Aktenauskunft

Auch im europäischen Rahmen hat sich die Informationsfreiheit weiterentwickelt. Mit der Verordnung (EG) Nr. 1049/2001 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 30. Mai 2001 über den Zugang der Öffentlichkeit zu Dokumenten des Europäischen Parlaments, des Rates und der Kommission haben die Unionsbürger und natürliche wie auch juristische Personen, die ihren Wohnsitz oder Sitz in einem Mitgliedstaat haben, ein gesetzlich verankertes Recht auf Zugang zu Dokumenten der Organe. Im internationalen Rahmen gibt es ­ initiiert durch den neuseeländischen Beauftragten ­ Bemühungen, die Informationsfreiheitsbeauftragten in einer ständigen Konferenz zu vernetzen.

Umfrage zum Berliner Informationsfreiheitsgesetz (IFG):

Eine erste umfangreichere Evaluation der Anwendung des IFG in Berlin hat die Senatsverwaltung für Inneres erstellt. Grundlage war eine landesweite Umfrage, in die alle öffentlichen Stellen einbezogen wurden. Sie bezog sich auf alle Anträge auf Akteneinsicht bzw. Aktenauskunft der ersten dreizehn Monate nach InKraft-Treten des IFG im Zeitraum vom 30. Oktober 1999 bis zum 30. November 2000. Neben der statistischen Erfassung der Anträge, der Art ihrer Bearbeitung und Bescheidung zielte die Umfrage auch auf eine Sammlung von Erfahrungen und Problemen beim Umgang mit dem IFG.

Die landesweite Umfrage zum Berliner IFG war ein wichtiger Schritt zur Kenntlichmachung der Probleme, die im Umgang mit dem neuen Gesetz zu Tage getreten sind. In der Tat ist die teilweise befürchtete „Antragsflut" ausgeblieben. Dafür ist andererseits deutlich geworden, dass die Auslegung einzelner Paragraphen des IFG erhebliche Schwierigkeiten bereitet, die zum Teil in Formulierungen und Regelungstechnik des Gesetzes selbst begründet sind.

In dem der Umfrage zugrunde liegenden Zeitraum sind insgesamt 164 Anträge auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft gestellt worden. Die Befürchtungen, ein allgemeines Informationszugangsrecht würde die Berliner Verwaltung lahm legen, sind demnach unberechtigt gewesen. Gleichwohl ist der Ansatz des IFG, das das herkömmliche Verhältnis zwischen Offenheit und Amtsverschwiegenheit umkehrt, für die Bürgerinnen und Bürger wie auch für die Verwaltungen bis heute gewöhnungsbedürftig. Die Informationsfreiheit als alltäglicher Bestandteil des Kontaktes zwischen mündigen Bürgern und der Verwaltung ist noch auf dem Wege zur Normalität. Umso mehr begrüßen wir Initiativen von öffentlichen Stellen, die Informationsrechte bekannt zu machen. Hervorzuheben ist das Bezirksamt Marzahn-Hellersdorf, das auf seiner Homepage Erläuterungen zum IFG und einen Antragsvordruck zur Akteneinsicht anbietet.

Problemfelder:

Der Anteil der Anträge auf Akteneinsicht oder Aktenauskunft gegenüber öffentlichen Stellen, bei denen der Berliner Beauftragte für Akteneinsicht und Informationsfreiheit durch Beschwerden oder mit der Bitte um Beratung beteiligt wird, ist erwartungsgemäß hoch.

Dies ist nicht so sehr der rigiden Bescheidung der Anträge geschuldet, sondern Unsicherheiten und Anwendungsschwierigkeiten des Gesetzes sowie der Tatsache, dass die bisherige Aktenführung in den Verwaltungen nicht dem Gedanken der Informationsfreiheit RechDie Aktenführung in der Berliner Verwaltung kann sich nicht primär an dem Gedanken der Informationsfreiheit ausrichten. Vielmehr sind Zusammengehörigkeit, Vollständigkeit und Chronologie die entscheidenden Leitlinien der Aktenführung, wie sie auch in der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung ­ Allgemeiner Teil (GGO I) ihren Niederschlag gefunden haben. Eine etwaige Trennung der Akten in solche, die zur Einsicht freigegeben sind und solche, die Einschränkungen der Informationsfreiheit. Die immer wiederkehrenden Probleme spiegeln sich auch in den Anmerkungen zur Umfrage der Senatsverwaltung für Inneres wider. Teilweise entsprechen sie den im letzten Tätigkeitsbericht angesprochenen. Insbesondere sind die nachfolgenden zu nennen, die zum Teil durch eine erweiterte Kommentierung des Gesetzes, aufbauend auf den Erfahrungen bei der Bearbeitung der Anträge, zu lösen sind, teilweise aber auch Anlass geben, über eine behutsame Novellierung einiger Gesetzesformulierungen durch das Abgeordnetenhaus nachzudenken. Ausdrücklich ist aber festzustellen, dass sich das IFG in seiner jetzigen Form alles in allem bewährt hat.

