Keine Zusammenfassung von Gesetzesnormen in einem Informationsgesetzbuch

„Der Senat wird zur Eindämmung der Normenflut aufgefordert zu prüfen, inwieweit das Berliner Datenschutzgesetz (BlnDSG), das Informationsfreiheitsgesetz (IFG) und das Informationsverarbeitungsgesetz (IVG) in einem Informationsgesetzbuch zusammengefasst werden können. Dies sollte mit den ohnehin notwendigen redaktionellen Änderungen und gesetzestechnischen Klarstellungen im BlnDSG und IFG einhergehen. Geprüft werden soll ferner, ob auch die sekundären Informationsgesetze, wie das Archivgesetz des Landes Berlin und das Landesstatistikgesetz, in dieses Gesetzbuch aufgenommen werden können."

Hierzu wird berichtet:

Der Senat spricht sich für eine weitere Modernisierung des Landesdatenschutzrechts nach Abschluss der anstehenden Reformen auf Bundesebene aus, lehnt es aber ab, diese Materie mit den Regelungen des Berliner Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) und weiteren „sekundären Informationsgesetzen" zu einem umfassenden Informationsgesetzbuch (,IGB) zusammenzufassen.

Eine Zusammenführung der vorgenannten Bereiche des Informationsrechts mit dem Berliner Datenschutzgesetz (BlnDSG) in eine einheitliche Kodifikation wäre mit erheblichem Aufwand und gravierenden Nachteilen verbunden, denen kein nennenswerter Gewinn gegenübersteht.

Sinnvoll erscheint allenfalls eine Novellierung einzelner bestehender Spezialgesetze: Zum einen sollte das Archivgesetz, das die Offenlegung von Archivgut bislang an den Ablauf strenger Fristen bindet, mit dem Anspruch des IFG auf generellen Zugang zu öffentlichen Akten harmonisiert werden.

Diese erforderliche Harmonisierung kann zu gegebener Zeit durch Anpassung des Archivgesetzes erfolgen.

Die gesetzgeberische Trennung ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt auch ein Gebot der Bürgerfreundlichkeit, da eine Verbindung unter dem abstrakten Gesichtspunkt der „Informationsgerechtigkeit" allenfalls in Fachkreisen kontrovers diskutiert wird, während die Öffentlichkeit beide Bereiche in ihrer konkreten Auswirkung als eher gegenläufig wahrnehmen dürfte.

Gerade ein viele Informationsrechte zusammenfassendes, umfangreiches Informationsgesetzbuch, das auch nach Meinung von Befürwortern unübersichtliche Kodifikationen wie das Sozialgesetzbuch an Komplexität noch übersteigen könnte, erscheint zudem als wenig geeignet, um die bestehenden Schwierigkeiten von juristischen Laien im Umgang mit dieser Materie zu beseitigen. Eine Zusammenfassung der im Prüfauftrag genannten Gesetze zu einem IGB würde darüber hinaus bei den Bürgerinnen und Bürgern die nicht gerechtfertigte Hoffnung wecken, alle Informationsrechte des Bürgers nunmehr in einem Gesetz vorzufinden. Dies wäre indes nicht der Fall, da eine Vielzahl von Informationsrechten auch danach noch nur in bundes- und landesrechtlichen Spezialregelungen zu finden wäre.

Zum anderen erscheint es sinnvoll, zur Vermeidung von Rechtszersplitterung das Informationsverarbeitungsgesetz (IVG) als bisher eigenständige landesgesetzliche Regelung im Rahmen der nächsten Novelle des BlnDSG in das BlnDSG zu integrieren, soweit ein Fortbestand einzelner Regelungen des IVG erforderlich ist. Das IVG wäre damit als eigenständiges Gesetz überflüssig und es könnte so ein Beitrag zur Übersichtlichkeit und Rechtsklarheit des Datenschutzrechts geleistet werden.

Eine weitergehende Vereinheitlichung der Spezialgesetze ist hingegen nicht angezeigt, da der Forderung nach einem allgemeinen und umfassenden IGB gewichtige Einwände entgegenstehen:

Die grundsätzlich wünschenswerte „Reduzierung der Normenflut" wird mit einem solchen Gesetz nicht zu erreichen sein. Nur wenige Paragraphen des Datenschutz- und Informationsfreiheitsrechts lassen sich zu einem gemeinsamen Allgemeinen Teil zusammenziehen. Selbst wenn man die Intentionen des Datenschutzes und des Informationszugangs als zwei Aspekte einer „gerechten Informationsverteilung" versteht, stehen doch beide Bereiche in einem direkten Spannungsverhältnis.

