Rehabilitation

In Anbetracht der Bedeutung von Arbeit ist es für Menschen mit Behinderung besonders wichtig, dass sie ­ entsprechend ihren Neigungen und Fähigkeiten ­ am knapp gewordenen Gut Arbeit partizipieren können.

Dem Normalisierungsgrundsatz folgend, gilt es, die Rehabilitations- und Integrationsbemühungen vorrangig auf die Erlangung und den Erhalt von Ausbildungs- und Arbeitsplätzen in Betrieben des allgemeinen Arbeitsmarktes zu orientieren.

In einer von den Regeln des Marktes geprägten Wirtschaftsordnung gibt es keine gesetzlich verbriefte Beschäftigungsgarantie für verschiedene Arbeitnehmergruppen. Bei der Ausbildungs- und Arbeitsplatzsuche stehen behinderte und nicht-behinderte Menschen mithin im Wettbewerb. Um konkurrenzfähig zu sein, benötigt der größere Teil der behinderten Beschäftigten in der Regel keine besondere Unterstützung ­ auf dem richtigen Arbeitsplatz eingesetzt, ist er genauso leistungsfähig wie ein nicht-behinderter Mitarbeiter.

Andere Arbeitssuchende hingegen bedürfen wegen ihrer behinderungsbedingten Nachteile der besonderen Unterstützung. Umfassende und auf den Einzelfall abgestimmte Hilfen und Maßnahmen können Menschen mit Behinderungen Ausbildungs-, Arbeits- und damit erweiterte Lebenschancen erschließen. Damit ist die Aufgabe der beruflichen Teilhabeleistungen beschrieben: Sie umfasst die Gesamtheit der erforderlichen Hilfen und Maßnahmen zu einer dauerhaften Eingliederung in das Arbeitsleben. Ihr Ziel ist es, die Erwerbsfähigkeit und Tätigkeit eines behinderten Menschen unter Berücksichtigung seiner Neigungen und Fähigkeiten zu bessern, zu erhalten oder wieder herzustellen, damit er im Wettbewerb am Arbeitsmarkt bestehen und möglichst auf Dauer in Arbeit und Beruf eingegliedert werden kann.

Dem Finalprinzip einer modernen Behindertenpolitik und den für die Rehabilitation und Teilhabeleistungen maßgeblichen Rechtsbestimmungen folgend, sind die Hilfen zur beruflichen (und sozialen) Eingliederung unabhängig von der Ursache der Behinderung zu gewähren.

Eine qualifizierte Berufsausbildung oder berufliche Förderung sind Grundvoraussetzungen dafür, dass Menschen mit Behinderungen sich in der Arbeitswelt behaupten können. Der Berliner Senat misst insbesondere den Bemühungen um eine umfassende berufliche Qualifizierung und Förderung hohe Priorität bei, wobei der Grundsatz der betrieblichen Nähe zu berücksichtigen ist. Besonders behinderten Jugendlichen ist durch eine qualifizierte Ausbildung oder Förderung zu einer tragfähigen Berufs- und damit Lebensperspektive zu verhelfen.

Der Berliner Senat war bemüht, die schwierigen arbeitsmarktlichen Herausforderungen der zurückliegenden Jahre im Geiste guter Partnerschaft und in enger Kooperation mit den Rehabilitationsträgern ­ und hier insbesondere den Dienststellen der Bundesanstalt für Arbeit als für die Belange der beruflichen Teilhabeleistungen originär zuständiger Stelle -, mit der Wirtschaft und mit den Verbänden der freien Wohlfahrtspflege sowie mit den Trägern von Maßnahmen und Einrichtungen zu bewältigen.

Allgemeiner Arbeitsmarkt

Die Situation auf dem Berliner Arbeitsmarkt ist sehr angespannt. Im Oktober 2002 waren rund 287.000 Personen bei den Berliner Arbeitsämtern arbeitslos gemeldet. Die Arbeitslosenquote bezogen auf alle zivilen Erwerbspersonen lag bei 16,9 %. Auf eine den Arbeitsämtern gemeldete freie Stellen kamen in Berlin im Oktober 2002 fast 38 arbeitslos gemeldete Personen.

Das Jahrzehnt nach der Vereinigung war in Berlin geprägt von einem tiefgreifenden Wandel der wirtschaftlichen Basis der Stadt. Im Ostteil der Stadt mussten die planwirtschaftlich organisierten und auf osteuropäische Kunden orientierten Betriebe sich in einem für die Betroffenen teilweise sehr schmerzhaften Transformationsprozess an die Anforderungen einer Marktwirtschaft nach westeuropäischen Standards anpassen. Im Westteil der Stadt sahen sich die Unternehmen nach dem Fall der Mauer einem wachsenden Konkurrenzdruck insbesondere durch den Abbau der Berlinförderung und durch neue, vor allem aus dem Westteil der Bundesrepublik und den EU- Mitgliedstaaten auf den Berliner Markt drängende Leistungsanbieter ausgesetzt.

