Sozialhilfe

Stationäre Hilfen nach § 34 SGB VIII für 16 ­ 18jährige

Die Notwendigkeit des Fortbestehens stationärer Hilfen nach § 34 SGB VIII für Minderjährige in dieser Altersgruppe wurde überwiegend durch die Fallrevision bestätigt. Die Möglichkeiten zur Beendigung/Umwandlung bestehender Hilfe werden hier eher gering eingeschätzt, da überwiegend der Hilfebedarf fortbesteht, eine Verselbständigung noch nicht möglich erscheint und die Rückkehr in die Familie ebenfalls nicht zu realisieren ist. Für diese Altersgruppe kann aber mittelfristig ­ bei Neufällen

­ durch eine fachliche Steuerung in der Falleingangsphase umgesteuert werden. Ferner kann in Verbindung mit dem Aufbau weniger betreuungsintensiver stationärer Hilfen (vgl. Arbeitspaket 9) und kürzerer Hilfeplanüberprüfungsintervalle mittelfristig eine Umwandlung der Hilfeart in geeigneten Fällen sicher gestellt werden.

Verringerung von Umfang und Dauer bei ambulanten pädagogischen Hilfen

Alle Bezirke, die auch ambulante pädagogische Hilfen zur Erziehung (§§ 29, 30, 31, 35 SGB VIII) in die FR einbezogen haben, berichten von fachlich begründeten Reduzierungen des Hilfeumfangs pro Woche als Ergebnis der Fallrevision. Diese Erkenntnisse/erste Erfahrungen mit den Leistungsbeschreibungen für ambulante Hilfen gehen in den Ausschuss der Kostensatzkommission zur Überprüfung der Leistungsstandards ein, der noch in diesem Jahr eine Anpassung der Leistungsbeschreibungen erreichen will und damit mittelfristig zu einer Reduzierung der Kosten beitragen kann.

Psychologische Therapien

Bei den psychologischen Therapien nach den §§ 27 Abs. 3/35 a SGB VIII, die jedoch nur in wenigen Bezirken in die FR einbezogen wurden, konnten in erheblichem Umfang Hilfen beendet oder umgewandelt werden. Die Ausgangssituation (Ausgaben, Verfahren) im Hinblick auf diese Hilfeart ist in den Bezirken sehr unterschiedlich, daher erfolgte nicht immer der Einbezug dieser Leistungsart in die Fallrevision. Voraussetzung für die Reduzierung der therapeutischen Hilfen auf das fachliche Muss ist die Verständigung auf Bezirksebene im Rahmen eines verbindlichen Verfahrens und/oder der Abschluss einer ressortübergreifenden Zielvereinbarung mit dem für Gesundheit zuständigen Ressort, um die übergreifenden bezirklichen Interessen realisieren zu können. Problematisch ist, wenn der aus fachlichen Gründen hinzuzuziehende kommunale fachdiagnostische Dienst außerhalb des Jugendamtes ohne direkte Ressourcenverantwortung im Rahmen der fachdiagnostischen Stellungnahme an das Jugendamt einen Hilfebedarf im Rahmen der Jugendhilfe definiert und/oder nicht ausreichend die vorrangige Leistungsverpflichtung der Krankenkassen durchsetzt und/oder Leistungsverlängerungen befürwortet (1. und 2. Jahr), die auch aus Gründen der Wirksamkeit der Hilfe in Zweifel zu ziehen sind. In einzelnen Bezirken existieren z. B. bereits Kooperationsvereinbarungen zwischen den Fachbereichen 3 und 4 des Jugendamtes sowie auch ressortübergreifend mit den Kinder- und Jugendpsychiatrischen Diensten und ggf. auch mit den Schulpsychologischen Diensten. In anderen Bezirken ist eine gemeinsame Clearingstelle zwischen dem Fachbereich 3 (Erziehungsund Familienberatungsstelle) und dem Allgemeinen Sozialpädagogischen Dienst des FB 4 des Jugendamtes geplant.

