Zur Ermittlung des Bemessungswasserstandes wird in Niedersachsen und Bremen das deterministische Einzelwertverfahren eingesetzt

Generalplan Küstenschutz Niedersachsen/Bremen, Festland

sungswellenauflauf ergibt sich die Sollhöhe des Deiches. Diese wird von der zuständigen Deichbehörde festgesetzt. Der Bemessungswasserstand stellt ein nach definierten Kriterien festgelegtes Sicherheitsmaß dar. Es gewährleistet einen nach menschlichem Ermessen sicheren Sturmflutschutz.

Zur Ermittlung des Bemessungswasserstandes wird in Niedersachsen und Bremen das deterministische Einzelwertverfahren eingesetzt. In diesem werden vier Einzelwerte addiert, deren Summe eine physikalisch denkbare, aber noch nicht eingetretene Sturmfluthöhe darstellt, um das Zusammenwirken jeweils ungünstiger Faktoren zu berücksichtigen. Dieses Verfahren soll gewährleisten, dass an der gesamten niedersächsischen Nordseeküste ein möglichst gleichwertiger Schutz vor Überflutungen erreicht wird. B. die örtliche Lage, Einflüsse von Baumaßnahmen oder weitere Faktoren die Sturmflutwasserstände beeinflussen können. Es wird die Summe des höchsten bisher eingetretenen Tidehochwasserstandes zuzüglich des zukünftigen säkularen Anstiegs bis zum Berechungszeitpunkt und eines Sicherheitszuschlags für weitere Einflüsse gebildet. Der jeweils höhere Wert der Bemessungsverfahren ist für die Bestimmung der Solldeichhöhe maßgebend. In Abbildung 6-2 ist das Einzelwertverfahren dem Vergleichsverfahren grafisch gegenübergestellt worden.

Die Ermittlung von Bemessungswasserständen für Ästuardeiche erfolgt nicht mit Hilfe des Einzelwertverfahrens, da dabei der Einfluss des Oberwassers nicht berücksichtigt werden kann und Veränderungen der Flusstopographie das Systemverhalten derart verändern können, dass keine homogenen Datensätze vorliegen. Stattdessen werden für Ästuardeiche die Bemessungswasserstände mit Hilfe von hydrodynamischnumerischen Modellen ermittelt. Rahmenbedingungen bilden dabei ein festgelegter Bemessungswasserstand an einem unbeeinflussten Eingangspegel, ein pegelbezogener Oberwasserabfluss und maßgebende Sturmflutereignisse.

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Für die Elbe wird das Verfahren in einer gemeinsam mit Schleswig-Holstein und Hamburg und für die Weser zwischen Niedersachsen und Bremen abgestimmt.

Die Bestimmung des Bemessungswellenauflaufs an Deichen ist abhängig von dem verursachenden Seegang. Bei scharliegenden und gegen die Hauptangriffsrichtung kehrenden Deichen ist unter ungünstigen Verhältnissen ein Wellenauflauf bis zu 3,5 m beobachtet worden. Derzeit werden für weite Teile der niedersächsischen Küste zur Bestimmung des Bemessungsseegangs mathematische Seegangsmodelle angewendet, welche aufgrund von Naturmessungen verifiziert worden sind. Der Bemessungswellenauflauf wird auf der Grundlage eines international anerkannten Berechnungsansatzes ermittelt. Dabei werden der spektrale Charakter des Seeganges, die Wellenangriffsrichtung, die Deichgeometrie und -bauweise über spezielle Parameter und Beiwerte berücksichtigt.

Planung und Bau von Deichen Allgemeines zum Deichprofil

Die Erkenntnisse aus den Sturmfluten von 1962 und 1976 sowie neuere Forschungsergebnisse bilden die Grundlage für eine funktionale und konstruktive Gestaltung der Insel- und Küstenschutzanlagen in Niedersachsen und Bremen.

Die Form des Deichquerschnittes und die Höhe der Deichkrone werden nach den zu erwartenden Beanspruchungen bestimmt, wobei die Qualität des Deichbodens und die Tragfähigkeit des Deichuntergrundes in die Bemessung eingehen.

