Ende des Milliardengrabs ­ Transparenz und Kontrolle durch wirksames Beteiligungsmanagement

Der Senat wird aufgefordert, eine Vorlage zur Beschlussfassung einzubringen, die festlegt, welche Beteiligungen des Landes als dauerhaft notwendig im Sinne des § 65 LHO anzusehen sind und welche politischen und wirtschaftlichen Ziele mit diesen Beteiligungen verfolgt werden.

Der Senat wird ferner aufgefordert, dem Abgeord-netenhaus einen Public Corporate Governance Kodex (PCG Kodex) vorzulegen. Darin sollen die über eine Viel-zahl von Vorschriften verstreuten Regelungen für die Landesbeteiligungen Berlins und deren Kontrolle durch Abgeordnetenhaus, Senat und Rechnungshof zusammen-gefasst und wirkungsvoll ergänzt werden.

Der PCG-Kodex soll zusätzlich zu den in Berlin bereits geltenden Bestimmungen

· die Festlegung von Zielsetzungen und Zielvereinbarungen für die Landesunternehmen vorschreiben,

· die gesetzlichen Regelungen des Gesetzes zur Kontrolle und Transparenz im Unternehmensbereich (KonTraG) vollständig enthalten,

· die Empfehlungen des German Corporate Governance Codex übernehmen, soweit sie auf öffentliche Unternehmen übertragbar sind,

· die Beteiligungsrechte des Rechnungshofs sichern,

· zusätzliche Regelungen enthalten, die sich aus den Berliner Erfahrungen und der öffentlichen Diskussion um KonTraG, Wirtschaftsprüfung und Corporate Governance Codex ergeben haben.

Der PCG-Kodex ist mit den wesentlichen Beteilungen des Landes unabhängig von ihrer Rechtsform (AG, GmbH, AöR) fest zu vereinbaren. Die Übernahme des PCG-Kodex ist von den zuständigen Organen der Gesellschaften (Verwaltungs- bzw. Aufsichtsrat oder Aktionärs-, Gesellschafter- bzw. Gewährsträgerversammlung) zu beschließen. Vorstände bzw. Geschäftsführer sind in ihren Arbeitsverträgen auf den Kodex zu verpflichten.

Der PCG-Kodex soll neben den geltenden Bestimmungen mindestens die folgenden Regelungen enthalten. Dabei gelten die Regelungen für Vorstände und Aufsichtsräte analog auch für Geschäftsführer und Verwaltungsräte.

1. Zielsetzung und Zielvereinbarung:

Für jedes Landesunternehmen sind durch das Abgeordnetenhaus Sinn und Zweck der Beteiligung zu definieren und klare fachpolitische und wirtschaftliche Zielvorgaben zu beschließen.

Auf Grundlage dieser Vorgaben sind in einer Zielvereinbarung mit jedem Unternehmen die Unternehmensstrategie und operative Maßnahmen zu vereinbaren, mit denen das jeweilige Unternehmensziel erreicht werden soll. Ferner sind in den Zielvereinbarungen die Meilensteine festzulegen, anhand derer Fortschritte bei der Zielerreichung kontrolliert werden.

2. Reporting-System und Controlling-Gesellschaft:

Zur Kontrolle der wirtschaftlichen Entwicklung der wesentlichen Landesbeteiligungen und der mit ihren abgeschlossenen Zielvereinbarungen ist ein Reporting-System aufzubauen, das über die Ertrags- und Liquiditätslage sowie die Entwicklung des Chance-Risiko-Profils (C/R Profil) der Unternehmen gegenüber dem Senat und dem Abgeordnetenhaus Auskunft gibt (Siehe Ziffern 4 und 5).

Um die unabhängige Sicherung des Beteiligungscontrolling zu gewährleisten, soll eine Controlling-Gesellschaft gegründet werden, die die wirtschaftliche Entwicklung, die Erfüllung von Zielvereinbarungen und das Risikomanagement der wesentlichen Landesbeteiligungen überwacht. Ihre Aufgabe ist es zudem, Entscheidungen des Senats und der Vertreter Berlins in den Aufsichts- und Verwaltungsräten vorzubereiten und die Senatsvertreter in kaufmännischen, rechtlichen, personellen, organisatorischen Fragen sowie der wirtschaftlichen Führung zu beraten.

3. Berichtszeitraum und Rechte des Abgeordnetenhaus:

Der Controlling Gesellschaft des Senats ist von den Landesunternehmen monatlich Bericht zu erstatten. Dem Abgeordnetenhaus ist durch den Senat halbjährlich über alle Fragen des Beteilungsmanagements zu berichten.

4. Kennzahlengestütztes Controlling:

Es ist ein kennzahlengestütztes Berichtssystem zu errichten. Von den Unternehmen sind monatlich neben unternehmensspezifischen Kennzahlen mindestens folgende Kennziffern mitzuteilen, die Aussagen über die Ertrag- und Liquiditätslage zulassen und auch als Risikoindikator herangezogen werden können.

