Kinderbetreuung

Dieser Bericht enthält im Kapitel 8 außerdem weitere Informationen über die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Arbeit aus arbeitsschutzrechtlicher Sicht.

2. Reproduktive Lebensphase

Der Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland (nachfolgend Frauengesundheitsbericht Deutschland genannt) beschreibt die reproduktive Lebensphase als den Zeitraum von der Menarche über Verhütung/1. Geschlechtsverkehr, Schwangerschaft, Geburt bis zur Beendigung des Kinderwunsches. Diese „Ereignisse" werden in den Zusammenhang weiblicher Lebenswelten und Lebensweisen eingeordnet. Hinter dem Begriff reproduktive Gesundheit steht ein Konzept, das es erlaubt, natürliche Phasen und Prozesse als solche zu beschreiben. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) verweist darauf, dass reproduktive Gesundheit weder von einer Liste von Krankheiten oder Problemen bestimmt werden, noch in eine Liste von Programmen münden soll.

Sexualaufklärung und Gesundheitserziehung

Die Beschäftigung mit dem eigenen Geschlecht ­ und damit mit der eigenen Sexualität ­ ist ein lebenslanger Prozess, der bereits im frühesten Kindesalter einsetzt. Die Prägung von geschlechtsbezogenem Rollenverhalten, Werten und Normen erfolgt zuerst durch die Eltern, ihren Umgang miteinander, mit Geschwisterkindern sowie ihrem Umgang mit kindlichen Fragen zu diesem Themenkomplex.

Hinzu kommen als Verantwortungsträger für eine geschlechtsdifferenzierte und -sensible Sexualerziehung die öffentlichen bzw. privaten Kinderbetreuungs- und Schulbildungseinrichtungen, in deren Lehrplänen die Sexualerziehung verankert ist.

Seit Mai 2002 gibt es neue Sexualkunderichtlinien für Berliner Schulen, die dem aktuellen Stand sexualpädagogischer Forschung entsprechen. Die Richtlinien sehen vor, die unterschiedlichen Bedürfnisse von Mädchen und Jungen zu berücksichtigen. Dazu ist zeitweilig getrennter Unterricht möglich und nützlich.

Vorurteilsfreie Informationen über Hetero-, Bi- und Homosexualität sollen zu einem toleranten und respektvollen Umgang führen. Weitere Themen sind der Gebrauch von Kondomen, um sich vor sexuell übertragbaren Krankheiten zu schützen und die Empfängnisverhütung. Dies bezieht Schülerinnen und Schüler mit Behinderungen ein; sie sollen lernen, ihre Sexualität selbstbestimmt und verantwortungsbewusst zu leben. Gute schulische Sexualerziehung in enger Kooperation mit dem Elternhaus trägt auch zur Vorbeugung sexuellen Missbrauchs bei und thematisiert sexuelle Belästigungen.

Eine mädchenspezifische Gesundheitsaufklärung und -förderung basiert auf einem ressourcen- und stärkenorientierten Ansatz, mit dem das Ziel verfolgt wird, den Mädchen Selbstbewusstsein, Selbstwertgefühl und ein positives Körperkonzept zu vermitteln. Ist diese Arbeit erfolgreich, wirkt sie präventiv bis hinein in das Erwachsenenalter.

Die Bundeszentrale für gesundheitliche Aufklärung hat Unterrichtsmaterialien entwickelt, die auch geschlechtsbezogene Aspekte und Themen einbeziehen. In den Materialien zur Suchtprävention (Sekundarstufe I) wird z. B. auf das erhöhte Suchtrisiko von Frauen in bezug auf Medikamente hingewiesen. Die Chance, bei der Behandlung bestimmter Themen eine Trennung nach Geschlechtern vornehmen zu können ist wichtig, um so auch auf die Fragen, Bedürfnisse und Wünsche von Mädchen nachhaltiger eingehen zu können. Eine weitere Möglichkeit, um die geschlechterdifferenzierte Gesundheitsaufklärung in der Schule zu verankern, besteht im Angebot von außerunterrichtlichen Arbeitsgemeinschaften. Diese Form erlaubt eine gezielte Gesundheitsförderung für Mädchen unabhängig vom Lehrplan. In einer Mädchen-AG kann auf Fragen, Probleme und Interessen von Mädchen eingegangen werden, wie z. B. Selbstbild, Körpergefühl (sich wohlfühlen bzw. krank sein) Ernährungsprobleme und sexuelle Beziehungen. Für die Implementierung von gesundheitsfördernden geschlechterdifferenzierten Angeboten an den Schulen wird es allerdings notwendig sein, den Lehrkräften Hilfen in Form von Konzepten und Fortbildungen an die Hand zu geben, die sie u. a. zu einer konstruktiven mädchenspezifischen Gesundheitsförderung befähigen.