Bereits der Bericht zum Vorjahreszeitraum ging auf die Schwierigkeiten der Verwaltungen mit § 6 Abs. 1 IFG ein, wonach ein Recht auf Akteneinsicht oder ­auskunft, von der personenbezogene Daten betroffen sind, nicht besteht, wenn tatsächliche Anhaltspunkte auf ein überwiegendes Privatinteresse des Antragstellers gegeben sind. Diese Formulierung, die als Missbrauchsklausel erst im Endstadium des Gesetzgebungsprozesses eingefügt wurde, verleitet nicht selten dazu, nach Motiven der Antragstellung zu forschen, obwohl das Gesetz eine Begründung des Antrags nicht verlangt.

Übersehen wird dabei bisweilen, dass sie sich lediglich auf die Herausgabe personenbezogener Daten bezieht und nur dann zum Tragen kommen kann, wenn tatsächliche Anhaltspunkte auf ein überwiegendes Privatinteresse wie Neid, Rachegelüste oder pures Querulantentum vorliegen. unterliegen, ist weder praktikabel noch rechtlich möglich, da die Gewährung von Akteneinsicht regelmäßig auf einer Einzelfallentscheidung beruht, zum Teil vom Antragsteller abhängig sein kann und darüber hinaus das IFG selbst in einzelnen Paragraphen Abwägungen vorsieht und der Verwaltung einen Ermessensspielraum eröffnet. Vor diesem Hintergrund erscheinen lediglich in begründeten Einzelfällen Änderungen der bisherigen Aktenführung mit Blick auf das IFG sinnvoll.

Nach den ersten Erfahrungen im Umgang mit dem IFG teilt der Senat die Einschätzung, dass das Gesetz in Teilbereichen aus Gründen der Klarstellung und zur besseren Handhabung unter Berücksichtigung der Ergebnisse der landesweiten Umfrage zum IFG novelliert werden sollte. Dabei sind auch die Entscheidungen des Berliner Verwaltungsgerichts bzw. Oberverwaltungsgerichts zum IFG zu berücksichtigen.

Das in § 1 IFG geregelte Informationsinteresse ist gegeben, wenn die gewonnenen Erkenntnisse unmittelbar der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, um über die bestehenden Informationsmöglichkeiten hinaus die demokratische Meinungs- und Willensbildung zu fördern und eine Kontrolle staatlichen Handelns zu ermöglichen. Jeder Mensch (bzw. jede juristische Person, § 3 Abs. 1 IFG), der einen Antrag auf Auskunft oder Einsicht in staatliche Unterlagen beantragt, ist Teil dieser Allgemeinheit, der die Informationen zugänglich gemacht werden. Er handelt als „Sachwalter der Allgemeinheit". Seine individuellen (auch Rechtsschutz-) Interessen an der Auskunft müssen gegenüber denen der Allgemeinheit nicht zurückstehen bzw. sich nicht mit diesen decken. Lebensnah ist vielmehr davon auszugehen, dass viele Anträge auf Akteneinsicht oder -auskunft nach dem IFG auch von der subjektiven Interessen- und Motivationslage des Antragstellers geprägt sind. Insofern können durchaus mehrere Interessenlagen parallel nebeneinander bestehen, ohne dass das Informationsinteresse der Allgemeinheit nach § 1

IFG ausgeschlossen wäre. Das Ziel des IFG, der Öffentlichkeit Zugang zu Informationen über die Hintergründe und Intentionen von Entscheidungen zu gewähren, bezieht sich nicht nur auf übergreifende Sachverhalte, die eine größere Öffentlichkeit betreffen, sondern eben auch auf begrenzte Entscheidungen der Verwaltung, von denen nur wenige betroffen sind. Die Kontrolle staatlichen Handelns als Zweck des IFG umfasst auch diese Vorgänge.

Der Senat teilt die Ausführungen des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit zu dem in § 1 IFG geregelten Informationsinteresse. Dass viele Anträge im Ansatz eher der Verfolgung privater Interessen dienten, hat auch die landesweite Umfrage zum Berliner IFG ergeben.

