Qualifizierung des Baumschutzes statt Kahlschlag in der Baumschutzverordnung

Der Senat wird aufgefordert, den Baumschutz in Berlin zu qualifizieren und dafür die Baumschutzverordnung (BaumSchVO) sowie deren Ausführungsvorschriften unter Maßgabe der folgenden Prämissen zu novellieren.

1. Schutz von Obstbäumen

Die Geltung der BaumSchVO soll auf Obstbäume ausgedehnt werden. Dieser Schutz soll nicht für gewerbsmäßig für den Obstanbau, in Baumschulen oder in Gärtnereien genutzte Obstbäume gelten. Der zur Pflege und Entwicklung von Obstbäumen notwendige Gehölzschnitt bedarf nicht der Genehmigung.

2. Amtshandeln Öffentliche Planungsträger können Eingriffe bei nach der Baumschutzverordnung geschützten Bäumen nur im Einvernehmen mit den Unteren Behörden für Naturschutz durchführen. Die Regelungen der Baumschutzverordnung sollen dabei auch für die Unteren Behörden für Naturschutz bzw. die Straßen- und Grünflächenämter gelten.

3. Genehmigungen

Das Vermeidungsgebot von Umweltbeeinträchtigungen soll analog der Eingriffsregelung im Naturschutz- bzw. Baurecht in die Baumschutzverordnung aufgenommen werden; eine vorherige Informationspflicht hinsichtlich möglicher Baumschäden soll eingeführt werden.

Anträge auf Ausnahmen von den Regelungen der Baumschutzverordnung analog § 5

BaumSchVO sollen nach Eingang des vollständigen Antrags innerhalb von 6 Wochen beschieden sein. Liegt bis dahin kein Bescheid vor, gilt der Antrag als genehmigt.

4. Ersatzpflanzungen

Bei Ersatzpflanzungen sollen der ökologische und der landschaftsästhetische Wert des Baumes im Vordergrund stehen.

Der Mindeststammumfang bei Ersatzpflanzungen ist auf 15cm zu erhöhen.

Die Anwachsgarantie bei den Ersatzpflanzungen soll auf drei Jahre ausgedehnt werden.

Obstbäume sollen grundsätzlich als Ersatzpflanzungen zugelassen werden.

Bei Fällungen auf Privatgelände, das im FNP als Wohngebiet mit geringer Dichte (bis GFZ 0,4) ausgewiesen ist, kann der Grundstückseigentümer zwischen einer Ersatzpflanzung und der Zahlung der entsprechenden Ausgleichsabgabe wählen.

5. Ausgleichsabgabe Ausgleichsabgaben sollen auch bei Vorhaben des Bundes, des Landes oder sonstiger öffentlicher Planungsträger entrichtet werden. Sie sollen orts- und zeitnah zur Förderung des Schutzes, der Pflege und der Entwicklung von Bäumen verwendet werden.

6. Frühzeitige Information

In die Baumschutzverordnung soll die Pflicht der Unteren Behörde für Naturschutz zur frühestmöglichen Information der Öffentlichkeit über voraussichtliche Baumfällungen, Ersatzpflanzungen und Ausgleichsabgaben aufgenommen werden.

Die Erteilung von Fällgenehmigungen an Private soll mit der Auflage zur vorherigen Information an die Mieter verbunden sein, sofern es sich um Bäume in Höfen von Mietshäusern oder um Bäume in unmittelbaren Nähe von Mietshäusern handelt.

Es ist sicherzustellen, dass sich die BürgerInnen auch online über alle notwendigen Unterlagen für Anträge zu Ausnahmen nach § 5 der BaumSchVO informieren können.

Begründung: Berlin ist eine grüne Stadt. Dies ist ein einmaliger Standortvorteil, der die Lebens- und Umweltqualität in der Stadt und die Attraktivität Berlins nachhaltig erhöht. Zahlreiche Straßenbäume, Bäume in Grünanlagen und an Gewässerufern, aber auch die Bäume auf privaten Grundstücken und in vielen Hinterhöfen tragen zum grünen Gesicht der Stadt bei.

Neben anderen naturschutzrechtlichen Bestimmungen ist es auf privaten Grundstücken vor allem die Berliner Baumschutzverordnung (BaumSchVO), die eine ausreichende Anzahl und Qualität des Baumbestandes in Berlin sichern soll. Denn der Verlust eines großen über Jahrzehnte gewachsenen Baumes ist kaum zu ersetzen.