Das Programm Gesundheitsförderung und AIDS Prävention für junge Menschen (Träger seit 1997: Landesamt für Gesundheit und Soziales Berlin = LAGeSo) hat bei der Bundeszentrale für gesundheitliche Auf12

Bericht zur gesundheitlichen Situation von Frauen in Deutschland. Eine Bestandsaufnahme unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Entwicklung in West- und Ostdeutschland; Herausg.: Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend, 2001, Seite 36

rößen. klärung (BzgA) mehrere Modellprojekte beantragt und genehmigt erhalten, die sich auch den geschlechtsspezifischen Aspekten in der sozialpädagogischen Arbeit stellten.

Schon seit 1995 wurde in Kooperation mit der BzgA der Peer Education-Ansatz (,Gleiche für Gleiche) erprobt: Jugendliche wurden zu für sie sexualitätsrelevanten Themen durch Erwachsene ausgebildet, um anschließend Veranstaltungen für ihresgleichen anzubieten. Diese Veranstaltungen finden ohne Anwesenheit Erwachsener im schulischen oder außerschulischen Bereich statt. Um Aussagen über die Wirkungen treffen zu können, wurde das Projekt wissenschaftlich begleitet und evaluiert vom Institut für psychosoziale Prävention und Gesundheitsforschung der Freien Universität Berlin. Am Projekt waren vornehmlich Mädchen im Alter von 13 bis 18 Jahren beteiligt. Gerade bei den ausgebildeten Mädchen konnten nachweisbare Erfolge in Bezug auf eine Steigerung des Selbstwertgefühls und der wahrgenommenen Kommunikationskompetenz erreicht werden. Diese erste Projektphase endete 1997. Eine zweite Projektphase wurde zu den Schwerpunkten sexualpädagogische Arbeit mit dem Peer Education-Ansatz für multikulturell besetzte Gruppen und zur Fortbildung von erwachsenen MultiplikatorInnen, die mit dem Ansatz arbeiten wollen durchgeführt. Es hat sich bewährt, die Arbeit in den multikulturellen Gruppen prinzipiell in geschlechtshomogenen Gruppen durchzuführen. Die Mädchen erlebten die „jungenfreien" Veranstaltungen als Schutzraum der ihnen erst die Möglichkeit schaffte, thematisch zu arbeiten. Das Projekt führte im November 2001 eine Tagung zur europäischen Dimension von Peer Education durch.

In Berlin existiert unterstützend ein breitgefächertes Angebot bezirklicher Einrichtungen (z. B. Kinder- und Jugendgesundheitsdienste, Sozialmedizinische Dienste) und freier Träger (u. a. pro familia, Balance, Feministisches Frauen Gesundheits Zentrum Berlin e. V. ­ FFGZ -, evangelische und katholische Erziehungs- und Familienberatungsstellen), die altersgruppen- und geschlechtsbezogen Einzel-, Gruppenberatungen und Veranstaltungen anbieten, z. T. vielsprachige Informationsmaterialien ­ z. B. zu Themen wie Menstruation, Empfängnisverhütung und Schwangerschaftsabbruch ­ herausgeben und Fortbildungen für Lehrer/innen sowie Erzieher/innen anbieten. In einigen Berliner Bezirken hat sich eine gute Vernetzung zwischen Beratungsstellen und Bildungseinrichtungen entwickelt.