Auf der Außenberme befindet sich der Treibselabfuhrweg. Auf der Binnenberme wird der Deichverteidigungsweg angelegt. Binnenseitige Deichlängsgräben dienen dazu, das Niederschlags- und Sickerwasser abzuführen sowie die Wassermengen aus möglichen Wellenüberläufen aufnehmen zu können. Außerdem muss die Deichkernentwässerung durch geeignete technische Maßnahmen sichergestellt werden.

Deichüberquerungen, so genannte Deichrampen, werden landseitig durch seitliche Anschüttungen an der Innenböschung angelegt sowie seeseitig weitgehend in die Böschung eingebunden. Als rechtwinklige Verkehrskreuzungen dienen auch Deichscharte, die als massive Bauwerke in den Deichkörper eingeschnitten sind. Als Verschlüsse werden Deichtore oder Dammbalken eingesetzt.

Im Rahmen der Planung von Erhöhungs- und Verstärkungsmaßnahmen an Deichen ist zu entscheiden, ob der Deich nach außendeichs und/ oder nach binnendeichs erweitert wird. Landseitig ist die Grundfläche vielfach durch andere Nutzungen (Strassen, Siedlungen) belegt. Eine binennseitige Deichverstärkung ist deshalb in der Regel sehr aufwändig. Eine nach außendeichs gerichtete Verstärkung überbaut zwar ökologisch wertvolle Salzwiesen, ist aber aus geotechnischen Gründen und wegen des geringeren Massenbedarfs vielfach deutlich wirtschaftlicher.

Seegangs- und Strömungsbeanspruchung

Für die Ausbildung der Deichaußenböschungen ist die Belastung durch Seegang und Wellenauflauf maßgebend. Auch Sturmfluten mit nicht extremen Wasserständen, aber langen Verweilzeiten können die Deiche stark belasten. Längere Verweilzeiten können insbesondere durch eine Kette nacheinander folgender Sturmfluten auftreten.

Heute werden Seedeiche im Bereich der Außenböschung mit einer Mindestneigung von 1:6 und im Bereich der Binnenböschung mit einer Neigung von 1:3 ausgeführt. Bei Ästuardeichen sollen die Außenböschungen nicht steiler als 1:4, bei geringerer Belastung 1:3 und die Binnenböschungen ebenfalls 1:3 geneigt sein. Der zulässige Wellenüberlauf kann bei der Neigung der Binnenböschungen von > 1:3 ohne Gefahr für den Deich abgeführt werden.

Seedeiche werden heute weitestgehend mit einem Sandkern und einer Kleiabdeckung ausgeführt. Die notwendige Stärke der Kleiabdeckung beträgt nach derzeitigem Kenntnisstand für die seeseitige Böschung 1,5 m und für die landseitige Böschung 1 m. An den Ästuardeichen können in Abhängigkeit der örtlichen Verhältnisse die Kleistärken geringer gewählt werden.

Auf die Qualität des Kleis und dessen sorgfältigen Einbau ist zu achten, damit der Deich die erwarteten Belastungen durch Seegang und Strömung aufnehmen kann.

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Bei Deichen, die besonders starken Angriffen der See ausgesetzt sind, werden deren Außenböschungen im notwendigen Umfang durch Deckwerke gesichert.

Deckwerke sind so zu konstruieren, dass keine Beschädigungen durch Wasserüberdruck von innen entstehen können. Alte Deckwerke sind durch Veränderung des Tidehubs besonders gefährdet.

Unstetigkeiten in grünen Deichböschungen wie starke Neigungswechsel oder Einbauten (Pfähle, Bauwerke, Wechsel der Böschungsbefestigung usw.) können bei Wellenangriff zusätzliche Turbulenzen im Auflaufschwall hervorrufen. Dies kann, wie Beispiele bei früheren Sturmfluten gezeigt haben, die Ursache für Schäden sein. Daher sollten Neigungswechsel ausgerundet und starre Einbauten nach Möglichkeit vollständig vermieden werden.

