Jugendamt

2. Grundsätze für Hilfeplanung

a) Orientierung am Leitbild Hilfen zur Erziehung Grundlagen für die Hilfeplanung sind die zwischen der Senatsverwaltung Bildung, Jugend und Sport und den Bezirken beschlossenen „Empfehlungen zur Leitbildund Zieldefinition für die Hilfe zur Erziehung" aus dem Jahr 1999 und der berlineinheitliche Hilfeplan. Die Leitsätze sind eine wesentliche Grundlage für die Zielbildung im Rahmen des Hilfeplanungsprozesses. Ihre Strukturmaximen sind Zielorientierung, Transparenz, interdisziplinäre Kooperation, Vorrang der Prävention, Sozialraumorientierung, Orientierung an den Ressourcen der Familie, Nutzer-, Prozess- und Ergebnisorientierung, Steuerung durch Fach- und Finanzcontrolling, einheitliche Hilfeplanverfahren, familienunterstützende Hilfen vor familienergänzenden Hilfen, Lebensweltorientierung, Kinderschutz. Diese Strukturmaximen operationalisieren die Grundausrichtung des SGB VIII im Bereich Hilfen zur Erziehung. Der berlineinheitliche Hilfeplan muss im Zusammenhang mit der Erarbeitung der Ausführungsvorschriften zur Hilfeplanung entsprechend überarbeitet werden.

b) Lebensweltorientierung/ Sozialraumorientierung

Das Prinzip der Lebensweltorientierung ist der zentrale Bezugspunkt für die Hilfen zur Erziehung und beinhaltet konzeptionelle und methodische Aspekte, die im Zusammenhang mit der Hilfeerbringung beachtet werden müssen. In die gründliche Problemanalyse im Vorfeld der Hilfeplanung müssen neben den individuell-biographischen und familiären Faktoren insbesondere die sozialstrukturellen Bedingungen einbezogen werden, die die aktuelle Lebenssituation von Hilfesuchenden bestimmen. Die Hilfeangebote sollen an der konkreten Lebenssituation anknüpfen und nah an der Lebenswirklichkeit der Betroffenen platziert sein. Vorrang haben einzelne Angebote oder kombinierte Handlungsstrategien, die regional und stadtteilorientiert, niedrigschwellig, ambulant und methodenintegriert eine auf die jeweilige Lebenssituation zugeschnittene Bearbeitung der Problemlagen ermöglichen. Die Hilfen sollen auf die Integration der jungen Menschen und ihrer Familien in ihr soziales Umfeld zielen.

c) Ressourcenorientierung

Die Hilfeanfrage setzt einen ergebnisoffenen Such- und Zuordnungsprozess in Gang.

Im ersten Schritt sollen gemeinsam mit den Eltern die allgemeinen Fragen im Hinblick auf vorhandene familiäre und soziale Ressourcen (Eltern, Geschwister, Verwandte, Freunde, Nachbarn, Vereine, Kirche, Projekte im Sozialraum) geklärt werden, um diese Unterstützungs- und Lösungsmöglichkeiten in die Hilfeplanung mit einzubeziehen. Vorrangig ist zu prüfen, ob andere Hilfemöglichkeiten und Angebote im Stadtteil den Hilfebedarf decken können, ohne dass eine Hilfe zur Erziehung notwendig wird. Dabei sind auch die Angebote in anderen Arbeitsfeldern der Jugendhilfe und ressortübergreifend (Kita, Jugendarbeit, Beratungsangebote, Schule, Sportvereine, Kirchengemeinden etc.) aufzunehmen und in der Hilfeplanung zu berücksichtigen. Die Verengung auf eine definierte Hilfe zur Erziehung muss ersetzt werden durch einen ressourcenorientierten, flexiblen Hilfeplanungsprozess mit dem Ziel der Stärkung der Erziehungs-, Beziehungs- und Interaktionskompetenz der Eltern und der Unterstützung des jungen Menschen bei seiner emotionalen und sozialen Entwicklung.

d) Falleingangsphase

Im Rahmen der Falleingangsphase und bei der Überprüfung der Hilfeplanung ist im zweiten Schritt zu klären, ob sich die anspruchsberechtigten Eltern auf eine Unterstützung einlassen und bereit sind, an der Verbesserung der Erziehungsfähigkeit zu arbeiten. Die Erwartungen und Wünsche der Eltern/des jungen Menschen sind dabei zu erfragen und angemessen zu berücksichtigen. Die Hilfe muss passgenau sein. Die Leistungsbeschreibungen für die einzelnen Hilfearten bilden dafür den fachlichen Rahmen. Sie ersetzen keinesfalls die Zieldefinitionen im Einzelfall: der mit der Durchführung der Hilfe beauftragte Träger muss einen eindeutigen pädagogischen Auftrag erhalten. Es ist immer abzuklären, ob in der Hilfeperspektive angestrebt wird, die Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie zu verbessern, um bessere Entwicklungsbedingungen zu schaffen und das weitere Zusammenleben der Familie zu ermöglichen, oder (vorübergehend) einen neuen Lebensort außerhalb der Familie zu schaffen.

