Entwicklung der rechtsextremistischen Musikszene

Die rechtsextremistische Musikszene stand auch im Jahr 2002 unter erheblichem Verfolgungsdruck, daher fanden in Berlin wie auch im Vorjahr - keine Konzerte statt und die Produktion rechtsextremistischer CDs wurde stark beeinträchtigt. Hier sind vor allem das Vorgehen gegen die Bands „Landser", „D.S.T" („Deutsch, Stolz, Treue") und „WAR" („White Aryan Rebels") zu nennen (Þ Rechtsextremistische Musik).

Im September erhob der Generalbundesanwalt Anklage gegen die Mitglieder der Band wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung (§ 129 StGB). Der Vorwurf der Bundesanwaltschaft lautet, „Landser" sei eine Band, „deren Zweck und Tätigkeit darauf gerichtet ist, Volksverhetzungsdelikte zu begehen und zu Straftaten aufzufordern."

Damit wurde in Deutschland erstmals eine Musikgruppe als kriminelle Vereinigung angeklagt. „Landser" veröffentlichte in der zweiten Jahreshälfte unter dem Pseudonym „Tanzorchester Immervoll" eine Zusammenstellung älterer, strafrechtlich nicht relevanter Lieder sowie eine „Best of"-CD unter dem Titel „Rock gegen ZOG ­ hepp

Pressemitteilung des Generalbundesanwaltes vom 30. September 2002 (Nr. 31/2002). Gemäß der Berichterstattung des „Tagesspiegels" vom 7. Februar 2002 sieht das Kammergericht Berlin keinen hinreichenden Tatverdacht bezüglich der Anklagepunkte der Bildung einer kriminellen Vereinigung und lehnt die Anklage in diesem Punkt ab. Der Generalbundesanwalt beabsichtigt, dagegen Beschwerde einzulegen.

Diese Veröffentlichungen dienen auch zur Begleichung der erwarteten Prozesskosten.

Eine weitere Aktion der Sicherheitsbehörden gegen die rechtsextremistische Musikszene fand im April ihren vorläufigen Abschluss. Nach Hinweisen des Berliner Verfassungsschutzes gelang dem Landeskriminalamt der Zugriff auf die Mitglieder der seit 1997 aktiven Band „D.S.T." und die am CD-Vertrieb beteiligten Personen. Anlass für diese Maßnahme war die Produktion der neuen CD „Ave et Victoria", deren Texte Straftatbestände nach §§ 86a, 130 Strafgesetzbuch32 verwirklichen. In den Liedern wird in besonders perfider und aggressiver Weise gegen Fremde und Juden gehetzt und der Nationalsozialismus glorifiziert. Ein Großteil der hergestellten CDs konnte von der Polizei sichergestellt werden.

Weitere Exekutivmaßnahmen erfolgten gegen das Bandprojekt „WAR" („White Aryan Rebels"). „WAR" veröffentlichte Anfang des Jahres 2001 in einer ersten Auflage die CD „Noten des Hasses", in deren Texten neonazistisches Gedankengut propagiert und zum Mord an Personen des öffentlichen Lebens aufgerufen wird. Während der Eröffnungsfeier eines von einem Berliner Neonazi betriebenen Musik-Clubs in Marzahn am 20. Juli führte das Berliner Landeskriminalamt eine Durchsuchung im Club durch. Der Betreiber und weitere Personen wurden festgenommen. Anlass für die Durchsuchung war der Verdacht der Polizei, die zweite Auflage der „WAR"-CD „Noten des Hasses" vorzufinden. Die Durchsuchung blieb hinsichtlich der CDs allerdings erfolglos.

Der festgenommene Betreiber des Musik-Clubs war Initiator, Texter und Sänger von „WAR" sowie Organisator für die Einspielung und Herstellung der „WAR"-CDs. Für die Einspielungen der Lieder engagierte er wechselnde Musiker aus der neonazistischen Szene Berlins. „ZOG" steht für „Zionist Occupied Government" und spiegelt die in der rechtsextremistischen Szene kursierende Verschwörungstheorie wider, die staatlichen Regierungen der westlichen Länder seien vom „internationalen Judentum" fremdbestimmt.

§ 86a StGB regelt das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen; § 130 StGB die Volksverhetzung.

Das Amtsgericht Berlin verurteilte ihn zu einer Freiheitsstrafe von 22 Monaten, die zur Bewährung ausgesetzt wurde. Eine ehemalige V-Person des Brandenburger Verfassungsschutzes, die im Zusammenhang mit der polizeilichen Exekutivmaßnahme enttarnt wurde, wurde wegen Beteiligung an Produktion und Vertrieb der ersten Auflage der „Noten des Hasses" zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten auf Bewährung verurteilt.

Im Jahr 2002 waren in Berlin außerdem die Bands „Legion of Thor" und „Spreegeschwader" aktiv. Beide nahmen an rechtsextremistischen Konzertveranstaltungen im Bundesgebiet teil und veröffentlichten neue CDs, die jedoch keine Straftatbestände erfüllen. Gegen die Mitglieder von „Spreegeschwader" wurde durch das Landeseinwohneramt Berlin mit Unterstützung des Verfassungsschutzes im Juli eine Ausreisesperre verhängt. Die Band beabsichtigte, am 27. Juli in Ungarn bei einem von der dortigen „Blood & Honour-Division" veranstalteten Konzert aufzutreten. Dies konnte durch die Ausreisesperre verhindert werden.

Das entschlossene Vorgehen der Sicherheitsbehörden führte zu einer Verunsicherung innerhalb der rechtsextremistischen Musikszene in Berlin. Von den Maßnahmen sind neben den Musikern vor allem die im Hintergrund agierenden Produzenten und CD-Händler betroffen. Es ist schwerer geworden, Geld mit der Herstellung und dem Vertrieb rechtsextremistischer Musik zu verdienen. Die Protagonisten scheuen aufgrund des Verfolgungsdruckes momentan davor zurück, weitere strafrechtlich relevante Tonträger zu produzieren, obwohl für diese stärkste Käufernachfrage besteht und mit ihnen die größten Gewinnspannen erzielt werden. Von den sechs im Jahr 2002 in Berlin veröffentlichten CDs rechtsextremistischer Bands war nur die „D.S.T."-CD strafrechtlich relevant. Für nicht strafbare rechtsextremistische CDs ist das Kaufinteresse innerhalb der Szene deutlich geringer.

Rechtsextremistische Musik wird zunehmend per Internet verbreitet.

Dies geht vor allem zu Lasten der ortsansässigen Szeneläden.