Gesetz

Hintergrundinformationen 187

Kurden „Arbeiterpartei Kurdistans" (PKK) / „Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) Ideologie: linksextremistisch Organisationsstruktur: Selbstverständnis als politische Partei, in Deutschland Vereinsstrukturen (Tarn- und Nebenorganisationen) Entstehung/Gründung: 1978 in der Türkei gegründet Mitgliederzahl: 12 000 bundesweit (2001: 12 000), 1 100 in Berlin (2001: 1 100) Sitz in Deutschland: Die Organisation unterliegt seit 1993 in Deutschland einem vereinsrechtlichen Betätigungsverbot.

Publikationen: „Serxwebun" („Unabhängigkeit"), monatlich

Die PKK wurde 1978 im Südosten der Türkei vor dem Hintergrund des seit Jahrzehnten andauernden Konfliktes über die völkerrechtliche Situation der im Ländereck Türkei, Iran, Irak und Syrien lebenden 25 Millionen Kurden gegründet. Erklärtes Ziel der Organisation war die Anerkennung der Kurden als Nation und die Erlangung der politischen Autonomie für die kurdische Minderheit innerhalb des türkischen Staatsgebiets. Von 1984 bis 1999 führte die PKK in der südöstlichen Türkei einen Guerillakrieg für ein unabhängiges „Kurdistan".

In den Jahren 1992 und 1993 verübten Anhänger der PKK zahlreiche Brandanschläge auf türkische Einrichtungen in Deutschland. Insbesondere auf Demonstrationen kam es wiederholt zu gewalttätigen Auseinandersetzungen.

Am 24. Juni 1993 wurde das türkische Generalkonsulat in München von 13 Kurden besetzt, wobei 20 Geiseln genommen wurden. Diese gewalttätigen Aktionen führten zum vereinsrechtlichen Betätigungsverbot in Deutschland.

Ab Mitte 1996 bis zur Festnahme des PKK-Führers Abdullah ÖCALAN im Jahre 1999 verliefen Demonstrationen und Kundgebungen der Anhänger der PKK in Deutschland in der Regel gewaltfrei. Dagegen führten die Festnahme ÖCALANs und seine Auslieferung an die Türkei zu weltweiten militanten Protesten. In Berlin kam es am 17. Februar 1999 zur Erstürmung des israelischen Generalkonsulats, bei der vier Kurden von israelischen Sicherheitskräften erschossen wurden.

1999 nahm die Partei einen strategischen Kurswechsel vor, der auch die deutschen PKK-nahen Vereine betraf. Dabei handelte es sich hauptsächlich um Umbenennungen der Teil- und Nebenorganisationen der PKK, während die bisherigen Hierarchie- und Befehlsstrukturen beibehalten wurden.

Verfassungsschutzbericht Berlin 2002

Auf dem vom 4. bis 10. April 2002 abgehaltenen 8. Parteikongress der PKK wurde der „Freiheits- und Demokratiekongress Kurdistans" (KADEK) gegründet, nachdem zuvor die Einstellung aller Tätigkeiten unter dem Namen „PKK" für den

4. April beschlossen worden war.

Türken „Kalifatsstaat" („Hilafet Devleti") Ideologie: islamistisch Organisationsstruktur: Vereine Entstehung/Gründung: 1984

Mitgliederzahl: 1 100 bundesweit (2001: 1 100), 50 in Berlin (2001: 50) Sitz in Deutschland: Köln; die Organisation wurde am 12. Dezember 2001 vom Bundesminister des Innern verboten Publikationen: „Beklenen ASR-I SAADET" („Das erwartete Zeitalter der Glückseligkeit")

Der „Kalifatsstaat" ist eine islamistische Organisation, die sich 1984 unter der Leitung von Cemaleddin KAPLAN zunächst mit der Bezeichnung „Verband der islamischen Vereine und Gemeinden e.V. Köln" (ICCB) von der „Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V." (AMGT)251 abgespalten hat.

Sowohl der damalige ICCB als auch AMGT strebten für die Türkei eine islamistische Staatsordnung auf Grundlage der Scharia an. Grundlegender Unterschied zwischen beiden Organisationen und gleichzeitiger Anlass für die Abspaltung der so genannten „Kaplancilar" (Kaplan-Anhänger) war hierbei die Frage, auf welchem Weg die Gründung eines „islamischen Staates" zu realisieren sei.

Während die AMGT den gewaltfreien, parlamentarischen Weg einschlug, sprach sich KAPLAN ausdrücklich für eine „islamische Revolution" nach dem Vorbild des Iran aus. Im Zuge einer „islamischen Revolution" sollte das ­ 1924 in der neugegründeten türkischen Republik abgeschaffte ­ Kalifat, das Amt des weltlichen Oberhauptes der Muslime, wieder eingeführt werden. Den legalen Weg zur Macht über demokratische Wahlen lehnte KAPLAN hierbei entschieden ab, da westliche Demokratiemodelle nicht mit der Scharia vereinbar seien.

Als selbsternannter „Emir der Gläubigen und stellvertretender Kalif" rief Cemaleddin KAPLAN 1992 den „Föderativen Islamstaat Anatolien" aus. 1994 ließ er sich von seinen Anhängern zum Kalifen wählen, worauf die Umbenennung der Organisation in „Hilafet Devleti" („Kalifatsstaat") erfolgte. Nach dem Tod Cemaleddin KAPLANs im Jahr 1995 trat sein Sohn Metin die Nachfolge im Amt des „Kalifen" an.

Kurze Zeit danach wurde die Rechtmäßigkeit des neuen „Kalifen" von einigen Anhängern der Gemeinde in Frage gestellt. 1996 kam es zur Spaltung der Organisation, als der Berliner Arzt und frühere Vertraute von Cemaleddin KAPLAN, Dr. Halil Ibrahim SOFU, von seiner Anhängerschaft zum „Gegenkalifen" ausgerufen wurde. Im Mai 1997 wurde SOFU in seiner Wohnung in Wedding von Unbekannten erschossen. In diesem Zusammenhang wurde Metin KAPLAN am 15. November 2000 vom Oberlandesgericht Düsseldorf wegen zweifacher öffentlicher Aufforderung zur Ermordung SOFUs zu vier Jahren Haft verurteilt. Nach der Verhaftung von Metin KAPLAN übernahm Harun AYDIN die Leitung des Verbandes, wobei das ideologische Konzept Cemaleddin KAPLANs beibehalten und die aggressive, demokratiefeindliche und antisemitische Agitation fortgeführt wurden.

Am 12. Dezember 2001 hat der Bundesminister des Innern den „Kalifatsstaat" verboten. Das Verbot wurde durch die Streichung des Religionsprivilegs im Vereinsgesetz möglich.

Begründet wurde das Verbot damit, dass sich der „Kalifatsstaat" offen gegen die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland sowie den Gedanken der Völkerverständigung richtet und die innere Sicherheit sowie außenpolitische Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährdet.

Das Verbot betraf den Gesamtverband und seine bundesweit vorhandenen 19 Teilorganisationen sowie die zum Verband gehörende, in den Niederlanden registrierte Stiftung „Diener des Islam". In Berlin war u. a. die Muhacirin-Moschee in Friedrichshain-Kreuzberg von den Maßnahmen betroffen.

Erstes Gesetz zur Änderung des Vereinsgesetzes, BGBl. I, Nr. 64, 2001, S. 3319 siehe dazu Verfassungsschutzbericht 2001, S. 79 ff.