Im Rahmen der Hilfeplanung sind erreichbare und messbare Ziele, bzw. Teilziele zu vereinbaren, die einer konkreten Überprüfung im Rahmen der Hilfeplanfortschreibung zugänglich sind. Anhand der ersten Ziele/Teilziele müssen Fristen zur Hilfeplanüberprüfung aufgenommen werden; Planungen und Prognosen sind auf einen überschaubaren Zeitraum hin festzulegen.

Die Hilfeziele benennen jene Veränderungen der Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie und/oder in einer anderen Familiensituationen der jungen Menschen, die mit dieser Hilfe erreicht werden sollen.

Aus dem erzieherischen Bedarf müssen Hilfeziele (grundsätzliches Ziel, unmittelbare Handlungsziele, angestrebte Entwicklungen und Veränderungen) abgeleitet werden. Bei allen Beteiligten muss immer Klarheit bestehen, welches Ziel in welchem Zeitraum mit der Hilfe erreicht werden soll.

Bei Hilfeentscheidungen zwischen mehreren im Einzelfall geeigneten Hilfen soll diejenige gewählt werden, die den geringsten Eingriff in die Lebensverhältnisse der Betroffenen und ein geringes Maß im Hinblick auf die pädagogische Intensität und die Dauer darstellt. Wenn Personensorgeberechtigte eine Hilfe wünschen, die nach fachlicher Beurteilung nicht geeignet ist, darf diese nicht bewilligt werden. Hilfe zur Erziehung wird ebenfalls nicht gewährt, wenn nach fachlicher Einschätzung keine Notwendigkeit besteht, weil Angebote außerhalb der Jugendhilfe oder Möglichkeiten der Unterstützung und Entlastung außerhalb der Hilfen zur Erziehung zur Überwindung der Problemlage ausreichen.

e) Zusammenwirken der Fachkräfte

Das SGB VIII legt das Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte als zentrales Strukturelement, neben der Sicherstellung der Beteiligung der Betroffenen, fest. Aufgabe der Leitung des Jugendamtes bzw. der Fachbereichsleitung 4 ist es, verbindliche Formen kollegialer Beratung sowie das Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte im Rahmen der Hilfeplanung sicherzustellen.

Eine Hilfe zur Erziehung bedeutet immer eine komplexe und weitreichende Intervention für die betroffene Familie/die betroffenen jungen Menschen und eine erhebliche finanzielle Ressourcenbindung des örtlichen Trägers. Deshalb soll die Hilfeplanentscheidung nicht im Verantwortungsbereich allein einer Fachkraft und deren Einschätzungen und Bewertungen liegen.

Durch die kollegiale Sicht auf die Beurteilung des Problemzusammenhanges und auf die Auswahl und Bewertung von Hilfealternativen wird die Rationalität und Qualität der Entscheidung erhöht.

Das Zusammenwirken mehrer Fachkräfte im Vorfeld einer Hilfeplanentscheidung kann neben der kollegialen Beratung auch in einem Fallreflexionsteam, ggf. unter Hinzuziehung externer Fachkräfte (z. B. Lehrer, Ärzte, Fachkräfte von Trägern und Einrichtungen) erfolgen. Bei therapeutischen Hilfen im Rahmen der Hilfe zur Erziehung soll nach den von der AG BÖJ beschlossenen „Empfehlungen zur Kooperationskultur zwischen den Fachdiensten ASPD und EFB des Jugendamtes" verfahren werden.

f) Hilfeplanung ist Kernaufgabe des Jugendamtes/ASPD

Der Allgemeine Sozialpädagogische Dienst (ASPD) ist federführend für die Hilfeplanung gemäß § 36 SGB VIII verantwortlich.

Die Hilfeplanung ist eine Kernaufgabe des Jugendamtes. Das Jugendamt trägt die Gesamtverantwortung für die Gewährleistung des Rechtsanspruchs auf Hilfe zur Erziehung sowie deren fachgerechte Durchführung. Mit der Durchführung der Hilfe zur Erziehung sind Träger betraut. In deren Verantwortungsbereich liegt es, die Qualität ihres Angebots zu entwickeln und die jeweilige Hilfe entsprechend den im Hilfeplan festgelegten Zielen umzusetzen. Für jede Hilfe ist eine Zeitplanung festzulegen.

Sie ist so zu gestalten, dass die Hilfeziele im Bewilligungszeitraum grundsätzlich erreicht werden können. Die Verantwortlichkeiten und Zuständigkeiten zwischen dem öffentlichen und den freien Trägern im

Leistungsbereich „Hilfe zur Erziehung" müssen im Einzelfall abgesprochen, die jeweilige Aufgabenverteilung muss verbindlich festgelegt und im Hilfeplan schriftlich fixiert werden.

