Mädchenarbeit ist in Bremerhaven immer noch keine Selbstverständlichkeit

In Zusammenarbeit mit den Freizeiteinrichtungen und verschiedenen Schulen gab es hin und wieder Angebote für Mädchen, allerdings ohne Kontinuität.

In Bremerhaven besteht seit 1993 der Runde Tisch Mädchenarbeit unter Federführung der Zentralstelle. Dieser Arbeitskreis ist gem. § 78 KJHG anerkannt und damit im Jugendhilfeausschuss beratend vertreten. Der Runde Tisch ist ein Vernetzungsgremium mit dem Ziel, Mädchenarbeit in Bremerhaven weiterzuentwickeln und zu gestalten.

Mädchenarbeit ist in Bremerhaven immer noch keine Selbstverständlichkeit. Sie wird in den verschiedenen Einrichtungen der Jugendhilfe als zusätzliches Aufgabengebiet gesehen und kann mit den bestehenden räumlichen und personellen Ressourcen kaum geleistet werden. Durch die Arbeit des Runden Tisches Mädchenarbeit ist es Frauen in den Freizeiteinrichtungen immerhin gelungen, in der Leitungsebene eine Akzeptanz für Mädchenarbeit zu erreichen.

Mit folgenden Aktivitäten unter Federführung der Zentralstelle konnten im Berichtszeitraum Verbesserungen und Erfolge hin zu einer langzeitigen, übergreifenden Mädchenarbeit erreicht werden:

- Seit 1995 werden in Bremerhaven regelmäßig Mädchenaktionstage in Form von Mädchenparlamenten durchgeführt. Die Mädchenaktionstage Mädchen auf dem Weg sind zu einer festen Institution geworden. Daraus haben sich zielgruppenorientierte Mädchengruppen in verschiedenen Stadtteilen entwickelt.

- Die Berufsorientierungstage für Mädchen haben zu einer Vernetzung von Arbeitsamt, Kammern, Wirtschaft und Schulen geführt und Mädchen als besondere Zielgruppe in das Blickfeld genommen.

- Die Mädchenaktions- und Berufsorientierungstage haben die Notwendigkeit von Mädchenarbeit öffentlich gemacht. Die aus ihnen entstandenen Beschlüsse und Forderungen der Mädchen zeigen die Bedürfnisse der Mädchen auf.

- In Kooperation mit dem Diakonischen Werk hat die Zentralstelle ein Konzept zur zielgruppenorientierten Mädchenarbeit entwickelt. Die bestehende Mädchengruppe mit Aussiedlerinnen in Leherheide soll gefestigt werden; in Bremerhaven-Lehe ist vorgesehen, eine Gruppe für Migrantinnen im Übergang von Schule in den Beruf zu installieren.

- Die Zentralstelle hat es sich zur Aufgabe gemacht, in der Arbeitsgemeinschaft Erziehungshilfen in Bremerhaven (AGEB), die mädchenspezifischen Belange einzubringen. Die AGEB führt regelmäßig Fachtage durch, an denen die Zentralstelle Mädchenarbeit in der Erziehungshilfe in Form von Workshops und Info-Tischen vorstellt.

- Einen großen Raum hat auch die Diskussion des Gender Mainstreaming-Ansatzes eingenommen mit dem Ziel, politische Strategien und Theorien der Geschlechterfrage bei der konzeptionellen Weiterentwicklung der Einrichtungen zu berücksichtigen.

An diesen Beispielen wird die Vielfalt der Arbeit des Rundes Tisches Mädchenarbeit deutlich. Die unter der Regie der Zentralstelle durchgeführten Projekte in der Mädchenarbeit werden weiterentwickelt und prägen die Mädchenkultur in Bremerhaven maßgeblich.

Für die Forderung der Mädchen nach einem niedrigschwelligen Angebot in Form eines Mädchentreffs in Bremerhaven wurde seitens des Runden Tisches eine Satzung für einen Trägerverein erarbeitet. Durch mangelnde Kapazitäten konnte dieses für Bremerhaven wichtige Projekt nicht umgesetzt werden.

Berufsorientierung für Mädchen

Das Spektrum des Angebotes der beruflichen Ausbildung für junge Menschen wird bei gleichzeitigem Ausbildungsplatzmangel für junge Menschen mit niedrigem Schulabschluss immer größer. Die Ausbildungsanforderungen unterliegen immer schnelleren Veränderungen. Die Zentralstelle fordert seit geraumer Zeit, dass die Schule den Berufswahlprozess und Fragen der Lebensplanung von Mädchen und jungen Frauen in das Zentrum des Unterrichtsalltags rückt und Mädchen und Jungen aktiv in diesem Prozess des Suchens begleitet und unterstützt. Bei Mädchen muss nachhaltig und gezielt ein Interesse für neue Berufe und Berufsfelder geweckt werden. Die Zentralstelle hatte 1997 mit den Berufsorientierungstagen in Bremen-Nord, die sie in Kooperation mit der Schullaufbahnberatung und außerschulischen Bildungsträgern und Betrieben durchgeführt hatte, neue Formen der Berufsorientierung erprobt.