Mehrfachhilfen Mehrfachhilfen wurden nach den Berichten der meisten Bezirke im Rahmen der zuvor geschilderten Überprüfungen näher bewertet. Dabei wurde deutlich, dass auch in diesem Zusammenhang Entscheidungsspielräume vorhanden sind, beispielsweise konnten in einem Bezirk von 160 Hilfen 68 = 42,5 % der Mehrfachhilfen beendet werden. Aus dem Ergebnis lässt sich die Schlussfolgerung ziehen, dass sich bei vielen Hilfen die fachlich begründete Notwendigkeit einer Doppel- oder Mehrfachleistung zum Zeitpunkt der Fallanalyse nicht mehr aufrecht erhalten lässt, und dass daraus Konsequenzen für zukünftige Entscheidungsprozesse, insbesondere im Hinblick auf die Festlegung der Überprüfungsintervalle, gezogen werden müssen.

Aus den Berichten der Jugendämter zum Arbeitspaket 2 kann mit Sicherheit abgeleitet werden, dass durch die Fallrevision (Umwandlungen/Beendigungen) Einsparungen in beträchtlicher Höhe realisiert wurden/werden. Da nicht alle Hilfeplanüberprüfungen sofort niedrigere Ausgaben zur Folge haben, werden diese Ergebnisse insbesondere in den nächsten Monaten sowie mittelfristig deutlich werden.

Dabei ist grundsätzlich zu bemerken, dass das finanzpolitische Ziel: weitest gehendes Erreichen der Sollvorgaben 2002 (Kürzung der IST-Ausgaben 2001 um 33 Mio. Euro ­ linear bei Wertausgleichsfaktor für einzelne Bezirke ­) nur in wenigen Bezirken realisierbar sein wird, da die Zeitspanne zur Umsteuerung zu kurz ist, um bestehende längerfristige Hilfen, die mit einem individuellen Rechtsanspruch verbunden sind, umwandeln oder beenden zu können. Es ist zudem nicht vorhersehbar, wie viele Neufälle, auch nach intensiverer Falleingangsphase, im Rahmen der Hilfe zur Erziehung bzw. der Eingliederungshilfe für seelisch behinderte Kinder und Jugendliche familienunterstützende bzw. familienersetzende Hilfen erhalten müssen. Den Berichten der Bezirke kann entnommen werden, dass aussagekräftige Prognosen über die Ausgabenentwicklung nur auf der Grundlage der einheitlichen Erfassung von

Zu- und Abgängen von HzE und einer monatlichen Auswertung nach Haushaltstiteln und Kosten pro Hilfe bzw. durchschnittlichen Kosten pro Fall/Monat je Hilfeart sinnvoll und realistisch möglich sind (vgl. Ergebnis zu Arbeitspaket 7). Auch aufgrund der steigenden Fallzahlen und durch die Notwendigkeit zur Erwirtschaftung der Preisanpassungsrate wäre das Erreichen des IST 2001 bereits eine gelungene Einsparung. Die Abweichung von dem jeweiligen Zuweisungssoll (IST 2002) ist ferner auch im Hinblick auf die jeweilige Ausgangssituation des Bezirks in bezug auf die Dichte der laufenden Hilfen, die vorhandene Angebotsstruktur und die organisatorischen und personellen Rahmenbedingungen unterschiedlich zu bewerten. Der Zusammenhang zwischen ausreichend vorhandenem Fachpersonal und einer unter fachlichen und finanziellen Gesichtspunkten effektiv und effizient gestalteten Hilfeplanung ist durch die Ergebnisse der Fallrevision deutlich belegt worden. Der anspruchsvolle Schlüsselprozess „Hilfeplanung" kann nur durch gut ausund fortgebildete Fachkräfte (Sozialarbeiter/innen/Sozialpädagog/-innen) gesteuert werden, kürzere Überprüfungsintervalle erfordern beispielsweise mehr Personalressourcen. Durch die angespannte Personalsituation in diesem Bereich ist bereits jetzt ein Fachkräftemangel entstanden, der sich aufgrund der vorhandenen Altersstruktur weiter verschärfen wird. Für diesen Jugendamtsbereich muss, gerade mit Blick auf die Kostenentwicklung, eine Regelung zur notwendigen Personalausstattung (Festlegung der Relation Fachkräfte/Fallzahlen) erarbeitet und im Rahmen eines Einstellungskorridors für Sozialarbeiter/-innen sichergestellt werden. Wenn die personellen Rahmenbedingungen eine kontinuierliche Fallanalyse/Hilfeplanüberprüfung nicht zulassen, fehlt eine wesentliche Voraussetzung für die Steuerung/Umstrukturierung der Hilfen zur Erziehung. Personelle Verstärkungen in diesem Bereich sind allerdings nur im Rahmen des den Bezirken insgesamt zur Verfügung stehenden Personalmittelvolumens möglich.