Bei der Bestimmung der Art und des Umfangs der Hilfe müssen die fachlichen Kriterien in einen Zusammenhang mit Überlegungen zur Wirtschaftlichkeit gesetzt und das Verhältnis zwischen eingesetzten Mitteln und dem erwarteten Nutzen/der Wirkung geprüft werden. Beide Aspekte sind Bestandteile der Hilfeplanung. Mit dem Grundsatz, dass jeweils die geeignete und notwendige Hilfe zu bewilligen ist, ist immer auch die Prüfung der Kosten verbunden. Zu klären ist, in welchem Umfang, mit welcher Intensität und auf welche zeitliche Dauer hin die Hilfe erfolgen soll, um die angestrebten Hilfeziele zu erreichen. Sind im Einzelfall mehrere Hilfen zur Erreichung der Hilfeziele möglich und geeignet, so ist grundsätzlich die kostengünstigste Hilfe zu bewilligen. Das jeweils aktuelle „Verzeichnis des Landesjugendamtes über Entgelte stationärer und teilstationärer Einrichtungen in Berlin/die Übersicht über bestehende Vereinbarungen für Fachleistungsstunden" (Erstfassung vom 02.09.2002) ist bei der Auswahl eines Trägers zu nutzen, um den geeigneten kostengünstigsten Träger zu beauftragen.

Eine Hilfe zur Erziehung darf nicht bewilligt werden, wenn

­ im Rahmen der Klärungsphase erkennbar ist, dass andere Unterstützungssysteme zur Lösung der Problemlagen führen können,

­ im Rahmen der Klärungsphase zwischen den Personenberechtigten bzw. dem jungen Menschen und der fallzuständigen Fachkraft keine Einigung über die geeignete und notwendige Hilfe zustande kommt,

­ die Antragsteller nicht im notwendigen Umfang mitwirken,

­ der erzieherische Bedarf nicht besteht,

­ in innerfamiliären Konfliktsituationen eine zeitlich begrenzte Beratung ausreichend ist,

­ die Erreichung eines Schul- und Ausbildungsabschlusses im Vordergrund steht,

­ ausschließlich schulische Probleme und Probleme in der beruflichen Ausbildung durch die Hilfe gelöst werden sollen,

­ wenn eine ambulante psychotherapeutische Hilfe auf Basis des SGB V möglich ist.

g) Rückkehr in die Herkunftsfamilie/Verselbstständigung

Bei Hilfen außerhalb der Herkunftsfamilie kommt der frühzeitigen und eindeutigen Klärung der zeitlichen Perspektive der Hilfe besondere Bedeutung zu. Vorrangig ist für den Verlauf der Hilfe vorläufig festzulegen, ob und ­ wenn ja ­ in welchem Zeitraum die Wiederherstellung ausreichender Erziehungsbedingungen in der Herkunftsfamilie (als Voraussetzung für die Rückkehr des Kindes zu seinen Eltern) erreicht werden kann. Wenn diese Zielplanung in einem angemessenen zeitlichen Rahmen, der vom kindlichen Zeitbegriff her zu entwickeln ist, nicht gelingt, wird die dauerhafte Zukunftssicherung für das Kind außerhalb der Familie zum entscheidenden Hilfeziel. Bei bestehender Rückkehroption ist im Hilfeplan mit dem durchführenden Träger der stationären Hilfe zu vereinbaren, welche Schritte, auch im Rahmen der Elternarbeit, erfolgen sollen, um dieses Ziel erreichen zu können.

Die Verselbstständigung eines jungen Menschen ist integriertes Ziel einer stationären Hilfe und muss in ihrem Rahmen erfolgreich geleistet werden. Im Rahmen der Hilfeplanung ist rechtzeitig, spätestens 6 Monate vor der geplanten Entlassung, festzuhalten, wie der Lebensunterhalt und die Unterkunft des jungen Menschen zu sichern ist und welche Aufgaben der beauftragte freie Träger dabei hat.

h) Mehrfachhilfen Grundsätzlich sind Mehrfachhilfen nur in besonders begründeten Einzelfällen zulässig. Sind im Einzelfall Mehrfachhilfen zwingend erforderlich, muss eine gemeinsame Hilfeplanung mit allen Beteiligten erfolgen. Die Überprüfungsintervalle der Hilfeplanfortschreibung müssen in diesen Fällen mindestens vierteljährlich erfolgen.

i) Hilfeplanfortschreibung

Die Fortschreibung des Hilfeplans geschieht als regelhafte Fallrevision. Die Überprüfungszeiträume orientieren sich an den Erfordernissen des Einzelfalls und in Abhängigkeit zum Alter der jungen Men