Der gewünschte Wiederholungseffekt ist leider trotz Absichtserklärungen auch nach einer im Berichtszeitraum veröffentlichten Dokumentation dieser Aktionstage nicht eingetreten. Inzwischen führt die Zentralstelle Gespräche mit der Handelskammer, um die Berufsorientierung von Mädchen zu verbessern.

Die Zentralstelle war im Berichtszeitraum am Runden Tisch Arbeitslehre 98 in Bremen und Bremerhaven beteiligt und hat an den Empfehlungen Jugend mit Zukunft im Land Bremen für die Bildungspolitik und Bildungspraxis mitgewirkt.

Im Bundesgebiet und im Lande Bremen zeigt sich in den neu geordneten Ausbildungsberufen, die an die Bedürfnisse des Arbeitsmarktes angepasst wurden, eine überproportionale Beteiligung der Jungen; dies trifft vor allem für die neu geschaffenen Informations- und Telekommunikationsberufe zu. Die Zentralstelle bereitet für 2000 in Kooperation mit dem Arbeitsamt und anderen Institutionen Informationstage vor, um dazu beizutragen, bei Mädchen bestehende Hemmnisse bei der Berufswahl für die Branche der Informations- und Kommunikationstechnologien abzubauen.

Der Arbeitskreis Mädchenberufshilfe, in dem Mitarbeiterinnen aus den verschiedensten Feldern der Berufsorientierung, -beratung und -ausbildung vertreten sind, konnte wegen fehlender Betreuungszeit nicht kontinuierlich weitergeführt werden. Die Zentralstelle plant, sich wieder verstärkt der Situation benachteiligter junger Frauen und Mädchen an der ersten und zweiten Schwelle, beim Übergang Schule - Berufsausbildung - Beruf zuzuwenden, um eine größere Transparenz über die Beteiligung der Mädchen und jungen Frauen an den Regelangeboten und Fördermaßnahmen zu erhalten, laufende Maßnahmen kritisch zu begleiten und erforderliche neue Angebotsformen zu initiieren.

Die wichtigsten Themen im Berichtszeitraum waren:

- Ausbildungsversorgung,

- Bildungschancen und Bildungsbeteiligung in den Regionen Bremens,

- Mädchen als junge Mütter,

- Berufsorientierung,

- Arbeitsangebote für junge Sozialhilfeempfänger/-innen.

In Bremerhaven haben Kolleginnen vom Runden Tisch Mädchenarbeit, dem Arbeitsamt, der Kreishandwerkerschaft und dem Arbeitgeberverband unter der Federführung der Zentralstelle ein Konzept zur Durchführung der Berufsorientierungstage für 1999 entwickelt, das die Berufsorientierung und Lebensplanung beinhaltet.

Angesprochen wurden Mädchen der achten Hauptschul- und Realschulklassen von sieben Schulen, da diese Altersgruppe vor der Berufswahlentscheidung steht. Ziel war es, den Mädchen einen Einblick in den Praxisalltag zu geben, diese in einem Workshoptag aufzuarbeiten, wobei der Schwerpunkt des Workshoptages die Berufs- und Lebensplanung darstellte. Für die Berufsorientierungstage 1999 konnten ca. 90 Praktikumsplätze gewonnen werden.

Die Kooperation zur Berufsorientierung von Mädchen zwischen dem Arbeitsamt, dem Arbeitgeberverband, der IHK, der Kreishandwerkerschaft, den Schulen, den Wirtschaftjunioren hat sich unter Federführung der Zentralstelle weiterentwickelt. Die positive Zusammenarbeit führte zu einer Sensibilisierung für Projekte zur Berufs- und Lebensplanung von Mädchen.

Außerdem wirkt sich die Kooperation positiv auf die Arbeit des im April 1999 gegründeten Runden Tisches Arbeitslehre unter Federführung des Lehrerfortbildungsinstituts (LFI) Bremerhaven aus. Er verfolgt das Ziel, die Kooperation zwischen Schule und Wirtschaft zu verbessern. Schulen und Betriebe wünschen eine engere Zusammenarbeit, um die Anforderungen der betrieblichen Praxis zu verdeutlichen, diese Erfahrungen in den Unterricht einfließen zu lassen und einen direkten Bezug zur Praxis herzustellen. Die Erfahrungen aus den von der Zentralstelle durchgeführten Projekten zur Berufsorientierung und Lebensplanung von Mädchen finden bei weiteren Vorhaben des Runden Tisches Arbeitslehre Berücksichtigung, so werden z. B. in den Berufsabgangsseminaren geschlechtsspezifische Angebote gemacht.

