene für den Nutzer länderübergreifend verfügbar. Das ist gerade in Ballungsräumen in der Nähe von Landesgrenzen für die polizeiliche Aufgabenerfüllung unverzichtbar. Allein die Realisierung von Störer-Dateien auf Landesebene macht nicht generell die länderübergreifende Sammlung verzichtbar, weil es gerade darum geht, das besondere Kriminalitätsphänomen der politisch motivierten Kriminalität länderübergreifend im Rahmen einer Verbunddatei abzubilden, um einen verlässlichen Überblick über diese Kriminalitätsform zu gewinnen.

Durch den Austausch bzw. die Verfügbarkeit von Informationen bei der praktischen polizeilichen Arbeit ergeben sich regelmäßig zusätzliche Erkenntnisse; dies gilt sowohl für die Nutzung der Verbunddateien als auch für die auf Landesebene vorgesehenen StörerDateien, auf deren inhaltliche Ausgestaltung bundesseitig keinerlei Einflussmöglichkeit besteht.

Unabhängig davon haben bisher auch nicht alle Länder in eigener Zuständigkeit auf der Grundlage ihrer landesrechtlichen Regelungen eigene Störer-Dateien realisiert. Das gilt auch für das Land Berlin.

Im Gegensatz zu der vom Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit vertretenen Auffassung kommt extremistisch motivierten Straf- bzw. Gewalttaten im Hinblick auf ihre Wirkung auf die Gesellschaft und auch wegen ihrer nicht zu unterschätzenden internationalen Außenwirkung regelmäßig eine „erhebliche Bedeutung" und in einer Vielzahl von Fällen auch „länderübergreifende Bedeutung" i.S. des § 2 Abs. 1 BKAG zu. In der Gesetzesbegründung (BTDrs. 13/1550, zu § 2, Seite 21) wird in diesem Zusammenhang u.a. auch auf die Beeinträchtigung des Rechtsfriedens und der Rechtssicherheit durch die konkrete Tat abgestellt.

Diese Kriterien dürften bei politisch motivierten extremistischen Straftaten regelmäßig wegen der bereits genannten Wirkung für die innere Sicherheit und ihrer internationalen Außenwirkung erfüllt sein, so dass die Speicherung der Daten nach hiesiger Auffassung auf § 2 Abs. 1 BKAG gestützt werden kann. Da die Einstellung der Daten in die drei Dateien bzw. AnlassZweck-Kombinationen von den Staatsschutzdienststellen in Bund und Ländern vorgenommen wird, ist die Würdigung des konkreten Einzelfalles und eine einheitliche Erfassungspraxis gewährleistet.

In dem bereits an anderer Stelle erwähnten Umlaufbeschluss des AK II vom 13.11.2000 ist im Zusammenhang mit der Einführung des personengebundenen Hinweises „REMO" in Abschnitt II, Nr. 2 die grundsätzliche KAN-Relevanz für Straftaten aus rechtsoriBericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats entierten politisch motivierten Beweggründen beschlossen worden. Dieser Beschluss ist im Hinblick auf die nachfolgenden Beschlüsse der IMK vom 24.11.2000 erweiternd dahingehend zu interpretieren, dass von einer grundsätzlichen KAN-Relevanz aller aus politisch motivierten Beweggründen begangenen Straftaten auszugehen ist.

Die Auffassung des BlnBDI, dass die Löschungs- und Prüffristen zu lang sind, wird diesseits vor dem Hintergrund der polizeifachlichen Erforderlichkeit nicht geteilt. Es ist jedoch darauf hinzuweisen, dass der jeweilige polizeiliche Sachbearbeiter im konkreten Einzelfall nicht daran gehindert ist, eine von der Regel abweichende kürzere Aussonderungsprüffrist festzusetzen.

Zudem wird sich die retrograde Erfassung in der Anlass-Zweck-Kombination nach einhelliger Auffassung der Kommission Staatsschutz der AG Kripo auf aktuelle Erkenntnisse beschränken.

Die Ausführungen des BlnBDI zu der Haltung des Landes Berlins im Zustimmungsverfahren nach § 34 Abs. 2 BKAG sind zutreffend. Richtig ist auch, dass das Land Berlin keine Datei führt, in der Störer, die keine Straftäter sind, zentral erfasst werden, so dass es diesbezügliche Daten nicht anliefern kann.

Telefonüberwachung:

Die Zahl der Telefonüberwachungen ist in den vergangenen Jahren ständig gestiegen. So lag die Zahl der richterlichen oder staatsanwaltschaftlichen Anordnungen im Jahr 1995 noch bei 217; sie stieg bis zum Jahr 2000 auf 739. Dabei wird über die Zahl der überwachten Gespräche sowie der betroffenen Personen keine Statistik geführt. Diese Maßnahmen haben im Haushaltsjahr 2000 rund 443.000,00 DM Fernmeldegebühren, etwa 42.000,00 DM mit steigender Tendenz

­ für Reparaturen sowie etwa 58.000,00 DM für Verbrauchsmittel zur Beweissicherung gekostet. Eine Statistik, in wie vielen Fällen die Ergebnisse einer Telefonüberwachung zu einer Verurteilung geführt haben, wird nicht geführt. Nach Wegfall der Analogtechnik im Jahr 1999 verfügt die Berliner Polizei über 75 digitale Aufzeichnungseinheiten zuzüglich zwei Aufzeichnungseinheiten der älteren Generation als Dauerleihgabe aus Brandenburg sowie über 55 Auswerteeinheiten. Seit Jahren bestehen erhebliche Engpässe bei der Umsetzung mit Wartelisten von bis zu 80 kapazitätsbedingt nicht umsetzbaren Beschlüssen im März/April 2001. Durch Fristablauf zahlreicher, nicht umsetzbarer Beschlüsse lag die Zahl im Mai 2001 bei 26 Telefonüberwachungen. Die vorhandene Technik ermöglicht sowohl die Überwachung des Telefonfestnetzes als auch von Telefonmobilfunknetzen, sofern die dafür erforderlichen Teilnehmerdaten bekannt sind.