Jugendamt

Zentraler Gedanke der Sozialraumorientierung ist die Aktivierung des Einzelnen und die Stärkung der Eigenverantwortung durch die Einbeziehung der Ressourcen im Sozialraum. Der Senat soll bei der Erarbeitung folgende Kriterien berücksichtigen:

1. Der Fall im Feld

a. Das Landesjugendamt erarbeitet gemeinsam mit den Bezirken und den freien Träger der Jugendhilfe fachliche Richtlinien der Sozialraumorientierung und legt verbindliche Rahmenbedingungen in Form von Minimalprüfsteinen fest

b. Die Durchlässigkeit der Jugendhilfe wird in Form von integrierten und flexibel zu gewährenden sozial räumlich orientierten Hilfen realisiert

c. Mittelfristig sind schulische Angebote in der Schnittstelle von Schulsozialarbeit zu Jugendhilfe zu integrieren

d. Die Partizipation von Leistungsberechtigten und Jugendlichen im Sozialraum ist durch geeignete Verfahren altersgerecht sicherzustellen

2. Neues Jugendamt

a. Die Kernaufgaben der Jugendämter werden auf Planungs-, Entscheidungs-, Evaluations- und Kontrollfunktionen zurückgeführt

c. Die sozial räumliche Jugendhilfe wird über regionale Treuhandverträge mit 3-jähriger Laufzeit finanziert.

d. Die Mittelzumessung erfolgt auf der Basis von Sozialraum-Indikatoren.

e. Die Mittelvergabe im Sozialraum erfolgt auf der Basis kooperativer Jugendhilfeplanung

f. Die Monopolstellung eines Trägers soll verhindert werden.

Dem Abgeordnetenhaus ist bis zum 31.12. über die Konzeption und die dazu erforderlichen rechtlichen Änderungen sowie den zeitlichen Umsetzungsrahmen zu berichten.

Begründung:

Die geplanten Kürzungen in den Hilfen zur Erziehung führen ohne ein Umsteuern in der Jugendhilfe zum Wegbrechen von Hilfeangeboten. Aus diesem Grund haben einige Bezirke bereits weitergehende Reformprozesse begonnen. Ziel ist ein Umsteuern in der Jugendhilfe weg von der Einzelfallorientierung hin zur Sozialraumorientierung.

Dieser Prozess muss sowohl politisch, wie auch fachlich unterstützt werden. Der Grundsatz muss lauten: vom Fall zum Feld ­ integrierte und sozial räumliche Hilfeangebote sind das Ziel.

Seit einiger Zeit ist die starke Versäulung der Jugendhilfe in die Kritik geraten. Entlang der Paragrafen 27 - 35 SGB VIII haben sich spezialisierte und standardisierte Hilfeangebote entwickelt, die in der Praxis nebeneinander existieren und miteinander nicht kombiniert werden. Damit wird sowohl die Durchlässigkeit zwischen den Hilfen, wie auch ein flexibler Einsatz verhindert. Die bürokratische Logik dominiert: Jugendhilfe ist sortiert nach Paragrafen, Buchstaben, Abteilungen oder Hilfearten.

Die Jugendämter sind in ihrer Binnenstruktur kleinteilig organisiert, Durchlässigkeit wird kaum praktiziert. Eine sozial räumliche Organisation der Jugendämter würde dies ändern.

Sozialraumorientierung bedeutet einen Paradigmenwechsel in der Jugendhilfe. Zentraler Gedanke der Sozialraumorientierung ist die Aktivierung des Einzelnen und die Stärkung der Eigenverantwortung durch die Einbeziehung der Ressourcen im Sozialraum. Zu diesen zählen die klassischen sozialen Netzwerke, wie Familie, Nachbarschaft, Clique und Vereine, aber auch schulische Angebote, oder Angebote der Sozialämter, Gesundheitsämter und des Quartiermanagements. Der Blick richtet sich damit auf alle Hilfen und Angebote im sozialen Nahraum. Ziel des sozial räumlichen Hilfeansatzes ist, die Versäulung der Erziehungshilfen aufzubrechen und flexible, integrierte Hilfe im sozialen Raum zu ermöglichen. Erzieherische Hilfen sollen sich nicht länger nur an Paragrafen, sondern verstärkt an den individuellen Bedürfnissen der Kinder und Jugendlichen orientieren.

Berlin, den 12. September 2003