Auch das Europarecht, das insbesondere über die EG-Datenschutzrichtlinie erhebliche Bedeutung für die Ausgestaltung der nationalen Regelungen erlangt hat, trennt klar zwischen dem Datenschutzrecht einerseits und dem Anspruch auf staatliche Informationen andererseits. Im Interesse der europäischen Rechtsvereinheitlichung erscheint es geboten, dass sich die nationalen Regelungen an dieser Zweiteilung orientieren und sich so die notwendige Flexibilität für künftige Anpassungen bewahren.

Es lassen sich daher nur sehr wenige allgemeine Grundsätze oder Begriffsdefinitionen „vor die Klammer ziehen". Auch ein allgemeines IGB wird zudem dem Anspruch des Bundesverfassungsgerichts genügen müssen, bereichsspezifische Regelungen im Datenschutzrecht zu enthalten, was die Möglichkeit einer einheitlichen Normsetzung für sämtliche Bereiche prinzipiell begrenzt. Mithin würde nur eine formale Reduzierung an Gesetzen erfolgen, die materielle Regelungsdichte jedoch bestehen bleiben.

Ein umfangreicher Allgemeiner Teil für das gesamte Informationsrecht (soweit ein solcher rechtstechnisch überhaupt möglich wäre) würde demgegenüber erforderliche Änderungen deutlich erschweren, da sich jede Modifikation notwendig auf sämtliche Bereiche auswirken müsste, auch wenn europarechtlich nur eine Anpassung in einem begrenzten Bereich bezweckt ist. Struktur und Begrifflichkeit der nationalen Gesetze sollten daher jedenfalls solange nicht auf ein einheitliches System zugeschnitten sein, wie dies auf europäischer Ebene keine Entsprechung findet.

Hinzu kommt, dass lediglich der Bereich des Datenschutzrechts als Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowohl auf Bundes- als auch auf Berliner Landesebene verfassungsrechtlich garantiert ist (Art. 2 Abs. 1 GG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG und Art. VvB) und damit ein höheres Schutzniveau beanspruchen kann. Es entspricht diesem grundsätzlichem Vorrang des Datenschutzrechts, dieses auch rechtstechnisch als eigenständigen Bereich beizubehalten und nicht mit dem Informationsfreiheitsrecht in einem gemeinsamen Gesetz zu regeln.

Bis zum Jahr 2005 ist im Übrigen eine grundsätzliche Überprüfung der EGDatenschutzrichtlinie selbst angekündigt, die weiteren Reformbedarf auch im Bereich der Landesdatenschutzgesetze notwendig machen könnte. Etwaige durch europarechtliche Vorgaben notwendige Anpassungen dürften sich sowohl derzeit als auch zukünftig durch eine Novellierung des Landesdatenschutzgesetzes wesentlich einfacher umsetzen lassen als durch die Überarbeitung eines IGB.

Weiterhin sind auf Bundesebene wichtige Reformen geplant, die mindestens mittelbar Auswirkungen auf das bestehende Landesrecht haben werden. So ist einerseits geplant, über die bereits erfolgten Änderungen des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG) hinaus das Datenschutzrecht in einer sog. zweiten Stufe grundsätzlich zu modernisieren. Andererseits hat die Regierungskoalition angekündigt, noch in dieser Legislaturperiode ein Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene zu verabschieden.

Im Interesse der Systemeinheitlichkeit ist es sinnvoll, mögliche Reformen des Landesrechts sowohl mit diesem Gesetz als auch mit den übrigen Gesetzesänderungen im Datenschutzrecht abzustimmen.

Eine vorherige Modernisierung des Landesrechts wäre ansonsten möglicherweise alsbald wieder hinfällig.

Die Ablehnung der Schaffung eines IGB steht im Einklang mit den übrigen Ländern, die ebenfalls ein Informationsfreiheitsgesetz erlassen haben (Brandenburg, Nordrhein-Westfalen, Schleswig-Holstein). Auf Anfrage bei den Innenministerien wurde bestätigt, dass dort derzeit keinerlei Überlegungen angestellt werden, ein einheitliches IGB zu schaffen. Im Interesse der bewährten Zusammenarbeit und frühzeitigen Koordination im Bereich der Landesgesetzgebung ­ speziell im Bereich des Datenschutzes ­ sollte daher Berlin nicht als einziges Land einen Sonderweg beschreiten. Dies gilt insbesondere unter dem Aspekt einer möglichen Fusion mit dem Land Brandenburg, dessen Innenministerium sich bereits dezidiert gegen die Schaffung eines solchen Gesetzes ausgesprochen hat.

Aus den vorgenannten Gründen lehnt der Senat die Schaffung eines Informationsgesetzbuchs ab.

Wir bitten, den Beschluss damit als erledigt anzusehen.