Jugendamt

76 Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Kindeswohl überhauptnicht. wäre, wäre angesichts des knappen Zeitkontingents des Vormundes noch möglich hat der Vormund in der Folge durchaus auch die Zeit gefunden, Schreibarbeiten weniger Zeit in Anspruch genommen. gewisse Zweifel hinsichtlich des Verbleibes des Kindes beim Ziehvater gab. Ihm war inzwischen auch bekannt, dass der Ziehvater substituiert wurde. Die Anfrage der Stadtteilleiterin, ob davon ausgegangen werden könne, dass der Vater gegenüber dem Kind nicht gewalttätig werde,531 beantwortete der Vormund in seiner Mail vom K. hat im Mai 2005 ein Kind und im November 2005 seine Freundin verloren. Durch wegnehmen, käme dies für ihn einem K.o. gleich. Aus meiner Sicht haben wir am Montag, 6. Februar 2006, verbindliche Absprachen getroffen, welche die Herausnahme des Kindes überflüssig machen. Aus diesen Formulierungen wird deutlich, dass die Frage, ob das Kind überhaupt beim Ziehvater bleiben könne, inzwischen durchaus thematisiert worden war und der Vormund daher mehr Informationen gehabt haben muss, als er in seiner Vernehmung einräumt. Erkennbar wird ferner, dass der Vormund ­ genauso wie der Casemanager ­ die Interessen des Vaters sehr hoch einschätzt und unterstützt, während er sich mit der an ihn ausdrücklich Diespasst dazu, dass er zu keinem Zeitpunkt Kontakt zum Kinderarzt aufgenommen hat. Dabei handelt es sich um ein schwerwiegendes Versäumnis, weil bei diesem Gespräch festgestellt worden wäre, dass es zum einen schon lange keinen Kontakt zum Kind mehr gab und zum anderen der Kinderarzt die im Jahr 2004 festgestellten Knochenbrüche dem Ziehvater zuordnete.

Hellhörig hätte der Vormund auch werden müssen, als ihn im Februar 2006 eine Mitarbeiterin von anrief und ihre Bedenken gegen die geplante Tagespflege äußerte.

Sie hatte den Ziehvater schon früher kennengelernt und schon damals den Eindruck gehabt, dass dieser über ein erhebliches Gewaltpotential verfügte und das der Vormund die jedoch nur an den Casemanager, obwohl sie diesem ihre Bedenken zuvor bereits vergeblich mitgeteilt hatte.

Leider ist auch keine Reaktion des Vormundes auf die Mitteilung des Casemanagers erfolgt, wonach die Tagesmutter ihm von einem verbundenen Fuß sowie einigen blauen Flecken berichtet habe.

Wenn auch in dieser Mail die Angaben der wurden, so hätte diese Information den Vormund vor dem ihm inzwischen bekannten Hintergrund dennoch veranlassen müssen, wegen der Verletzungen nachzufragen und zu überprüfen, ob das Kind tatsächlich einem Arzt vorgestellt worden war. Schließlich standen ihm aufgrund der übertragenen Vormundschaft das Aufenthaltsbestimmungsrecht sowie auch die Sorge für die Gesundheit des Kindes zu. Die Tragfähigkeit seiner Entscheidung, das Kind bei dem Vater zu lassen, hätte der

In seinem Bericht an das Vormundschaftsgericht vom 5. April 2006535 erwähnte der Vormund den von der Tagesmutter gemeldeten Vorfall mit keinem Wort. Er schrieb zwar einleitend, dass das Kind trotz einiger Bedenken seinerseits im Haushalt des Vaters lebe. Sodann erwähnte er, dass er anfangs Befürchtungen gehabt habe, bei einer Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt könnte der Vater Suizid begehen. Der Vater mache alles für seinen Sohn. Des Weiteren betonte er die Notwendigkeit, dass der Vater Trauerarbeit leiste. Diese sicherlich positiv einzuschätzende ­

Akte 187, Blatt 178

Akte 23, Blatt 158

Protokoll der öffentlichen Beweisaufnahme 04/620; Akte 11, Blatt 112

Protokoll der öffentlichen Beweisaufnahme 04/618

Akte 22, Blatt 39 a. a. O., Blatt 46

77Parlamentarischer Untersuchungsausschuss Kindeswohl staatsanwaltschaftlichen Vernehmung erklärte er dazu: Man sah, dass es etwas unterentwickelt war... Aufgrund meiner langjährigen Erfahrung mit Kindern sah ich, dass es für sein Alter etwas zurück war... Es lautierte, es sprach nicht.

Diese dem Ausschuss in Anbetracht der ermittelten Tatsachen zum körperlichen Zustand des Kindes unangemessen und distanziert.

Es ist somit festzustellen, dass auch der Vormund in erster Linie die Interessen des Ziehvaters im Blick hatte. In Bezug auf Kevins Wohl hat er offenbar ­ ebenso wie der Casemanager den Behauptungen des Vaters vollen Glauben geschenkt. Bei seiner staatsanwaltschaftlichen Vernehmung hat er entsprechend bekundet, er sei sich bis heute sicher, dass der Vater sein Kind geliebt habe und auch entsprechend liebevoll mit ihm umgegangen sei.