Die breite Präsenz des Themas Sexualität in den Medien verdeutlicht seinen hohen Stellenwert. Vielen Mädchen wird angesichts der unterschiedlichen, häufig widersprüchlichen Signale aus dem Elternhaus, den Erziehungseinrichtungen und den Medien eine Orientierung, die ihnen Sicherheit in ihrer Geschlechterrolle und für ihr sexuelles Verhalten gibt, sehr erschwert. Propagierte Schönheitsideale, nicht mehr eindeutige Geschlechterrollen und die Bandbreite der verschiedenen sexuellen Orientierungen gilt es zu reflektieren und eigene Standpunkte einzunehmen. Für viele ausländische Mädchen, insbesondere wenn sie aus traditionell oder religiös orientierten Familien stammen, ist das Konfliktpotenzial zumeist noch größer: Andere Wertvorstellungen und Normen seitens der Eltern, eine stärkere Tabuisierung von vorehelicher Sexualität, eine daran ausgerichtete Erziehung mit einer deutlichen Zuweisung von Geschlechterrollen sind maßgebliche Einflussg

Aus einer Vielzahl von Studien geht hervor, dass Mädchen in der Adoleszenz, ab dem Alter von 12 Jahren, im Gegensatz zu Jungen häufiger an gesundheitlichen Beschwerden leiden, mehr Medikamente erhalten und aufgrund der durch die Medien propagierten Schönheitsideale ein gestörtes Verhältnis zu ihrem Körper entwickeln. Mädchen klagen signifikant häufiger als Jungen über Verdauungsbeschwerden, Kreislaufstörungen, Durchblutungsstörungen sowie über psychosomatische Beschwerden (Schlaflosigkeit, Schwindelgefühle, Angstgefühle, Nervosität und Unruhe). Sie nehmen häufiger als Jungen regelmäßig Medikamente ein und werden in einem höheren Maße medikamentös behandelt. Hier werden bereits Weichen für einen geschlechtsspezifischen Umgang mit Gesundheit gestellt.

Mädchen, die ihren Körper nicht als integralen Bestandteil des eigenen Selbst erleben, neigen dazu, Konflikte durch den Körper auszutragen. Mädchenspezifische Gesundheitsstörungen wie z. B. Essstörungen und Menstruationsbeschwerden sowie ein erhöhter Medikamentenkonsum weisen darauf hin, dass durch den Körper bzw. die Manipulation des Körpers, Befindlichkeitsstörungen, pubertätsbedingte Schwierigkeiten, sexuelle Ängste und andere Probleme, die sich aus den individuellen Lebenslagen ergeben, bewältigt werden sollen. Gerade in dieser sensiblen Phase des Erwachsenwerdens, des Umbruchs und der Neuorientierungen fördert mädchenspezifische Gesundheitsaufklärung einen positiven Umgang mit dem eigenen Körper und weibliches Selbstbewusstsein. Mädchenspezifische Gesundheitsförderung und Sexualaufklärung fragt nicht nur danach, was Mädchen krank macht, sondern danach, was Mädchen und junge Frauen gesund hält. Neben den Vereinen und Projekten, die hier wichtige Unterstützung geben, sind auch die Schulen gefordert, sich noch stärker mit der geschlechtersensiblen Gesundheitsaufklärung auseinander zu setzen.

Eine Sensibilisierung für die Probleme junger Mädchen hat auch in einem anderen Bereich stattgefunden.

Mittlerweile gibt es spezielle Sprechstunden für junge Mädchen, sog. Teenager-Sprechstunden, die durch niedergelassene Gynäkologen angeboten werden. In rund 20-30 Prozent der gynäkologischen Praxen haben junge Mädchen (ca. 12-16 Jahre) die Möglichkeit, in diese Spezialsprechstunden zu gehen. Das betrifft sowohl gesundheitliche Probleme in der Pubertät als auch die Verschreibung der Pille.

Im Rahmen der Arbeiten für diesen Bericht wurden die Bezirke unter anderem über die von den Sozialmedizinischen Diensten zu leistende Familienplanungsberatung gefragt, zu der auch die Sexualaufklärung zählt. Es wurde deutlich, dass die Prävention ungewollter Schwangerschaften im Vordergrund steht durch die Vergabe kostenloser Verhütungsmittel und durch die sexualpädagogische Arbeit mit Schülerinnen und Schülern. In der sexualpädagogischen Gruppenarbeit wurden rund 3.900 Teilnehmerinnen und Teilnehmer erreicht.