· Beteiligungsrendite

· Umsatzrendite

· Wirtschaftlichkeitskoeffizient

· Liquidität I und II

· Brutto- und Nettocashflow Ist- und Solldaten sind dabei gegenüberzustellen, damit Fehlentwicklungen frühzeitig sichtbar werden und Gegenmaßnahmen rechtzeitig eingeleitet werden können.

5. Risikomanagement:

Jedes Unternehmen ist verpflichtet, ein maßgeschneidertes Risikomanagementsystem entwerfen, das den Kriterien von Transparenz, Vollständigkeit und Ganzheitlichkeit in Erfassung und Dokumentation der Sachverhalte genügt und Früherkennung sich konkretisierender Risiken ermöglicht. Die Risiken sind in bestandsgefährdende, wesentliche und unwesentliche zu unterteilen. Es erfolgt zudem eine Quantifizierung (Schadenshöhe) und eine Zuordnung von Eintrittswahrscheinlichkeiten.

Schon bei der Festlegung von Planwerten und der Formulierung einer Strategie ist sind Vorstände verpflichtet, Vorgaben zu machen, die das angestrebte C/R Profil des Unternehmens konkretisieren.

Die unternehmensinterne Überwachung des C/R Management Prozesses ist an externe Spezialisten zu übertragen, damit eine unabhängige Sicherung gewährleistet bleibt. Sie müssen dem

Vorstand direkt, falls erforderlich auch dem Aufsichtsrat ihre Ergebnisse präsentieren.

Die Landesunternehmen Berlins erstellen in Zukunft unabhängig von der Rechtsform einen jährlichen Lagebericht. Im Lagebericht „ist auch auf die Risiken der künftigen Entwicklung einzugehen." (§ 289 HGB

6. Rechte des Rechnungshof:

In den PGC-Kodex sind die im Haushaltsrecht vorgesehenen Prüfungsrechte des Rechnungshof zu übernehmen. Insbesondere sind dem Rechnungshof. Die Prüfungsrechte nach §§ 53 und 54

Haushaltsgrundsätzegesetz (HGrG) für alle mittelbaren Beteiligungen Berlins im Sinne von § 67 Landeshaushaltsordnung (LHO) einzuräumen.

7. Vorstände und Aufsichtsräte:

Für die Organe der Landesbeteiligungen sollen zusätzlich zu den bestehenden Regelungen die folgenden Empfehlungen des German Corporate Governance Codex verpflichtend zur Anwendung kommen.

Bestellung: Die Qualifikation von Aufsichtsrat und Vorstand hat sich an den Zielvorgaben zu orientieren. Unter den Vertretern des Landes sollte sich mindestens ein Controller befinden.

Ehemaligen Aufsichtsräten ist eine Vorstandstätigkeit für die Dauer von fünf Jahren nach ihrem Ausscheiden untersagt.

Vormaligen Mitgliedern des Senats, Angestellten und Beamten des Landes Berlin in leitender Funktion ist eine Vorstandstätigkeit frühestens 3 Jahre nach ihrem Ausscheiden aus dem Landesdienst gestattet.

Geschäftsordnung: Der Aufsichtsrat soll die Informations- und Berichtspflicht des Vorstandes näher festlegen. Berichte des Vorstandes an den Aufsichtsrat sind in der Regel in Textform zu erstatten. Entscheidungsnotwendige Unterlagen, insbesondere der Jahresabschluss und der Prüfungsbericht sind den Mitgliedern des Aufsichtsrates rechtzeitig vor der Sitzung zuzuleiten.

Haftung: Vorstand und Aufsichtsrat beachten die Regeln ordnungsgemäßer Unternehmensführung. Vorstände sind in ihren Dienstverträgen zudem auf die einschlägige Bestimmung des KonTraG zu verpflichten.

Danach sind „geeignete Maßnahmen zu treffen, insbesondere ein Überwachungssystem einzurichten, damit den Fortbestand der Gesellschaft gefährdende Entwicklungen früh erkannt werden." (§ 91

Aktiengesetz). Verletzen Geschäftsleiters bzw. Aufsichtsratsmitgliedes die Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsführung, so haften sie gegenüber der Gesellschaft mit Schadensersatz. Schließt die Gesellschaft für Vorstand und Aufsichtsrat eine Versicherung ab, so ist ein angemessener Selbstbehalt zu vereinbaren.

Gehälter: Die Gehälter von Vorständen sollen fixe und variable Bestandteile enthalten.

Grundlage ist eine Leistungsbeurteilung auf Basis der Zielvereinbarung und der betriebwirtschaftlichen Kennziffern des Beteiligungscontrolling. Es sind Höchstgrenzen für die Vergütung der Organe der Beteiligungsgesellschaften festzulegen.

Veröffentlichungen: Die Vergütung von Vorständen und Aufsichtsräten ist zukünftig im Jahresbericht der jeweiligen Gesellschaft sowie im Beteiligungsbericht personenbezogen anzugeben. Dort ist ebenfalls über evtl. bestehende Aktienoptionsprogramme zu unterrichten.