Der Umfrage der Senatsverwaltung für Inneres ist auch zu entnehmen, dass die Ermittlung der zu erhebenden Gebühren den öffentlichen Stellen weiterhin erhebliche Probleme bereitet. Wie die Ausfüllung der Rahmengebührentatbeständen im Einzelfall geschehen soll, ist angesichts der geringen Erfahrungen der einzelnen Verwaltungen unklar. Unserer - bereits im vorigen Jahresbericht erwähnten - Anregung, den Behörden eine Staffel der Gebühren nach Umfang der Akten und Zeitaufwand an die Hand zu geben, ist die Senatsverwaltung für Inneres auch im Berichtszeitraum nicht gefolgt. Wir halten sie aber weiterhin sowohl im Interesse der öffentlichen Stellen als auch der antragstellenden Bürgerinnen und Bürger für sinnvoll. Dabei muss berücksichtigt werden, dass:

- die Obergrenze der Gebühren, die sich auf eine sehr umfangreiche Akteneinsicht (viele Ordner) bezieht, kteneinsicht auch bei einem gewissen Aufwand nicht bereits im oberen Bereich der Rahmengebühren liegen,

- der Europäische Gerichtshof in seinem Urteil vom 9. September 1999122 festgestellt hat, dass Gebühren für eine Akteneinsicht eine angemessene Höhe nicht überschreiten und nicht prohibitiv sein dürfen,

- das IFG die Teilhabe der Bürger an der demokratischen Meinungs- und Willensbildung unterstützen soll,

- das IFG eine transparente Verwaltung und nachvollziehbare Entscheidungen der Verwaltung fördern soll und

- die Informationserteilung keine klassische Dienstleistung der Verwaltung für den Bürger allein in dessen Interesse ist, sondern Bestandteil einer modernen, transparenten Verwaltung und auch in ihrem Interesse, einer größeren Legitimation durch den Souverän, erfolgt.

Der Senat hat zum Problem der Gebührenberechnung bereits im Rahmen seiner Stellungnahme zum Jahresbericht 2000 des BlnBDI eingehend Stellung genommen und verweist auf die dort gemachten Ausführungen, an denen festgehalten wird. Dabei lautet der zentrale Einwand gegen eine Staffelung, dass der für die Berechnung der Gebühr maßgebliche Verwaltungsaufwand eine Frage des Einzelfalls ist und sich mit Blick auf das IFG nur schwerlich sinnvoll kategorisieren lässt. Wenn überhaupt, so ließe sich der Verwaltungsaufwand wohl am ehesten nach dem erforderlichen Zeitaufwand staffeln, nicht aber nach der vorgeschlagenen Kombination aus Aktenumfang und Zeitaufwand. Denn zum einen ist der Umfang einer Akte als Kriterium kaum aussagekräftig, da Akten mit vergleichsweise geringer Seitenzahl einer Vielzahl begründungspflichtiger Einschränkungen des Informationsrechts nach den §§ 6 ff. IFG unterliegen und eingehende Prüfungen nach sich ziehen können, während andere umfangreichere Akten problemlos offengelegt werden können. Zum anderen schlägt sich die Notwendigkeit der Durchsicht umfangreicher Akten ja gerade im Zeitaufwand nieder, so dass nicht ersichtlich ist, wie die beiden Kategorien sinnvoll kombiniert werden könnten. Schon an diesen Beispielen wird deutlich, welche Probleme eine Kategorisierung mit sich bringt.

Das Kriterium des Zeitaufwandes kann zudem ­ einzelfallgerechter als jede Staffelung ­ bereits auf der Grundlage des geltenden Gebührenrechts der Berechnung der Gebühr zu Grunde gelegt werden. Der Senat weist darauf hin, dass sich der Gesetzgeber mit der Regelung des § 16 Satz 2 IFG bewusst für eine Anwendung der gebührenrechtlichen Regelungen entschieden hat. Das aufgeworfene Problem ist daher schwerpunktmäßig gebührenrechtlicher Art. Denn für Rahmengebühren gilt insbesondere § 5 der Verwaltungsgebührenordnung (VGebO) und das der Vorschrift des § 5 Nr. 2 VGebO zugrundeliegende Kostendeckungsprinzip. Auch § 8 Abs. 2 des Gesetzes über Gebühren und Beiträge (GebG) gebietet bei der Festsetzung von Verwaltungsgebühren die Berücksichtigung der Kosten des Verwaltungszweiges. Freilich ist im Einzelfall das gebührenrechtliche Äquivalenzprinzip zu beachten, welches besagt, dass die Gebühren in keinem Missverhältnis zu der von der öffentlichen Verwaltung gebotenen Leistung stehen dürfen. Die Intention des IFG, die Teilhabe der Bürger an der demokratischen Meinungs- und Willensbildung zu unterstützen, entbindet jedoch nicht von der Beachtung der bestehenden gebührenrechtlichen Regelungen, zumal der Gesetzgeber ­ wie bereits betont ­ bewusst auf das Gebührenrecht verwiesen hat.

Schwierigkeiten bereitet das Verhältnis der Informationsansprüche nach dem IFG zu in anderen Gesetzen geregelten Auskunfts- und Einsichtsansprüchen. Insbesondere sehen sich die Anwender mit der Frage konfrontiert, wie sich die weitergehenden Rechte auf die

Auch nach Auffassung des Senats kann das Verhältnis von Informationsansprüchen nach dem IFG zu sonstigen gesetzlich geregelten Auskunfts- und Einsichtsansprüchen im Einzelfall erhebliche Probleme bereiten.