Koedukation

Eine Methodik und Didaktik, die die unterschiedlichen Bedürfnisse von Mädchen und Jungen berücksichtigen, gehören noch nicht zum Regelunterricht in Bremerhaven. In den Kindergärten und Horten steckt die geschlechtsspezifische Sozialisation zum Teil noch in den Kinderschuhen. Der geschlechtsspezifische Ansatz spielt in den Ausbildungen eine geringe Rolle, so dass in den Kindergärten und Horten nach den traditionellen Rollenmustern gearbeitet wird, was dazu führt, dass die Umsetzung von geschlechtsspezifischen Ansätzen vom persönlichen Engagement der einzelnen Erzieherinnen und Erzieher abhängig ist.

Vor diesem Hintergrund hat das Büro Bremerhaven in Zusammenarbeit mit dem Lehrerfortbildungsinstitut den Fachtag Koedukation Alle unter einem Hut initiiert.

Koedukation wird in Bremerhaven wenig thematisiert. Sie ist mit diesem Fachtag wieder in den Blick gekommen und hat besonders in den Kindergärten, Horten und der Ausbildung zur Erzieherin und zum Erzieher die Diskussionen über eine geschlechtsspezifische Sozialisation in Gang gebracht.

Bremer Kinder- u. Jugendförderungsgesetz

Im Jahr 1998 wurde das Bremische Kinder- und Jugendförderungsgesetz, das Landesausführungsgesetz zum KJHG, verabschiedet. Die Zentralstelle und der Arbeitskreis Mädchenpolitik waren an der Werkstattfassung des Referentenentwurfs beteiligt. Das Gesetz enthält einige mädchenspezifische Vorschriften; im Abschnitt 1 (Grundsätze) legt § 5 Mädchen und junge Frauen eine mädchenspezifische Ausgestaltung der Leistungsbereiche der Kinder- und Jugendhilfe fest.

6 Frauen in der Wissenschaft

Während die Anzahl weiblicher Studierender an den Hochschulen im Lande Bremen ständig gestiegen ist und in einigen Fächern über 50 % liegt, hat sich die Unterrepräsentanz von Frauen am wissenschaftlichen Personal und in Führungspositionen nur geringfügig verändert. Gleichzeitig ist eine stetige Steigerung des Frauenanteils an den Promotionen und Habilitationen zu verzeichnen.

Im Lande Bremen fand die gezielte Förderung des weiblichen wissenschaftlichen Nachwuchses durch ein Sonderprogramm vor allem an der Universität Bremen statt.

Die Universität ist bis heute die einzige Hochschule im Lande Bremen, die Richtlinien zur Frauenförderung, wie sie das Bremische Hochschulgesetz vorschreibt, erlassen hat.

Novellierung des Bremischen Hochschulgesetzes - Mit der Novellierung des Hochschulrahmengesetzes (HRG) 1997 war eine Novellierung des Bremischen Hochschulgesetzes erforderlich; es ist seit dem 20. Juli 1999 in Kraft. Die Zentralstelle konnte verhindern, dass verschiedene Instrumente der Frauenförderung abgebaut wurden, wie es im Gesetzentwurf der Koalition vorgesehen war, z. B. die Reduktion auf eine einzige Frauenbeauftragte. Die Beibehaltung der alten Regelung aus dem Geltungsbereich des Landesgleichstellungsgesetzes mit jeweils der Frauenbeauftragten für das wissenschaftliche Personal und das nicht-wissenschaftliche Personal konnte durchgesetzt werden. Schon vor der Novellierung des bestand in § 4

(Aufgaben) die Vorschrift, für das wissenschaftliche Personal Frauenförderrichtlinien zu erlassen. Bislang hat lediglich die Universität Bremen Richtlinien verabschiedet. An der Hochschule Bremerhaven sind die den Wissenschaftsbereich betreffenden Frauenförderrichtlinien als Kapitel III in den Frauenförderplan nach LGG integriert.

An der Hochschule Bremen wurde eine beschlussfähige Fassung erarbeitet, die bis zum Ende des Berichtszeitraums noch nicht verabschiedet worden ist.

Frauenstudiengang Informatik/Landeskonzept Informatik für Frauen

In einem bezüglich der Arbeitsmarktchancen zukunftsträchtigen Fach, der Informatik, ist der Frauenanteil an den Studierenden in den vergangenen Jahren wieder zurück gegangen. Dafür gibt es diverse Gründe. Erfahrungen andernorts haben gezeigt, dass eine frauengerechtere Gestaltung des Studiums erheblich die Zugangs- und Abschlusschancen von Frauen verbessert.

In Bremen existiert seit Mai 1997 das Projekt Informatica Feminale. Es ist das in der Bundesrepublik am weitesten fortgeschrittene Vorhaben zur frauengerechten Studienreform. Dieses Projekt ist bislang immer befristet gefördert worden.