Einfluss der Boden- und Untergrundverhältnisse

Die Auflast des Deichkörpers bewirkt Setzungen, die je nach Untergrundbeschaffenheit erhebliche Ausmaße erreichen können. Der neue Deichkörper selbst sackt zudem infolge seines Eigengewichtes und durch eine langfristige Nachverdichtung des Baumaterials in sich zusammen. Daher muss zur Deichsollhöhe das Setz- und Sackmaß hinzu addiert werden. Ein neu angepasster Deich ist deshalb immer etwas höher als die berechnete Ausbauhöhe.

Bedeutung der Grasnarbe

Ein grüner Deich bietet den Vorteil einfacher, wirtschaftlicher Unterhaltung und Pflege und prägt das Landschaftsbild im Küstengebiet.

Eine geschlossene, gut durchwurzelte Grasnarbe gewährleistet die Erosionsstabilität der Deichoberfläche und trägt so zur Standsicherheit des Deiches bei. Für die Ansaat der Deichoberfläche sind Grassaaten zu wählen, die den Anforderungen hinsichtlich Widerstandskraft gegen zeitweise Trockenheit, Salzverträglichkeit im Hinblick auf kurzzeitige Überflutungen, Regenerationsfähigkeit und Wuchsart sowie -höhe genügen.

Da diese Anforderungen nicht allein von einer Grassorte erfüllt werden, ist auf die Auswahl der richtigen Saatgutmischungen zu achten. Die Pflege der Grasnarbe wird durch die Schafbeweidung und im Einzelfall durch die Mahd sichergestellt. Eine Rinderbeweidung ist keine geeignete Pflege der Grasnarbe.

Belastung der Deiche durch Treibsel Treibsel, auch Teek genannt, besteht überwiegend aus abgestorbenen Pflanzen, die im Sommerhalbjahr auf dem Vorland aufgewachsen sind. Überflutungen der Vorländer sowie Wind und Strömung nehmen im Herbst die Pflanzenreste auf und verdriften sie oft bis an den Deich. Regelmäßig ist Treibsel durch Zivilisationsmüll verunreinigt. Starke Brandung und Eisgang erhöhen die Menge mobilisierbarer Pflanzenbestandteile. Lagert sich Treibsel in dichter Lage auf einer grünen Deichböschung ab, kann die Grasnarbe in kurzer Zeit stark geschädigt werden. In der Folge können Sturmfluten zu Erosionsschäden an der Außenböschung führen. Das Treibselaufkommen sollte deshalb vermindert werden; es ist zeitnah vom Deich zu entfernen.

Die am Hauptdeich anfallende Treibselmenge ist wesentlich vom Sturmflutengeschehen (Stärke und Häufigkeit), aber auch von der Höhe und Breite des Vorlandes, von der Pflege durch Mahd oder Beweidung, vom Vorhandensein von Sommerdeichen und von den Pflanzenarten im Vorland abhängig. Ein hohes Treibselaufkommen tritt insbesondere im Bereich der Ästuare und in Buchten bei Luvlagen auf. Eine Beweidung des Vorlandes trägt zu einer Reduzierung des Treibselanfalls bei.

Treibselabfuhrwege ermöglichen bereits während der Sturmflutsaison die Entfernung des Treibsels vom Deich. Sie sind wesentlicher Bestandteil eines wehrhaften Deiches. Die Lage der Treibselabfuhrwege liegt entsprechend örtlicher Randbedingung bei ca. NN +3,5 m, das sind 1,5 bis 2 m über MThw.

Mehr als die Hälfte der niedersächsischen Hauptdeiche sind heute mit einem Treibselabfuhrweg ausgebaut. Im Land Bremen wurde aufgrund des Treibselanfalls die gesamte Deichstrecke in Bremerhaven mit einem Treibselabfuhrweg ausgestattet. Eine Ausnahme hiervon bildet der Bereich des Überseehafengebietes.

Die Treibselbeseitigung oder -verwertung erfolgt durch Häckseln und Verteilen über die Fläche, Kompostierung, Humifizierung, Verkuhlen oder durch Verbrennen. Für die unterhaltungspflichtigen Deichverbände ist die Treibselbeseitigung ein bedeutender Kostenfaktor.