Neben den durch die Fallrevision ermöglichten kurz- und mittelfristigen Einsparungen hat die Fallrevision darüber hinaus weitere steuerungsrelevante Informationen hervorgebracht:

· Die Überprüfungsintervalle (mindestens halbjährlich) im Rahmen der Hilfeplanung werden verkürzt.

· Die Verselbständigung bzw. Rückführung in die Familie ist integratives Ziel der stationären Hilfen.

· Das Konsultationsverfahren ­ Einbeziehung des Fachbereiches 3 bei therapeutischen Hilfen ­ ist im Rahmen der Hilfeplanung verpflichtend.

· Die Sicherstellung des Fach- und Finanzcontrollings HzE (z. B. Erfassung und Pflege Hilfeplanstatistikbogen/Unterjähriges Berichtswesen, Intrakommunaler Kennzahlenvergleich, ProSozJ) ist eine Leitungsaufgabe.

· Die Buchung über ProSozJ für alle Hilfen zur Erziehung ist ab sofort verbindlich.

Arbeitspaket 2: Falleingangsphase

Bereits durch Bundesgesetz sind 10 Hilfearten (§§ 28 - 35 sowie § 35 a und § 42 SGB VIII) definiert, die ausdrücklich nicht abschließend sind und sich in der Praxis weiter ausdifferenzieren. Es ist einerseits Spezialwissen hinsichtlich der vorhandenen Leistungsprofile erforderlich, um im Einzelfall eine geeignete Hilfe innerhalb der Hilfen zur Erziehung passgenau zuordnen zu können. Andererseits sollte keine vorschnelle Fokussierung auf einzelne Leistungsprofile im Bereich der Hilfen zur Erziehung erfolgen, damit individuelle Ressourcen einer Familie, die Ressourcen eines Sozialraumes sowie der Jugendhilfe insgesamt aktiv in die Hilfeplanung einbezogen werden können.

Der Entscheidungsprozess im Rahmen der Hilfeplanung nach § 36 SGB VIII ist die entscheidende Steuerungsgröße im Rahmen des Fachcontrolling für Hilfen zur Erziehung. In diesem Prozess ist auf Antrag der Eltern durch das Jugendamt ggf. ein erzieherischer Bedarf (Anspruchsgrundlage) festzustellen, die notwendige und geeignete Hilfe in einem Aushandlungsprozess mit den Beteiligten grundsätzlich sowie in Bezug auf Umfang und Dauer zu ermitteln und zu entscheiden und im Rahmen der Hilfeplanfortschreibung/Hilfeplanüberprüfung die Hilfe anzupassen und ihre Wirkung zu kontrollieren.

Der Hilfeplanprozess gliedert sich insgesamt in 4

Phasen:

1. Kontaktaufnahme und Beratung (Falleingangsphase), Fragen nach: Anlass und Motivation, Hintergrund der Familien (Ressourcenorientierung: Familienkonstellation, soziales Umfeld, Selbst- und Fremdeinschätzung), bisher geleistete Hilfen (typische Muster?), Wünsche, Erwartungen, Vorstellungen der jeweiligen Familienmitglieder/Abklärung der Notwendigkeit und Geeignetheit einer Hilfe zur Erziehung (Beratungen über Möglichkeiten einer Hilfe, Aufklärung über Ablauf und Procedere, Mitwirkung und Motivation).

2. Kollegiale Beratung/Reflexionsteam (Hypothesenbildung, Erarbeitung eines Vorschlages für die Familie über die geeignete

Hilfe und geeignete Träger, evtl. Dissenspunkte benennen).