8. Wirtschaftsprüfung:

Der Aufsichtsrat soll einen Prüfungsausschuss: (Audit Comittee) einrichten, der sich insbesondere mit Fragen der Rechnungslegung, des Risikomanagements, der erforderlichen Unabhängigkeit des Abschlussprüfers, der Erteilung des Prüfauftrages an den Abschlussprüfer, der Bestimmung von Prüfungsschwerpunkten und der Honorarvereinbarung befasst.

Die Prüfer sollen alle 5 Jahre wechseln und während dieser Zeit keine Beratungstätigkeit für das Unternehmen ausführen.

Es wird eine stärkere Problemorientierung der Prüfung herbeigeführt. Künftig ist ausdrücklich vorzuschreiben, dass sich Prüfung auf das Erkennen von Unrichtigkeiten und Verstößen auszurichten. Auch ist auf alle Risiken einzugehen, die den Fortbestand des Unternehmens gefährden. (§ 322 HGB). Zusätzlich ist anzugeben, ob und in welcher Weise sich Bewertungsmaßstäbe verändert haben.

Die Prüfung des Lageberichtes hat zum Inhalt, ob er eine zutreffende Vorstellung von der Lage des Unternehmens vermittelt. Es ist nicht länger ausreichend, keine falsche Vorstellung zu wecken. Vielmehr ist im Prüfungsbericht auf die Beurteilung der Lage des Unternehmens einzugehen, und es ist Stellung zu nehmen zur

Beurteilung der Risiken der künftigen Entwicklung, die der Vorstand vorgenommen hat. Auf künftige negative Entwicklungen ist gegebenenfalls hinzuweisen.

Es ist eine Beurteilung des internen Überwachungssystems vorzunehmen. Das Ergebnis ist im Prüfungsbericht darzustellen und auch, ob Maßnahmen erforderlich sind, das interne Überwachungssystem zu verbessern (§ 321

HGB). Dabei ist zu prüfen, die Risiken der künftigen Entwicklung zutreffend dargestellt sind sowie die Richtigkeit und Vollständigkeit.

Dieser Bericht ist dem Aufsichtsrat unmittelbar vorzulegen (§ 317 HGB)). Die Dokumentation der kontinuierlichen C/R Berichterstattung dient dabei als Grundlage für die Prüfung des Risikomanagementsystems.

Die Prüfergebnisse sind den Aufsichtsgremien der Berliner Beteiligungsunternehmen vollständig mitzuteilen. Gesonderte „management letter" sind untersagt.

Begründung:

Die Milliardenschäden, die in den letzten Jahren im Beteiligungsbereich des Landes entstanden sind, sprechen eine deutliche Sprache. Die landeseigenen Unternehmen sind völlig aus dem Ruder gelaufen und haben sich zu einem Milliardengrab entwickelt.

Das Beteiligungsmanagement des Landes hat auf ganzer Linie versagt - egal welche Parteien und Personen gerade an der Regierung waren. Niemand kann sich der Erkenntnis verschließen, dass hier durchgreifende Änderungen erforderlich sind.

Überall dort wo funktionierende Märkte die erforderlichen öffentlichen Dienstleistungen bereits heute zu mindestens gleicher Qualität und Kosten bereitstellen und überall dort, wo solche Märkte aufgebaut werden können (kontrollierter Wettbewerb), kann und soll sich Berlin von seinen Landesbeteiligungen trennen.

Für die dauerhaften Beteiligungen des Landes ist ein wirksames Beteiligungsmanagement aufzubauen, das sich nicht länger ausschließlich auf die Tätigkeit der Aufsichtsräte verlässt. Parlament und Senat benötigen klare Zielvorgaben für die landeseigenen Unternehmen, ein regelmäßiges Berichtswesen und ein funktionierendes Risikomanagement, um den Grad der Zielerreichung fortlaufend beobachten und bei Abweichungen korrigierend eingreifen zu können.

Die Berlinerinnen und Berliner haben als Steuerzahler und Eigentümer der Unternehmen das Recht auf ein Höchstmaß an Transparenz und Überprüfbarkeit der Landesunternehmen und ihrer Geschäftstätigkeit. Die Berliner Bevölkerung und ihre Repräsentanten im Abgeordnetenhaus können mit Fug und Recht verlangen, über die Entwicklung ihrer staatlichen Unternehmen um keinen Deut schlechter unterrichtet zu werden, als es der German Corporate Governance Codex der Bundesregierung und das KonTraG mit ihrer Intention des Anlegerschutzes für Aktionäre vorsehen.

Angesichts der milliardenschweren Belastungen des Haushalts durch die Kette von Verlusten der Berliner Landesunternehmen kann Haushaltskonsolidierung an dieser Stelle nicht bedeuten, die personellen und finanziellen Ressourcen des Beteiligungsmanagements herunterzufahren. Im Gegenteil.

Es sind ausreichend Finanzmittel im Haushalt vorzusehen, um das erforderliche Know bereit zu stellen.