Unter dem Vorwand des Bürokratieabbaus plant der Senat, wesentliche Vorschriften der Baumschutzverordnung aufzuheben. Unter anderem soll der Baumschutz in einer Entfernung von bis zu fünf Metern zu einem Gebäude und zwei Metern zu einer Grundstücksgrenze gelockert werden. Damit würden nach Schätzungen der Bezirksämter ca. 70 Prozent der zur Zeit noch geschützten Bäume nicht mehr durch die BaumSchVO geschützt! Eine Verwaltungsvereinfachung und Kostensenkung des Verwaltungshandelns wird dadurch nicht erreicht. Mit den geplanten Änderungen des Senats wird vielmehr eine Verlagerung vom präventivem Genehmigungsrecht zum nachsorgenden und aufwendigerem Ordnungsrecht verbunden sein. Zudem verzichtete das Land Berlin auf Millioneneinnahmen an Ausgleichsabgaben für Bäume, deren Fällung aus sachlichen Gründen nicht zu verhindern ist und für die unmittelbare Ersatzpflanzungen nicht sinnvoll sind.

Die bezweckte Verfahrensvereinfachung geht einseitig zulasten des Schutzgutes Baum. Die öffentliche Bestürzung, die schon durch einzelne gefällte oder zurechtgestutzte Bäume entsteht, lässt deutlich werden, dass mit der bisherigen Regelung der Interessensausgleich zwischen Eigentum und öffentlichem Interesse nicht einseitig zugunsten des öffentlichen Interesses geregelt ist. Die Berliner und Berlinerinnen messen einem wirkungsvollen Baumschutz offensichtlich eine höhere Bedeutung zu als die Politik des Umweltsenators.

Eine zukunftsfähige Naturschutzpolitik darf daher nicht wesentliche Bestandteile des Baumschutzes ersatzlos aufgeben, sondern muss den Schutz der Bäume qualifizieren. Rechtliche Regelungen können nur so vereinfacht werden, dass die Bäume keinen zusätzlichen Gefahren ausgesetzt werden.

Eine Qualifizierung des Baumschutzes bedeutet, dass Obstbäume in Zukunft durch die BaumSchVO geschützt werden sollen. Obstbäume können für die Leistungsfähigkeit des Naturhaushaltes, das Ortsund Landschaftsbild und zur Abwehr schädlicher Einwirkungen eine ebenso hohe Bedeutung haben wie andere Laub- oder Nadelbäume. Ausgenommen davon sollen nur gewerbsmäßig für den Obstanbau, in Baumschulen oder in Gärtnereien genutzte Bäume werden, weil für deren wirtschaftliche Nutzung eine Privilegierung erforderlich ist. Der zusätzliche Schutz von Obstbäumen ist auch aufgrund der Vorgaben des Landschaftsprogramms erforderlich, das sie ebenfalls als schutzwürdig einstuft und in seinem Rahmen als Ersatzpflanzungen zulässt.

Der Mindeststammumfang von Ersatzpflanzungen soll erhöht werden, da kleinere Bäume den vielfältigen Belastungen der städtischen Umwelt kaum gewachsen sind. Die Anwachsgarantie der Bäume soll ausgedehnt werden, da erst nach frühestens 3 Jahren das Anwachsen eines Baumes gesichert beurteilt werden kann.

Eingriffe an Bäumen sollen nur aus zwingenden Gründen der Verkehrssicherungspflicht oder des unbedingt notwendigen Pflegeschnitts erfolgen. Das gilt auch für die Denkmalschutzbehörden und alle für öffentliche Straßen und sonstige öffentliche Flächen zuständigen Dienststellen des Landes Berlin.

Ein frühzeitiger Informationsaustausch von Bauvorhabensträgern und der zuständigen Verwaltung unter Einbeziehung der betroffenen Anwohner- und NutzerInnen soll Beeinträchtigungen von Bäumen auf ein unumgängliches Maß reduzieren und verwaltungsinterne Entscheidungsabläufe transparenter und schneller werden lassen.

Die Information der Öffentlichkeit über voraussichtliche Beeinträchtigungen, Ersatzpflanzungen und Ausgleichsabgaben verringert nicht nur den späteren Verwaltungsaufwand der Ämter. Es ist auch ein Zeichen, dass die Politik die Interessen und Bedürfnisse der BürgerInnen ernst nimmt und sich zur Transparenz verpflichtet fühlt. Mit verbesserten, dass heißt z. B. auch online abzurufenden Informationen über Anträge im Zusammenhang mit der BaumSchVO kann das Genehmigungsverfahren beschleunigt und der Verwaltungsaufwand deutlich verringert werden.