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Gutachterliche Anhörung - 2. March 2007

ABCD Untersuchungsausschuss Klinikverbund Gutachterliche Anhörung März 2007

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6 Aufgabenwahrnehmung und Pflichten von Mitgliedern der Aufsichtsräte von Unternehmen des öffentlichen Sektors

Potentielle Zielkonflikte Potentielle Zielkonflikte bei Aufsichtsräten, die als Vertreter einer an einem privatrechtlich organisierten Unternehmen beteiligten Gebietskörperschaft von Amts wegen ein Mandat im Aufsichtsrat haben, sind:

· Aufgabenerfüllung als Funktionsträger in der Gebietskörperschaft vs. der als Aufsichtsratsmitglied im Vordergrund stehenden Gesellschaftsinteressen. Die öffentliche Aufgabenerfüllung kann dem Gewinnerzielungs- und Optimierungsinteresse zuwider laufen.

· Bei Aufsichtsratsmitgliedern, die gleichzeitig als Anteilseigner-Vertreter in der Gesellschafterversammlung auftreten, besteht einerseits eine Bindung an Weisungen der vertretenen Gesellschafterin (Gebietskörperschaft) und andererseits keine Weisungsbindung als Aufsichtsratsmitglied.

· Interessenkonflikte aufgrund der Verschwiegenheitspflicht von Aufsichtsräten betreffend Informationen, die von der Bestimmung des § 394 nicht umfasst sind (vertrauliche Angaben, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse, wenn ihre Kenntnis für die Zwecke der Berichterstattung nicht von Bedeutung ist).

· Interessenkonflikte durch Aufsichtsratseigenschaft in verschiedenen, untereinander konkurrierenden Unternehmen des öffentlichen Sektors.

Präventiv-Pflichten

Neben der üblichen Ex-Post-Kontrolle abgeschlossener und laufender Vorgänge (Quartals- und Gesamtsjahresrückblicke) ist heute auch anerkannt, dass der Aufsichtsrat eine begleitende Überwachungsverantwortung mit Blick auf die Zukunft besitzt. Im Rahmen einer präventiven Ex-Ante Kontrolle ist der Aufsichtsrat verpflichtet, die Geschäftsleitung in übergeordneten Fragen der Unternehmensführung zu beraten. Im Vordergrund steht dabei zunehmend eine Krisen- bzw. Schadensvermeidung.

Der Aufsichtsrat hat die Arbeit der Geschäftsleitung unter den Aspekten der Rechtmäßigkeit, der Ordnungsmäßigkeit sowie der Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit zu würdigen.

Vom forensischen Standpunkt aus sind insbesondere die Einzelaspekte der Rechtmäßigkeit und Ordnungsmäßigkeit von Interesse: Der Aufsichtsrat hat zu beurteilen, ob die Unternehmensleitung alle gesetzlichen Vorschriften beachtet hat und er hat zu beurteilen, ob die Unternehmensleitung ein wirksames und angemessenes Internes Kontroll- und Risikomanagementsystem etabliert hat. Hierzu verfügt er über weitgehende Informationsrechte.

Nehmen Aufsichtsratsmitglieder oder der Aufsichtsrat als Ganzes diese Informationsrechte vorsätzlich nicht wahr oder handeln vorsätzlich nicht im Unternehmensinteresse bei Vorliegen Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Klinikverbund 179

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© 2007 KPMG Deutsche Treuhand-Gesellschaft Aktiengesellschaft Wirtschaftsprüfungsgesellschaft. All rights reserved. entsprechender Informationen können sie sich selbst strafbar machen, z. B. wegen Untreue (§ 266 - wobei bedingter Vorsatz genügt). Präventive Möglichkeiten des Aufsichtsrats gegen dolose Handlungen sind:

· Geeignete Ressortstrukturierung und Geschäftsordnung der Geschäftsleitung und Besetzung der Geschäftsleitungsposten mit geeigneten Personen (Veranlassung der Überprüfung von Zeugnissen und Lebensläufen vor Einstellung, Durchführung von Background-Checks).

· Abberufung ungeeigneter Vorstände bzw. Geschäftsführer.

· Prüfung der jährlichen Finanzberichterstattung auf Auffälligkeiten.

· Einrichtung von Zustimmungsvorbehalten bei riskanten Geschäften.

· Schaffung einer effizienten und durchdachten Binnenstruktur ­ z. B. Einrichtung geeigneter Ausschüsse mit speziellen Überwachungsfunktionen.

· Vor allem aber: Intensive Ausübung der Informationsrechte schon bei ersten Anzeichen auf wirtschaftskriminelle Handlungen oder Risikolagen.

Besteht der Verdacht, dass sich Mitglieder der Geschäftsleitung zum Nachteil der Gesellschaft oder zumindest im Zusammenhang mit ihrer Geschäftsleitungstätigkeit strafbar gemacht haben, besteht die Pflicht für den Aufsichtsrat, die unternehmensinterne Aufklärung der Sachverhalte sicherzustellen und zu überwachen.

Es ist ein für alle Aufsichtsratsmitglieder quasi-gesetzlicher Mindeststandard hinsichtlich fachlicher Expertise anerkannt. Danach muss ein Aufsichtsratsmitglied für die Sorgfaltspflicht einstehen, die nach der Verkehrsanschauung von einem ordentlichen Aufsichtsratsmitglied erwartet werden kann. Jedes Aufsichtsratsmitglied muss diejenigen Mindestkenntnisse und fähigkeiten besitzen, die es braucht, um alle normalerweise anfallenden Geschäftsvorgänge ohne fremde Hilfe verstehen und sachgerecht beurteilen zu können. Es sollte in der Lage sein, sich ein Bild von der Gesellschaft, ihrer Lage und Entwicklung zu machen. Dazu sind betriebswirtschaftliche Kenntnisse, zumindest aber ein gutes Verständnis der für das Unternehmen relevanten wirtschaftlichen Zusammenhänge notwendig. Soweit es die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung im Einzelfall erfordert, ist ein Sachverständiger hinzuzuziehen. Ein Aufsichtsratsmitglied muss deshalb auch fähig sein, einen etwaigen Beratungsbedarf zu erkennen.

Trotz der Gesamtverantwortung des Aufsichtsrats obliegen auch dem einzelnen Ratsmitglied individuell aktive Pflichten. Die Rechtsstellung der Aufsichtsratsmitglieder in öffentlichen Unternehmungen entspricht dabei im Wesentlichen denjenigen in privaten Unternehmen. Dies betrifft nicht nur die Pflicht zur Sitzungsteilnahme oder zur Sitzungsvor- und nachbereitung.

Vielmehr muss jedes Ratsmitglied bereits bei Amtsübernahme die für das Mandat erforderliche Kenntnisse und Fähigkeiten besitzen, sie sich notfalls noch vor Amtsantritt aneignen und selbstverständlich erhalten. Deshalb gehören Qualifikationsmaßnahmen und regelmäßige Fortund Weiterbildung zum Pflichtprogramm jedes Aufsichtsratsmitglieds. Für den Bereich der Schadensabwehr durch wirtschaftskriminelle Handlungen sind hier - Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Klinikverbund Gutachterliche Anhörung - 2. March 2007

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· Corporate Governance und Compliance Workshops sowie

· Fraud Detection- und Awareness-Trainings üblich.