Verwaltungsrecht

Mit dem Dritten Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften ist im Verwaltungsrecht des Bundes ein rechtlicher Rahmen für rechtsverbindliche elektronische Kommunikation zwischen Bürger und Verwaltung geschaffen worden. Für Bürger und Verwaltung wird damit die Möglichkeit geschaffen, grundsätzlich in allen Fachgebieten und in jeder Verfahrensart elektronische Kommunikationsformen gleichberechtigt neben der Schriftform und der mündlichen Form rechtswirksam zu verwenden. Die in Artikel 1 des Gesetzes vorgesehenen Änderungen des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes sind am 1. („Die Übermittlung elektronischer Dokumente ist zulässig, soweit der Empfänger hierfür einen Zugang eröffnet hat.") Ausweislich der Gesetzesbegründung zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften (Bundesrats-Drucksache 343/02, Seite 62, 69) wird mit dieser Regelung dem Umstand Rechnung getragen, dass die neuen Kommunikationstechniken noch nicht flächendeckend verbreitet sind. Ein Zwang zur Nutzung der Elektronik ist nicht vorgesehen.

Die Ausgestaltung der elektronischen Kommunikation bleibt der Behörde und den Bürgerinnen und Bürgern überlassen. Die Behörde ist frei darin, wie sie elektronische Eingänge im internen Geschäftsgang bewältigt. Sie kann die Bearbeitung vollelektronisch fortsetzen bis hin zum vollelektronischen Bescheid. Sie kann aber ebenso jeden Eingang ausdrucken und ihn in herkömmlicher Weise auf Papier weiterbearbeiten. Entscheidet sie sich für eine elektronische Bearbeitung, so sind auch die Grundsätze ordnungsgemäßer Aktenführung einzuhalten.

­ § 3a Absatz 2 Satz 1 VwVfG enthält eine Generalklausel, nach der eine durch Rechtsvorschrift angeordnete Schriftform durch die elektronische Form ersetzt werden kann. In diesem Fall ist nach § 3a Absatz 2 Satz 2 VwVfG das elektronische Dokument mit einer qualifizierten elektronischen Signatur nach dem Signaturgesetz zu versehen. Der Begriff der Schriftform des § 3a des Entwurfs umfasst auch die Niederschrift, Unterschriftenlisten und jede Form der Schriftlichkeit.

Die Anforderung der qualifizierten elektronischen Signatur wurde wie im Bereich des Zivilrechts (§§ 126 ff BGB) gewählt, um eine der Schriftform vergleichbare Beweisqualität zu erzielen. Eine elektronische Signatur lässt sich mit einem Siegel für ein elektronisches Dokument vergleichen. Signiert wird mittels eines mathematisch erzeugten privaten kryptografischen Schlüssels. Er korrespondiert mit einem öffentlichen Schlüssel zur jederzeit möglichen Überprüfung der Signatur. Die Schlüsselpaare sind einmalig. Sie werden durch anerkannte Stellen natürlichen Personen fest zugeordnet. Das Signaturschlüssel-Zertifikat ist ein signiertes elektronisches Dokument, das den jeweiligen öffentlichen Schlüssel sowie die Namen der ihm zugeordneten Personen enthält. Diese so genannten Signaturschlüssel-Inhaber erhalten das Zertifikat und können es signierten Daten zu deren Überprüfung beifügen. Das Zertifikat ist daneben über öffentlich erreichbare Telekommunikationsverbindungen immer für jeden nachprüfbar. Nach dem heutigen Stand der Technik erfolgt die Speicherung der relevanten Daten zumeist auf einer Chipkarte, die nur mit einer PIN und in der Regel in einem Chipkartenleser eines Personal-Computers eingesetzt werden kann.

Die Neuregelungen des § 3a VwVfG gelten grundsätzlich im gesamten Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes. Sie erfassen damit nicht nur Schriftformerfordernisse in diesem Gesetz, sondern auch im Fachrecht. Ausnahmen bedürfen einer besonderen Regelung.

­ Soweit für einen Verwaltungsakt in einer Rechtsvorschrift ein Schriftformerfordernis begründet ist, gilt grundsätzlich ebenfalls die Generalklausel des § 3a Abs. 2 VwVfG.

Nach § 37 Abs. 4 VwVfG kann jedoch für einen Verwaltungsakt für die nach §3a Abs. 2 VwVfG erforderliche Signatur durch Rechtsvorschrift die dauerhafte Überprüfbarkeit vorgeschrieben werden (siehe Artikel 1 Nr. 10 Buchst. c des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften).