Das Angebot der Familienplanungsberatung wendet sich an Frauen, Männer und Paare. Es wird jedoch vor allem von Frauen genutzt: Nur 3 von 100 Familienplanungsberatungen betrafen Männer oder Paare.

Besonders in den Bezirken mit einer ungünstigen Sozialstruktur, einem hohen Anteil an sozial benachteiligten Frauen wird das Angebot der Familienplanungsberatung hervorragend angenommen. Exemplarisch sei hier auf die Ergebnisse des Sozialmedizinischen Dienstes des Bezirksamtes Mitte am Standort Wedding hingewiesen: Seit Jahren nimmt die Nachfrage nach kostenlosen Verhütungsmitteln in den ehemaligen Bezirken Wedding und Tiergarten zu. Die kostenlosen Spiralen-Einlagen stiegen von 256 (1995) auf 471 (2001). Bis zum 30. Juni 2002 erfolgten bereits 277 Spiralen-Einlagen. Der Anteil der betreuten ausländischen Frauen ist hoch, ebenfalls mit deutlich steigender Tendenz: Stellten 1996 ausländische Frauen 44,7 % der medizinisch versorgten Frauen, stieg ihr Anteil bis 2002 auf über 52 % an.

Schwangerschaft und Geburt

Im Rahmen der im Land Berlin wie auch in Deutschland seit Jahren sinkenden Geburtenraten kommt dem generativen Verhalten und der Sicherung der Gesundheit von Müttern und Kindern besondere Bedeutung zu.

Die Planung von Arbeit und Beruf und die Einschätzung der wirtschaftlichen Lage führt immer mehr Frauen und ihre Partner zum Auf- bzw. Hinausschieben eines prinzipiell bestehenden Kinderwunsches. Die Zahl der Familien mit Kindern unter 18 Jahren sank in Berlin seit 1991 um 14,6 %. Zugleich hat sich der Anteil der Eltern, die auf staatliche Unterstützung angewiesen sind, fast verdreifacht: von 7,3 % (1991) auf 19,9 % (2001).

Gleichzeitig nimmt aber auch der Anteil von Frauen bzw. Paaren zu, die sich vergeblich bemühen ein Kind zu bekommen. Insgesamt wird die Schwangerschaft der Frau zu einem tendenziell seltener werdenden Ereignis.

Wenn die erhoffte Schwangerschaft ausbleibt, fühlen sich viele Frauen einem immer stärkeren Leidensdruck ausgesetzt. Nicht nur die eigene Enttäuschung über die ausbleibende Schwangerschaft, sondern auch von außen herangetragene Erwartungen können sich zu einem großen Spannungsfeld aufbauen. Die medizinisch-technische Entwicklung hat in diesem Zusammenhang zu diagnostischen und therapeutischen Weiterentwicklungen geführt, die wie so oft einerseits segensreich sein können, andererseits aber auch Nebenwirkungen und auch Gefahren bergen können.

Vor mehr als 20 Jahren, im April 1982, ist das erste Retortenbaby in Deutschland geboren worden. Damals eine Sensation, ist heute mehr und mehr der Eindruck in der Öffentlichkeit entstanden, Schwangerschaft und Erfüllung des Kinderwunsches seien mittlerweile dank entsprechender medizinischer Eingriffe nahezu zu jeder Zeit erreichbar. Welche Probleme die ungewollte Kinderlosigkeit für die einzelne Frau oder für das Paar bereitet, welches Konfliktpotenzial in der Auseinandersetzung mit Lösungsmöglichkeiten liegt, wird dabei häufig übersehen.

Information, Beratung und Betreuung über die entsprechenden Verfahren, ihre Chancen und Risiken sind deshalb unverzichtbar. Hier leisten Einrichtungen, wie z. B. Pro Familia und das FFGZ einen wichtigen Beitrag. Die z. B. von Pro Familia herausgegebene Broschüre „Unerfüllter Kinderwunsch" befasst sich intensiv mit der Problematik der Reproduktionsmedizin.

Statistisches Landesamt Berlin, Pressemitteilung 138/02 vom 15.07.