Gibt es vorübergehend schulersetzende Maßnahmen?

8. Gibt es vorübergehend schulersetzende Maßnahmen? Wenn ja, welche Funktion haben diese und wie werden sie begleitet?

In Einzelfällen und im Einverständnis mit den Regionalteams der senatorischen Behörde vermittelt der Beratungsdienst Schulvermeidung betriebliche Praktika für Schülerinnen und Schüler, um sie einer geregelten und nicht schulbezogenen Tätigkeit zuzuführen, um sie von der Straße wegzubringen.

Im Sekundarbereich II entscheidet die Allgemeine Berufsschule über schulersetzende Maßnahmen. Das können Lehrgänge verschiedener Träger, Arbeitsverträge, zum Beispiel für Sonderschülerinnen oder -schüler oder AB-Maßnahmen des Arbeitsamtes sein. Befreiungen können auch bei besonderen Härten und Problemlagen ausgesprochen werden. Dies geschieht z. B. bei ungewollter Kindschaft, wenn keine Unterbringung im Projekt (berufliche Lebensplanung schulpflichtiger Mütter, siehe Frage 9) möglich ist. Grundsätzlich ist die Befreiung dann sinnvoll, wenn durch andere als schulische Maßnahmen eine berufliche Integration besser erreicht werden kann.

Die Zahl und die Art der schulersetzenden Maßnahmen sind in Tabelle 3 aufgeführt.

Befreiungen für den Rest des Schuljahres, d. h. durchschnittlich für ein Schulhalbjahr.

Tabelle 3 Schulersetzende Maßnahmen Erläuterungen zu schulersetzende Maßnahmen: Arbeit Bedingung: Es liegt ein Arbeits- oder Praktikumsvertrag vor.

Die Jugendlichen ohne Schulabschluss lehnen enttäuscht jede Bildung ab. Ziel ist es, sie über Arbeit und Einkommen für eine eigenständige Berufs- und Lebensplanung zu gewinnen.

Jugendliche mit Schulabschluss erreichen in der Regel weiterbildende Anschlüsse.

Sie arbeiten vorübergehend zur Befriedigung augenblicklicher persönlicher Bedürfnisse (Führerschein, Pkw, Konsumartikel). Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen Maßnahmen der Arbeitsvermittlung des Arbeitsamtes.

Zur Hauptsache sind dies kurzfristig lukrative ABM/J3-Angebote, die mit monatlich ca. 800 DM finanziert werden und zu ca. 50 % Bildungsanteile beinhalten (z. B. Vorbereitung auf die Nichtschülerprüfung der Erwachsenenschule). Häufig wird in der Beratung deutlich, dass sie in der Familie angehalten sind, ihren Beitrag zum Familieneinkommen zu leisten. Da dieses Einkommen in den Folgejahren durch Ausbildung kaum zu steigern ist, ist ein Verbleib in Sozialhilfe eher zu befürchten.

Außerschulische Bildung Beispiele: Deutschanfängerkurs für Zureisende, Erwachsenenschule, REHA-Maßnahme, Kosmetiker/-in-Ausbildung, etc.

Soziales:

Die Dimension Soziales bezeichnet besondere Problemfelder: Haushalt/Kind, Soziale Gründe und Behandlung. Haushalt/Kind = Freistellung von Bildung zur Versorgung des eigenen Kindes.

Es sind in der Regel alleinstehende Schulpflichtige. Ein eigenes Kind ist heute (auch für Jugendliche mit Schulabschluss) ein kurzfristiges Lebensziel, wenn Ausbildung/Arbeit unerreichbar scheinen. Die Kapazität im Projekt (Berufliche Lebensplanung schulpflichtiger Mütter ist ausgeschöpft. Zurzeit gibt es keine Alternative.

Soziale Gründe, die keinen Schulbesuch zulassen sind zur Hauptsache:

- Hohes Stresspotential im aktuellen Lebensumfeld. Eine soz.-päd. Betreuung wird angebahnt, die die Störungen verringern soll, bevor ein regelmäßiger Schulbesuch wieder aufgenommen werden kann.

- Kein Verbleib in (Rest-) Familie möglich. Eine soz.-päd. Betreuung muss zunächst ein Lebensumfeld mit Verlässlichkeit und geregelten Tagesabläufen aufbauen.

- Frühe Heirat muslemischer Frauen und damit einhergehend die neue Pflicht Haushalt. Ärztliche Behandlung, so dass aktuell wegen körperlicher oder psychischer Beeinträchtigung ein geregelter Schulbesuch nicht möglich ist.

Sonstiges:

Hier handelt es sich um ein Bündel eher kurzfristiger Freistellungen, in Situationen in denen kein sinnvolles Angebot realisiert werden kann (z. B. beim Warten auf den Beginn von Bundeswehr, Zivildienst, Krankenpflegeausbildung).

9. Mit welchen inner- und außerschulischen Konzepten und Maßnahmen wird versucht, eine Reintegration der betroffenen Schülerinnen und Schüler zu erreichen? Gibt es konkrete Empfehlungen für die Lehrer, Erzieher und Sozialpädagogen und wie werden die Eltern einbezogen? Gibt es Vernetzungen in den Stadtteilen? Wenn ja, welche?

In der Antwort zu Frage 6 ist auf die Arbeitshilfen für das Vorgehen bei Schulverweigerungsverhalten hingewiesen worden, in denen Empfehlungen für Lehrkräfte beschrieben werden und auch die Elternarbeit angesprochen wird. In der Antwort zu Frage 7 wurden die Vernetzungen in den Stadtteilen angesprochen.

