Wechsel des Betriebsarztes

Verbunden mit einer erweiterten Schweigepflichtentbindung soll dem Anspruchsteller eine Liste mit mehreren infrage kommenden Gutachtern übersandt werden, zu denen er im Einzellfall seine Ablehnung erklären könne. Wenn er alle vorgeschlagenen Gutachter ablehne, müsse er allerdings mit der Ablehnung seines Anspruchs seitens der Versicherung rechnen.

Dies kann zwar gravierende Verfahrensänderungen nach sich ziehen, die im Einzelnen noch von dem Unternehmen und im Gespräch mit dem Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) bedacht werden müssen. Jedoch scheint hier ein interessanter Weg zur Verbesserung der informationsrechtlichen Situation von Unfallopfern bei der Schadensregulierung gangbar zu werden. Dass der zunächst angeschriebene Gutachter hier ausgerechnet ein Ausbilder des Unfallopfers war, kommentierte die Versicherung mit den Worten: „Hierfür können wir uns nur entschuldigen."

Wechsel des Betriebsarztes:

Ein Berliner Gesundheitsamt beabsichtigte einen neuen Betriebsarzt zu bestellen. Um die Patientenakten durch den Nachfolger weiterführen zu können, wurde von den Beschäftigten eine Schweigepflichtentbindung zugunsten des neuen, namentlich bestimmten Betriebsarztes eingeholt. Das Landesamt für Arbeitsschutz, Gesundheitsschutz und technische Sicherheit hat auf Anfrage des Gesundheitsamtes empfohlen, pragmatisch zu verfahren und die Mitarbeiter des Bezirksamtes über die Erfordernisse und Prozeduren der arbeitsmedizinischen Vorsorge, den Betreuungswechsel und die Übergabe der medizinischen Unterlagen mit einem Hinweis auf ein Widerspruchsrecht gegen die Übergabe zu informieren.

Die Annahme, dass der Arbeitgeber seiner Verantwortung für Sicherheit und Gesundheitsschutz der Beschäftigten bei der Arbeit (die sich im übrigen nicht aus dem ASiG, sondern aus dem Arbeitsschutzgesetz ArbSchG - ergibt) nicht nachkommen könne, wenn er nicht über die betriebsärztlichen Unterlagen verfüge, ist irrig. Über die Maßnahmen des Arbeitsschutzes hat der Arbeitgeber auf Grund der Beurteilung der Arbeitsbedingungen zu entscheiden (§ 5 ArbSchG). Hat der Arbeitgeber infolge des Ergebnisses der Beurteilung der Arbeitsbedingungen arbeitsmedizinische Untersuchungen zu veranlassen(z.B. nach § 15 BiostoffV), anzubieten (z. B. nach § 6 BildscharbV) oder zu ermöglichen (z.B. nach § 6 ArbZG), so sind nicht die im Rahmen dieser Untersuchungen ermittelten Befunde, sondern allenfalls die vom Arzt auszustellende „ärztliche Bescheinigung", die lediglich eine Aussage enthält, ob gesundheitliche Bedenken gegen die Ausübung einer speziellen Tätigkeit bestehen oder nicht, für die Arbeitsschutzentscheidungen des Arbeitgebers relevant.

Bei einem Großteil der arbeitsmedizinischen Untersuchungen steht dem Arbeitgeber jedoch keine solche ärztliche Bescheinigung zu, ihre Ausstellung ist z.T. explizit ausgeschlossen (z.B. Untersuchungen nach § 15 Abs. 2 BiostoffV). D.h.: ein Großteil der arbeitsmedizinischen Untersuchungen sind vom Gesetzgeber bewusst so konzipiert, dass sie ausschließlich der Beratung des Beschäftigten, nicht als Entscheidungshilfe für den Arbeitgeber dienen. Die Frage des Informationstransfers zwischen Arzt und Arbeitgeber auf eine Frage der berufsrechtlichen Verschwiegenheitspflicht des Arztes zu reduzieren, geht insoweit fehl und vermag Missverständnisse zu erzeugen.

Bereits aus der jeweiligen gesetzlichen Zweckbestimmung der Untersuchungen selbst ergibt sich, dass die ermittelten Befunde für den Arbeitgeber irrelevant sind. Arbeitsmedizinische Untersuchungen sind spezialrechtlich geregelt und enthalten klare Regelungen zum Verbleib der ärztlichen Unterlagen: in die Verantwortung genommen wird allein und ausschließlich der Arzt. Er hat die Gesundheitsakte zu führen, in gehörige Obhut zu nehmen und ggf. an andere Ärzte oder an die Behörde - nicht jedoch an den Arbeitgeber weiterzugeben. Er würde eine Ordnungswidrigkeit begehen, wenn er die von ihm z. B. nach StrlSchV oder RöV zu führende Gesundheitsakte nicht bis zum 75. Lebensjahr des Untersuchten aufbewahrt, diese nicht spätestens 95 Jahre nach der Geburt des Untersuchten vernichtet, oder wenn er sie nicht unverzüglich auf Anforderung des nachuntersuchenden Arztes diesem übergibt. Es zeigt sich also, dass es nicht der Arbeitgeber ist, der seine Pflichten nicht erfüllen kann, wenn er nicht über die Akten verfügt, sondern dass der Arzt über die Akten verfügen muss, um seinen gesetzlichen Pflichten nachzukommen.