Hinzu kam, dass zeitgleich von den Unternehmen auch die Auswirkungen einer zunehmenden wirtschaftlichen Globalisierung, der Durchdringung aller Lebens- und Produktionsbereiche durch die Informationstechnik sowie neuen, höheren Anforderungen an Produktionstechniken, Organisationsformen und Qualifikationen der Mitarbeiter/innen zu bewältigen waren.

Mangelnde Wettbewerbsfähigkeit führte in großem Umfang zu Betriebszusammenbrüchen, Verlagerung von Produktionsstätten, Aufgabe von Produktionslinien, Rationalisierungsmaßnahmen und der Neuausrichtung des Leistungsspektrums mit der Folge eines erheblichen Arbeitsplatzabbaus und der Entlassung von Beschäftigten, die zahlen- oder qualifikationsmäßig nicht mehr benötigt wurden. Betroffen hiervon waren insbesondere der industrielle Sektor und Tätigkeiten mit geringen Qualifikationsanforderungen.

Das Arbeitsplatzangebot in Berlin wurde darüber hinaus aber auch durch die Reduzierung der personellen Ausstattung der öffentlichen Verwaltungen und Einrichtungen stark verringert.

Die hier nur kurz skizzierten Prozesse sind noch nicht abgeschlossen und werden auch in den kommenden Jahren den Strukturwandel in der Berliner Wirtschaft und den Berliner Arbeitsmarkt bestimmen.

Die mit der Hauptstadtfunktion verbundenen Impulse auf Wirtschaft und Arbeitsmarkt konnten den Beschäftigungsabbau an anderen Stellen bislang leider zu wenig kompensieren.

Mit Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik wurde in der Vergangenheit zwar in beträchtlichem Ausmaß für eine Unterstützung und soziale Abfederung des erforderlichen wirtschaftlichen Strukturwandels gesorgt, aufgrund der finanziellen Entwicklung der öffentlichen Haushalte wurde in den letzten Jahren aber auch hier Kürzungen unumgänglich.

Ein deutlicher Abbau der Arbeitslosigkeit wird in naher Zukunft weder durch eine leichte konjunkturelle Erholung noch durch demographische Faktoren bewirkt werden können. Erforderlich sind umfassende Reformen der wirtschaftlichen Rahmenbedingungen und der Arbeitsmarktstrukturen. Ein erster Schritt in diese Richtung waren die Vorschläge der „HarzKommission". Weitere Schritte müssen noch gegangen werden, um im Rahmen von Gesetzgebungsverfahren, aber auch anderen Prozessen der gesellschaftlichen Konsensfindung zu neuen Regelungen und Systemen zu gelangen, die gewährleisten, dass mittelfristig wieder mehr Menschen ihr Einkommen durch eigene Erwerbsarbeit decken können und die Systeme der sozialen Sicherung auch künftig leistungsfähig bleiben.

Übersicht: Entwicklung der Zahl der arbeitslosen schwerbehinderten Menschen in Berlin

Schwerbehinderte Menschen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt

In Berlin mit seinen rund 3,4 Mio. Einwohnern betrug die Zahl der als schwerbehindert anerkannten Mitbürger im Jahre 2001 387.762.

Hiervon befanden sich 172.844 schwerbehinderte Menschen im „erwerbsfähigen Alter" zwischen 15 und 65 Jahren. Die tatsächliche Erwerbsbeteiligung ist statistisch nicht bezifferbar.

Tatsächlich arbeitslos gemeldet waren im Dezember 2001 9.571 schwerbehinderte Menschen. Die allgemeine Arbeitslosigkeit betrug im Dezember 2001 278.118, was eine Arbeitslosenquote von 16,3 v. H. entspricht. Der Anteil der schwerbehinderten Arbeitslosen von allen Arbeitslosen beträgt 3,4 v. H.. Das Verhältnis von arbeitslosen schwerbehinderten Frauen zu Männern betrug im Dezember 2001.

Für schwerbehinderte Menschen ist die Situation am Arbeitsmarkt als vergleichsweise schwierig zu bezeichnen. Im Vergleich zu nichtbehinderten Menschen ist die Verweildauer in der Arbeitslosigkeit bei schwerbehinderten Menschen im Durchschnitt länger. Bei schwerbehinderten Arbeitslosen besteht eine stärkere Tendenz zur Langzeitarbeitslosigkeit. Bei einem Teil der arbeitslosen schwerbehinderten Menschen erschweren darüber hinaus weitere Merkmale, wie fortgeschrittenes Alter, nicht ausreichende berufliche Qualifikation und eine geringere regionale Mobilität, die Aussichten auf eine berufliche (Wieder-) Eingliederung.

Auch hinsichtlich der Eingliederung behinderter junger Menschen ist die Entwicklung u. a. durch die Abnahme von Arbeitsplätzen im verarbeitenden Gewerbe und den Verlust von Einfacharbeitsplätzen in den zurückliegenden Jahren ungünstig verlaufen.

In vielen Statistiken, Programmen und Maßnahmen wurde und wird eine geschlechtsspezifische Ausweisung und Bewertung (noch) nicht vorgenommen. Die Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz bemüht sich mit Nachdruck bei den zuständigen Stellen um eine entsprechende Weiterentwicklung der statistischen Aufbereitung und um eine Berücksichtigung der frauenspezifischen Belange.