Die dauerhafte Überprüfbarkeit der qualifizierten elektronischen Signatur und des ihr zugrunde liegenden qualifizierten Zertifikates bestimmen sich nach dem jeweiligen Stand der Technik. Demnach sind sie derzeit dauerhaft überprüfbar, wenn der Zertifizierungsdiensteanbieter sicherstellt, dass die von ihm ausgestellten qualifizierten Zertifikate ab dem Zeitpunkt der Bestätigung des Erhalts seiner sicheren Signaturerstellungseinheit durch den Signaturschlüssel-Inhaber für den im jeweiligen Zertifikat angegebenen Gültigkeitszeitraum sowie mindestens 30 Jahre ab dem Schluss des Jahres, in dem die Gültigkeit des Zertifikats endet, in einem Verzeichnis gemäß den Vorgaben nach § 5 Abs. 1 Satz 2 SigG geführt werden. Der Zertifizierungsdienste-anbieter hat die Dokumentation im Sinne des § 10 SigG und des § 8 der Signaturverordnung mindestens für diesen Zeitraum aufzubewahren. Signaturen nach § 15 Abs. 1 SigG erfüllen diese Anforderungen.

Die dauerhafte Überprüfbarkeit einer qualifizierten elektronischen Signatur soll sicherstellen, dass Verwaltungsakte, die über lange Zeiträume hinweg Rechtswirkungen entfalten, beweiskräftig bleiben. Ist für einen Verwaltungsakt die dauerhafte Überprüfbarkeit der qualifizierten elektronischen Signatur vorgeschrieben, wird insoweit die Regelung des § 3a VwVfG verdrängt. Der Bund hat die dauerhafte Überprüfbarkeit der elektronischen Signatur beispielsweise für Vereinsverbote vorgeschrieben (siehe Artikel 15 des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften [Änderung des § 3 Abs. 4 Satz 1 und § 16 Abs. 2 Satz 1 des Vereinsgesetzes]).

­ Wenn bei gesetzlich angeordneter Schriftform auch einfache Formen elektronischer Kommunikation genügen sollen (z. B. E-Mail ohne qualifizierte elektronische Signatur) bedarf es einer ausdrücklichen Regelung. Hierzu verwendet das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften das Begriffspaar „schriftlich oder elektronisch".

­ Daneben sind jedoch auch Fallgestaltungen denkbar, bei denen aufgrund der besonderen Bedeutung des Rechtsaktes die elektronische Form ­ zumindest gegenwärtig ­ ausgeschlossen bleiben soll. Wegen der generellen Regelung des § 3a Abs. 2 Satz 1 VwVfG ist es im Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes notwendig, in diesen Fällen ausdrücklich zu bestimmen, dass die elektronische Form ausgeschlossen ist. Entsprechende Regelungen hat der Bund beispielsweise für die Ausstellung von Staatsangehörigkeitsurkunden (siehe Artikel 5 des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften [neuer § 38a des Staatsangehörigkeitsgesetzes]) oder für beamtenrechtliche Ernennungen (siehe Artikel 8 Nr. 1 [neuer § 5 Abs. 2 Satz 3 des Beamtenrechtsrahmengesetzes] und Artikel 9 Nr. 1 [neuer § 6 Abs. 2 Satz 3 des Bundesbeamtengesetzes] des Dritten Gesetzes zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften) getroffen.

Infolge der landesrechtlichen Verweisung auf das VwVfG werden auch die im Besonderen Verwaltungsrecht des Landes Berlin geregelten Schriftformerfordernisse von der Ersetzungsbefugnis erfasst. Sofern eine Ersetzung der Schriftform im herkömmlichen Sinne nicht gestattet sein oder in sonstiger Weise von der generellen Regelung in § 3a VwVfG abgewichen werden soll, muss dies im Fachrecht ausdrücklich geregelt werden. Mit dem vorliegenden Artikelgesetz werden ­ neben inhaltlichen und redaktionellen Anpassungen des Gesetzes über die Berliner Verwaltung an die Neuregelungen des Bundes ­ erste Sonderregelungen in Fachgesetzen getroffen. Weitere Rechtsanpassungen werden im Rahmen ohnehin anstehender Novellierungen von Fachgesetzen erfolgen. Vielfach wird auch erst die Praxis zeigen, ob die Nutzung der neuen Kommunikationsmöglichkeiten in bestimmten Bereichen zu Schwierigkeiten führt und an welcher Stelle Bedarf für weitere Abweichungen von der Generalklausel des § 3a VwVfG besteht.

Mit der generellen Öffnung der Formvorschriften des Verfahrensrechts für die elektronische Kommunikation durch das Dritte Gesetz zur Änderung verwaltungsverfahrensrechtlicher Vorschriften besteht für die Ermächtigung zum Erlass bereichsspezifischer Regelungen zur Ermöglichung der Ersetzung der Schriftform durch elektronische Dokumente mit Signatur kein Bedarf mehr. Das Gesetz zur Erpro6