Zusammenfassend ist festzustellen:

Die ärztlichen Unterlagen, die im Zusammenhang mit arbeitsmedizinischen Vorsorgeuntersuchungen angelegt werden, sind vom Arzt so zu verwahren, zur Verfügung zu halten und weiterzugeben, wie es in den betreffenden Rechtsvorschriften vorgesehen ist. Existieren für bestimmte Untersuchungsarten keine präzisen Vorgaben, ist das ärztliche Berufsrecht anzuwenden.

Das Arbeitssicherheitsgesetz sieht die betriebliche Sicherheit als Aufgabe des Arbeitgebers an. Die Bereitstellung einer betriebsärztlichen Einrichtung ist eine gesetzliche Pflichtaufgabe des Arbeitgebers. Der Betriebsärztliche Dienst ist von einem Arzt wahrzunehmen, der der ärztlichen Berufsordnung unterliegt. Er ist zur Verschwiegenheit und zur Führung von Aufzeichnungen verpflichtet, die zehn Jahre aufzubewahren sind. Bei Veräußerung einer Privatpraxis eines frei niedergelassenen Arztes kann die Patientendokumentation zwar nur an den Praxisnachfolger übergeben werden, soweit die Zustimmung der Patienten dafür eingeholt werden konnte. Die betriebliche Sicherheit ist jedoch eine arbeitsrechtliche Pflicht des Arbeitgebers.

Der Arzt wird im Auftrag des Arbeitgebers tätig. Der Arbeitgeber kann diese Aufgaben auch auf einen externen Betriebsärztlichen Dienst verlagern. Auch ein externer Betriebsärztlicher Dienst unterliegt der ärztlichen Schweigepflicht, was praktisch bedeutet, dass der Arbeitgeber auf diese ärztlichen Unterlagen keinen Zugriff nehmen darf. Nur wenn der Dienst nicht „ärztlich" tätig geworden ist, z. B. bei arbeitsergonomischen Untersuchungen der Betriebsräume, kann der Arbeitgeber Zugriff nehmen. Wurde er jedoch gegenüber Mitarbeitern arbeitsmedizinisch tätig, unterliegt er der ärztlichen Schweigepflicht. Wenn der Betriebsarzt wechselt, verbleiben die patientenbezogenen Unterlagen gleichwohl institutionell im Betriebsärztlichen Dienst des Arbeitgebers. Sie können nicht von dem „abgehenden Arzt" mitgenommen werden. Der Arbeitgeber könnte sonst seine gesetzlichen Verpflichtungen nach dem Arbeitssicherheitsgesetz nicht mehr erfüllen.

Denn die Unterlagen werden vom nachfolgenden Arzt benötigt. Die ärztliche Schweigepflicht schützt also die Mitarbeiter nach innen, institutionell handelt es sich aber um betriebliche Daten des Arbeitgebers.

Fund von Akten mit personenbezogenen Daten in einer Papiertonne:

Der Hausmeister einer Berliner Wohnsiedlung teilte uns mit, dass er in einer blauen Papiertonne eine größere Menge von Akten mit personenbezogenen Daten (vorwiegend von Ärzten) gefunden habe. Das Aktenmaterial lag in losen Bündeln obenauf in der Tonne. Als personenbezogene Daten wurden vorwiegend solche von so genannten „Prüfärzten" gefunden, die im Rahmen der klinischen Forschung zur Wirksamkeit von Medikamenten an den Studien verschiedener Pharmaunternehmen beteiligt waren (Adresslisten, „Rekrutierungslisten", Einschätzungen von Ärzten hinsichtlich ihrer Geeignetheit für Studien, Honorarvereinbarungen). Patientendaten erschienen in den reichlich gefundenen Prüfberichten in (schwach) anonymisierter Form (Initialen, Geburtsdaten). Daneben fanden sich Schreiben, Faxe und E-Mails aus dem normalen Geschäftsverkehr.

Nachdem alle relevanten Akten sichergestellt waren und gerade in das Auto geladen werden sollten, kam eine junge Frau auf uns zu, die sich uns gegenüber als „Entsorgerin" der Akten offenbarte. Offenbar war sie sich ihres nicht korrekten Handelns bewusst geworden, denn sie legitimierte sich sofort und gab bereitwillig Auskunft.

Sie war gerade im Umzug begriffen und wollte die Unterlagen, die einer Freundin gehörten, entsorgen. Sie hatte der Freundin einen Gefallen erweisen wollen, die das Aktenmaterial nicht mehr benötigte, und hatte es daher mitgenommen, um es in die Papiertonne in ihrem Wohnbereich zu werfen. Ihre Freundin war in der klinischen Forschung im Auftrag von verschiedenen Pharmaunternehmen beschäftigt gewesen, war nunmehr aber bei einer anderen Firma angestellt und benötigte daher die Unterlagen, die ihre ehemaligen Auftraggeber betrafen, nicht mehr.

Die Frau wurde darauf hingewiesen, dass ihr „Freundschaftsdienst" einen Verstoß gegen datenschutzrechtliche Bestimmungen darstellte, da sie bei der Entsorgung der Daten, zu der sie wegen der Bitte der Freundin befugt war.