3. Entscheidung unter besonderer Berücksichtigung der Kosten: konkretes Hilfeangebot des Jugendamtes, Eltern und Kind entscheiden sich für eine Hilfe zur Erziehung, Terminvereinbarung mit Familie zum Hilfeplangespräch mit freiem Träger.

4. Einbeziehen des freien Trägers: Auswahl des freien Trägers nach Eignung des Angebots, Abklären von Ressourcen, Hilfeplangespräch, Dokumentation, Beauftragung.

Zentrale Leitsätze für die Falleingangsphase sind:

· Die Problemdefinition geschieht nicht mehr primär aus dem Blickwinkel auf den Fall/den Symptomträger. Mit der Problemanzeige wird ein ergebnisoffener Suchprozess in Gang gesetzt. In der Falleingangsphase und in der Hilfeplanüberprüfung ist die Frage nach der Motivation der Eltern zur Zusammenarbeit immer zu stellen und in die Entscheidung einzubeziehen.

· Die Stärkung der Erziehungskompetenz der Eltern ist Ziel und Grundlage für die Hilfeplanung und Hilfegestaltung.

· Im Rahmen der Hilfeplanung/ Hilfeplanentscheidung müssen kleine, erreichbare und messbare Ziele vereinbart werden. Generell müssen erste, kurzfristige Ziele und Prognosen überprüft sowie kürzere Überprüfungsfristen vereinbart werden.

· Ferner muss ein aktueller Überblick für alle Bereiche des Jugendamtes über regionalbezogene vorhandene Bildungs- und Hilfesysteme und ihre Möglichkeiten hergestell Arbeitsanweisungen

Mehrere Bezirke haben bereits verbindliche Arbeitsanweisungen zur Falleingangsphase, die von Checklisten und Empfehlungen bis zum „Handbuch Hilfeplanungsprozesse" reichen, erlassen. Übergreifend kann festgestellt werden, dass die ressourcenorientierte Betrachtung wesentlich für eine veränderte Gestaltung der Falleingangsphase ist. Die Fragen nach konkreten Erwartungen an Hilfeleistungen, nach bisherigen Gesprächspartnern und wichtigen Bezugspersonen und nach Interessen des jungen Menschen, nach individuellen und sozialräumlichen Ressourcen und Anknüpfungspunkten, die Frage nach Unterstützungsmöglichkeiten und -wünschen außerhalb der Hilfe zur Erziehung sowie nach Alternativen innerhalb und außerhalb der Hilfe zur Erziehung sind dabei weitere relevante Ansatzpunkte.

Übergreifende Eckpunkte im Hinblick auf geeignete Instrumente zur Steuerung der Falleingangsphase sind:

· Verpflichtung zu kollegialen Beratung bzw. Entscheidungsfindung/ Entscheidungsüberprüfung in einem Fallreflexionsteam/einer Clearingstelle.

· Ressortübergreifende Verständigung im Rahmen von Kooperationsvereinbarungen innerhalb des Jugendamtes (Einbezug der Fachbereiche 1, 2 und insbesondere 3 in die Hilfeplanung) und Zielvereinbarungen mit anderen kommunalen Diensten (z. B. Kinder- und Jugendpsychiatrische Dienste) sind geeignete Instrumente zur Steuerung der Falleingangsphase.

· Auf der strategischen Ebene wird als ein weiteres Ergebnis die Einbeziehung von Schule, Schulpsychologischem Dienst und Gesundheit für unerlässlich gehalten, um den Prozess einer neuen „Kultur" im Sinne eines gemeinsamen strategischen Controllings zu befördern.

Arbeitspaket 3 Leistungen zum Lebensunterhalt i. V. mit stationären Hilfen

Im Zusammenhang mit der Überprüfung der stationären Unterbringungen erfolgte eine kritische Durchleuchtung der Rahmenbedingungen im Betreuten Jugendwohnen (BJW) in Bezug auf eventuell vorhandene Leistungsvorsprünge gegenüber anderen stationären Hilfearten und in Relation zu der ursprünglichen häuslichen Lebenssituation.

Der Ursprungsgedanke für die vorhandene Gewährung des 1 1/4 fachen Regelsatzes der Sozialhilfe für junge Menschen im BJW war es.