Diese vom Vormund wahrgenommene Liebe zwischen sehr labilen, zu Aggressionen neigenden und schnell überforderten Person zu Überreaktionen bis hin zu Gewaltanwendung gegenüber der eigentlich geliebten Person kommen kann. Ambivalentes Verhalten der Kindeseltern ist in Misshandlungs- und Missbrauchsfällen nicht ungewöhnlich. Die Erfahrungen aus vielen Misshandlungsund Missbrauchsfällen zeigen, dass hier häufig ambivalentes Verhalten der Eltern vorliegt. Auf der einen Seite wird das Kind durchaus geliebt, auf der anderen Seite lag bei dem mit vielen Problemen belasteten und für das Kind durchaus im Bereich des Möglichen. Warum sich hier sowohl der Casemanager als auch der Vormund als auch etliche weitere Beteiligte allein durch den ließen, konnte letztlich nicht aufgeklärt werden.

Nicht verständlich ist, warum auch der Amtsvormund dem Umstand, dass sich sogar der Amtsleiter für diesen Fall interessierte, offenbar keine besondere Bedeutung beimaß. atmosphärische Störungen zwischen Leitung und operativer Ebene lässt sich jedoch nicht erklären, warum hier nicht gerade wegen der Überprüfung durch die Leitungsebene das eigene Handeln noch einmal kritisch hinterfragt wurde. Tatsächlich Casemanager, Vormund und Stadtteilleiterin bemüßigt fühlten, nach außen hin die Richtigkeit ihres bisherigen Handelns zu demonstrieren.

So sind dem Vormund die an den Amtsleiter vom 26. April 2006 und 16. Mai 2006 zur Kenntnis übersandt und von diesem sogar ausdrücklich abgesegnet worden.

Positiv festzuhalten ist, dass es der Amtsvormund war, der dann als erster die Geduld mit dem Ziehvater verlor. Auf die Mitteilung des Arztes des Gesundheitsamtes vom 7. Juni 2006539 wonach der Vater dort den dritten Termin nicht wahrgenommen habe, bat er um ein kurzfristiges Treffen, da nunmehr eine Grenze überschritten sei. des Ziehvaters ­ ebenso wenig wie alle anderen Beteiligten ­ nicht entschied, ist unklar geblieben. Dies kann jedoch nicht dem Vormund allein angelastet werden, da offensichtlich gerade bei den Mitarbeitern des Sozialzentrums einschließlich Sozialzentrumsleiter große Unsicherheiten herrschten.Kindeswohl Schritte eingeleitet, sie dann aber nicht weiterbetrieben hat. Dies mag damit zusammenhängen, dass ihm noch vor dem Tod des Kindes mitgeteilt worden war, dass der Ziehvater doch nicht der Vater von Kevin war.

Dieshätteihnallerdingsveranlassen zu leiten (Pflegeerlaubnis gemäß § 44 SGB VIII).

Bei der Würdigung der Verantwortlichkeit des Amtsvormundes ist zu berücksichtigen, dass es sich für den Vormund zunächst nicht um einen besonders ungewöhnlichen Fall handelte. Die Vormundschaft ist ihm nicht nach einem ausdrücklichen Sorgerechtsentzugsbeschluss des Familiengerichts, sondern aufgrund des Todes der bis dahin allein sorgeberechtigten Mutter übertragen worden. Dennoch geht der Ausschuss aus den oben genannten Gründen davon aus, dass mit zunehmender einmal getroffene Entscheidung, das Kind an den vermeintlichen Vater herauszugeben, kritischer hätte hinterfragen und auch revidieren müssen.

Das große Arbeitspensum und die ungewöhnlich hohe Fallzahl der Amtsvormünder hat nach den Erkenntnissen des Ausschusses in diesem konkreten Einzelfall keine mehreren Fallkonferenzen teilgenommen. Auch in seinem Amt hat er Gespräche mit das knapp vorhandene Zeitkontingent, sondern mehr die von Anfang an festzustellende Parteilichkeit zugunsten des Ziehvaters ausgewirkt.

Lediglich am Rande soll darauf hingewiesen werden, dass dem Ausschuss eine Zuständigkeitsbereich aufgefallen ist.

Es handelt sich um den am 12. April 2006 geborenen L. M.,543 dessen Mutter bei seiner Geburt erst 16 Jahre alt war. Es wurde daher wegen Minderjährigkeit der Kindesmutter eine Amtsvormundschaft angeordnet. Die minderjährige Kindesmutter lebte mit dem 22 Jahre älteren Kindesvater in nichtehelicher Gemeinschaft. Zumindest die Kindesmutter konsumiert seit längerem Drogen (Crack, Marihuana, Kokain), nach Einschätzung des Gesundheitsamtes hat der und regelmäßig Krisenmeldungen wegen Streitigkeiten und eingeschaltet war, wurden keine Hilfen organisiert. Um eine Familienhebamme des Kindes notwendigen Unterstützungsmaßnahmen vom Jugendamt einzufordern beziehungsweise eine Fremdplatzierung des Kindes in Erwägung zu ziehen. Obwohl sich die Situation stetig verschlechterte, ist bis zur Inobhutnahme des Kindes im Anschluss an eine polizeiliche Notlagenmeldung im Oktober 2006 keine Hilfe organisiert und vom Amtsvormund auch nicht beantragt worden. Im Anschluss an die Inobhutnahme des Kindes durch die zuständige Casemanagerin erklärte der Amtsvormund sich zwar mit dieser Maßnahme sei bei ihm gewesen und habe einen sehr traurigen Eindruck darüber gemacht, dass sein Kind im Heim ist.

Auch hier wäre eine ähnlich hohe Anteilnahme für die sicherlich auch sehr traurige Situation, in der das Kind bis zu seiner Inobhutnahme leben musste, angebracht gewesen. Der Ausschuss will dabei keineswegs die jedenfalls in diesen beiden Fällen gezeigte Empathie des Vormundes für die vermeintlichen oder tatsächlichen Kindesvätern verurteilen. Es soll nur erneut darauf aufmerksam gemacht werden.