Daneben gibt es folgende zusätzliche Maßnahmen:

Im Zentrum für Schule und Beruf (ZSB), werden besondere Maßnahmen für Schulverweigerer angeboten (Kreativ in die Zukunft I und II, getrennt für Mädchen und Jungen). Grundlage für das ZSB ist ein Kooperationsvertrag zwischen dem Senator für Frauen, Gesundheit, Jugend, Soziales und Umweltschutz, dem Senator für Bildung und Wissenschaft, der Allgemeinen Berufsschule (ABS), dem Amt für Soziale Dienste und dem Deutschen Roten Kreuz.

Die Jugendlichen werden über den Beratungsdienst Schulvermeidung und das Amt für Soziale Dienste den Projektverantwortlichen zugeführt.

In dem Projekt arbeiten jeweils eine Sozialpädagogin/ein Sozialpädagoge mit voller Stundenzahl, eine Lehrmeisterin/ein Lehrmeister mit halber Stundenzahl und eine Lehrkraft der Sekundarstufe-I mit 19 Wochenstunden.

Es handelt sich um acht Plätze für Mädchen (Schule an der Valckenburgstraße) und acht Plätze für Jungen (Schulgebäude am Hulsberg).

Eine weitere Maßnahme ist die Berufliche Lebensplanung lediger Mütter mit acht Plätzen, eine Maßnahme, um diesen jungen Frauen den Einstieg in einer beruflichen Qualifizierung zu ermöglichen.

Die Berichte über den Verlauf der Projekte zeigen, dass mit einer zeitweiligen Separierung der Jugendlichen und einer intensiven personellen Begleitung unterschiedlichster Professionen gelingen kann, die Jugendlichen perspektivisch wieder auf ein selbstbestimmtes Ausbildungs- und Berufsleben vorzubereiten. Der größte Teil der Jugendlichen holt den fehlenden Schulabschluss nach und anschließend werden weitere Regelangebote schulischer und außerschulischer Art eingemündet.

In Bremerhaven gibt es neben den Hilfsmaßnahmen der Schule gezielte Programme im Umgang mit Schulverweigerung im Bereich der Jugendhilfe:

Das Centrum für Berufliche Bildung der AWO (s. auch Antwort auf Frage 15) bietet seit vielen Jahren mit gutem Erfolg 15 Plätze in einem Schulverweigerungsprojekt für Schüler der letzten beiden Schulbesuchsjahre (9. und 10. Jahr) an.

10. Welche Erkenntnisse hat der Senat über Art und Ausmaß der Schulverweigerung in Jugendhilfeeinrichtungen (Heimerziehung, Sonstige Betreute Wohnformen gemäß § 34 KJHG) und welche gesonderten Kontroll- und Hilfemaßnahmen zur Durchsetzung der Schulpflicht bestehen dort?

In Einrichtungen der Jugendhilfe in der Stadtgemeinde Bremen leben ca. 300 schulpflichtige junge Menschen. Rund 120 flexible Einzelbetreuungsmaßnahmen für Jugendliche ab 15 Jahren erfolgen darüber hinaus in Bremen. In Bremerhaven leben derzeit 35 Schulpflichtige in Einrichtungen der Jugendhilfe. Weitere 21

Schulpflichtige leben in flexiblen Betreuungsmaßnahmen. Ausgehend von einem häufigen Fernbleiben vom Unterricht, das angenommen wird, wenn mindestens einmal in der Woche die Schule nicht besucht wird, trifft das auf 20 - 25 % dieser schulpflichtigen jungen Menschen ab 15 Jahren zu. Etwa 10 % der Schulpflichtigen ab diesem Alter in den Bremischen Jugendhilfeeinrichtungen und Betreuten Wohnformen können als Schulverweigerer bezeichnet werden.

In der Regel bestand die Schulverweigerung bereits, als die Erziehungshilfe in der Einrichtung bzw. in der Sonstigen Betreuten Wohnform gemäß § 34 KJHG begann.

Sie ist dann nicht sofort zu beheben.

Bei jeder Schülerin/jedem Schüler, der in einer bremischen Erziehungshilfeeinrichtung/Sonstigen Betreuten Wohnform gemäß § 34 KJHG aufgenommen wird, nimmt die Einrichtung unverzüglich den persönlichen Kontakt zur Schule und zur zuständigen Lehrkraft auf, damit der telefonische Austausch nach dem Fernbleiben vom Unterricht unmittelbar erfolgt.

Als Hilfsmaßnahmen werden von den Einrichtungen noch mehr individuelle Betreuungs- und Lernsettings, wie z. B. kleine Förderkurse mit Stützlehrern in den jeweiligen Schulen angestrebt.

Bei den jungen Menschen, die das 16. Lebensjahr bereits erreicht haben und bei denen die Maßnahmen zur Behebung der Schulverweigerung bisher wenig erbracht haben, werden in der Stadtgemeinde Bremen häufig Maßnahmen der Allgemeinen Berufsschule im Rahmen von berufspädagogischer Beratung eingesetzt.

Die Einrichtungen haben gute Erfahrungen mit dem Zentrum für Schule und Beruf gemacht, aber auch mit Maßnahmen des Arbeitsamtes zur Berufs- und Arbeitsvorbereitung. Die vorberuflichen Maßnahmen beinhalten oft den Gleichstellungsvermerk des Hauptschulabschlusses.