Bildung

3. Die Idee der Einführung einer Generalintendanz für die Staatsoper Unter den Linden und die Deutsche Oper traf insbesondere auf den Widerstand der künstlerisch Verantwortlichen in der Staatsoper Unter den Linden.

4. Nach der Abschaffung der (rechtlich umstrittenen) Medienzulage für das Orchester der Deutschen Oper führte die anschließende Gewährung einer Zulage des Bundes für die Mitglieder der Staatskapelle auf das frühere Niveau der Deutschen Oper zu einer neu errichteten Tarifmauer zwischen den beiden Orchestern. Aus dem Zweiklassen-Gehaltssystem der Berliner Opernorchester wurde de facto ein (künstlerisch nicht begründbares) Dreiklassensystem.

5. Die Finanzierung der Tarifsteigerungen aus dem Landeshaushalt konnte nicht gesichert werden.

Am 6. März 2001 beschloss der Senat dann einen gegenüber dem ursprünglichen Entwurf stark reduzierten Maßnahmenkatalog. Zur Umsetzung der darin fixierten Aufgaben (rechtliche Verselbständigung der Bühnen, Werkstattkonzept, Abfindungsfonds u.a.) kam es jedoch infolge der Regierungswechsel nicht mehr. Auch hatte die mit dem Senatsbeschluss nun gewählte Rechtsform der GmbH für die drei Opernbetriebe - vor dem Hintergrund der negativen Erfahrungen mit der privaten Metropol-Theater GmbH und der landeseigenen Theater des Westens GmbH - wenig Chance auf Akzeptanz bei den Beschäftigten, die dem Betriebsübergang nach § 613a BGB widersprechen können.

Neubestimmung der kulturpolitischen Ziele

Vor dem Hintergrund der Erfahrungen des Scheiterns der Opernreform der Jahre 2000 und 2001 und angesichts der akuten Haushaltsnotlage waren für den SPD-PDS-Senat die kulturpolitischen Ziele und die Art und Weise der Konzeptentwicklung neu zu bestimmen.

1. Kulturpolitisches Ziel bleibt der Erhalt der drei Opernhäuser, wobei zunächst offen blieb, ob es auch drei selbständige Ensembles oder nur drei Standorte sein können.

2. Die auf den Weg zu bringende Strukturreform muss zu einer deutlichen Zuschussabsenkung führen. Der Anteil der Aufwendungen für die drei Opern7 häuser im Kulturetat Berlins ist mit rund 115 Mio. - angesichts des allgemeinen Konsolidierungsdrucks und der in weiten Teilen unterfinanzierten anderen städtischen Kulturaufgaben - zu hoch.

3. Für den Erhalt der großen Kulturinstitutionen ist ein Bündnis für die Bühnen zwingend erforderlich. Seit Jahren können die Tarifsteigerungen bei den Bühnenbetrieben nicht mehr ausgeglichen werden. Betriebsbedingte Kündigungen lassen sich zukünftig nur noch bei Vermeidung weiterer Steigerungen des Personalkostenanteils ausschließen. (Um bei den drei Opern bis zum Jahre 2010 jährliche Tariferhöhungen von 1,5% auf dem Niveau der Stellenausstattung des Jahren 2001 zahlen zu können, wären Mehraufwendungen von ca. 19 Mio. erforderlich! Diese sind weder im Opernetat noch im Kulturetat oder im Landeshaushalt Berlins aufzubringen.)

4. Der Erhalt der Opernlandschaft in der Bundeshauptstadt ist keine städtische Angelegenheit Berlins allein. Der Bund steht in der historischen und politischen Verantwortung, die Bundeshauptstadt Berlin bei der Wahrnehmung ihrer Kulturaufgaben zu unterstützen. Deshalb ist eine Verständigung mit dem Bund über die Möglichkeiten einer Unterstützung bei einer Berliner Opernstrukturreform herbeizuführen.

5. Die Berliner Opernreform muss Anschlüsse zur Förderung der jenseits der großen Häuser entstandenen zeitgenössischen Opernszene ermöglichen.

6. Eine Berliner Opernreform kann nur in einem diskursiven Prozess mit den Intendanten, geschäftsführenden Direktoren, den Personalvertretungen, den Gewerkschaften, der Deutschen Opernkonferenz sowie der Kulturpolitik in Berlin entwickelt werden.

An diesen Zielen orientierte sich das Vorgehen des Senats seit der Verabschiedung des Doppelhaushaltes im Frühsommer 2002.

Wegen der erst im September 2002 stattfindenden Bundestagswahlen war die zur Verfügung stehende Zeit der Konzeptbildung, Abstimmung und fachinternen Erörterung außerordentlich kurz.

Öffentliche Debatte

Den Auftakt bildete ein vom Kultursenator moderiertes öffentliches Pressegespräch am 10. Oktober 2002 in der Akademie der Künste, in dessen Rahmen Antje Vollmer und Ulrich Eckhardt ihr Konzept einer Stiftung „Oper in Berlin" (s. Anlage 1) sowie Richard von Weizsäcker das Konzept eines „Kulturforums Mitte" (s. Anlage 2) vorstellten. Im Umkreis dieser Debatte veröffentlichte Frederik Hanssen den Vorschlag der Umwandlung der Deutschen Staatsoper in ein „Festspielhaus" (s. Anlage 3). Wenig später unterbreitete die Zeitgenössische Oper Berlin einen radikalen Vorschlag zur Neuordnung der Berliner Opernlandschaft: Im Rahmen einer Opernstiftung, an der sich der Bund zu einem Drittel beteiligen soll und die unter Leitung eines Intendanten stehe, solle die Deutsche Oper das „Haus für das große Repertoire" sein, während die Staatsoper Unter den Linden zunächst geschlossen und saniert und dann zum hauptstädtischen Festspiel-„Haus für Europa und die Bundesländer" umgewandelt werden solle (die Staatskapelle bliebe erhalten). Die Komische Oper solle zum „Haus der Gegenwart", zum Produktionsort im Stagionebetrieb mit umgebauten multifunktionalem Aufführungssaal und einer kleineren Bühne für das Kindermusiktheater werden (s. Anlage 4). Die richtigen Fragen nach der Präsenz internationaler und nationaler Musiktheater-Gastspiele und -Koproduktionen in Berlin bzw. nach der Förderung zeitgenössischer Opernproduktion werden hier mit der Liquidation ganzer Ensembles beantwortet. Der Preis einer Zerschlagung zweier traditionsreicher Häuser und der Vertreibung fast aller derzeit künstlerisch Verantwortlicher ist jedoch zu hoch. Gastspiele, Koproduktionen und die Förderung zeitgenössischer Musiktheaterproduktionen sollten allerdings integrale Aufgabe jedes der drei Opernbetriebe sein.

Die neu angestoßene Berliner Operndebatte entfaltete unmittelbare Wirkung auf der Bundesebene. Das Projekt einer „strategischen Partnerschaft des Bundes und Berlins bei der Opernstrukturreform" wurde zum Thema der Koalitionsverhandlungen zur Bildung der zweiten rot-grünen Bundesregierung unter Bundeskanzler Gerhard Schröder.