Sozialhilfe

Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2004 les zuständigen Senatsverwaltung hätte zudem bekannt sein müssen, dass die Umsatzsteuerproblematik auch für die Bezirksämter von Bedeutung war. Erst auf Drängen des Rechnungshofs hin wurden die für die Prüfung und Bezahlung der Unterbringungsrechnungen zuständigen Bezirksämter mit Schreiben vom 8. Oktober 1999 über die finanzielle Tragweite und den Handlungsbedarf im Falle bezirkseigener Unterbringungsverträge mit privaten Wohnheimbetreibern durch das Landesamt für Gesundheit und Soziales umfassend informiert.

Die Senatsverwaltung für Finanzen hat die Bedeutung des Urteils des Bundesfinanzhofs vom 9. Dezember 1993 für die vom Land Berlin als Träger der Sozialhilfe mit Wohnheimbetreibern geschlossenen Verträge verkannt. Nach ihren Angaben war sie davon ausgegangen, dass die Vertragsbeziehungen zu den Wohnheimbetreibern in Berlin anders gestaltet sind als die in Niedersachsen, die Gegenstand des Urteils des Bundesfinanzhofs waren. Nach Auffassung des Rechnungshofs hätte sie dennoch die Sozialbehörden über das Urteil unterrichten müssen. Erst ein Jahr nach Zurückweisung der Revision (T 145) hat die Senatsverwaltung der Oberfinanzdirektion im August 1996 schriftlich bestätigt, dass die Berliner Finanzämter das Urteil des Bundesfinanzhofs anzuwenden hätten.

Der Rechnungshof erwartet, dass das Landesamt für Gesundheit und Soziales noch realisierbare Rückzahlungsansprüche mit Nachdruck verfolgt und dass die Sozial- und Finanzbehörden künftig besser kooperieren, um Schaden von Berlin abzuwenden.

5. Ungerechtfertigte Mehrausgaben durch die Zulassung von Nebentätigkeiten mit dem Ziel einer zusätzlichen Vergütung der Gerichtsmediziner und Sektionsassistenten beim Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin

Das Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin nimmt gerichtlich oder staatsanwaltschaftlich angeordnete Leichenöffnungen (Obduktionen/ Sektionen) vor. Gemäß § 87 Abs. 2 Strafprozessordnung (StPO) wird die Leichenöffnung von zwei Ärzten vorgenommen, von denen einer Gerichtsarzt oder Leiter eines öffentlichen gerichtsmedizinischen oder pathologischen Instituts oder ein von diesem beauftragter Gerichtsmediziner des Instituts sein muss. Beim Landesinstitut für gerichtliche und soziale Medizin werden jeweils zwei Gerichtsmediziner tätig. Dabei übt im Wechsel immer einer die Tätigkeit als Dienstaufgabe (im Hauptamt) aus (I. Obduzent) und der andere im Rahmen einer privaten Nebentätigkeit (II. Obduzent), für die die Justizkasse gemäß §§ 3 und 5 Gesetz über die Entschädigung von Zeugen und Sachverständigen eine Entschädigung zu leisten hat. Die Tätigkeit der Sektionsassistenten für den II. Obduzenten wird seit 1998 eben

Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2004 falls als Nebentätigkeit anerkannt und gesondert bezahlt. Unter Verrechnung mit den an den Landeshaushalt abgeführten Entgelten für die nichtdienstliche Inanspruchnahme von Einrichtungen und Material betrugen die an die Ärzte und Sektionsassistenten wegen ihrer Nebentätigkeit gezahlten Entschädigungen im Haushaltsjahr 2000 per Saldo 177 000 und im Haushaltsjahr 2003 per Saldo 196 000.

Die Trennung der Tätigkeiten als I. und II. Obduzent in Hauptamt und Nebentätigkeit ergibt sich nicht aus der StPO, sondern beruht auf einer Organisationsentscheidung der für Gesundheit zuständigen Senatsverwaltung. Erstmals im Jahr 1996 überprüfte die Senatsverwaltung diese Entscheidung mit dem Ziel, die Wirtschaftlichkeit der Aufgabenwahrnehmung zu erhöhen. Sie kam damals zu dem Ergebnis, dass eine Einbeziehung der Tätigkeit als II. Obduzent in das Hauptamt durch Änderung der Geschäftsverteilung möglich sei, ohne dass zusätzliches Personal eingestellt werden müsse, sodass sich Einsparungen ergäben. Zwar wurde von der Senatsverwaltung im Januar 1997 auf Abteilungsleiterebene zunächst entschieden, die Tätigkeit als II. Obduzent künftig als Dienstaufgabe wahrnehmen zu lassen; diese Entscheidung wurde aber auf Intervention des Leiters des Landesinstituts nicht umgesetzt.

Der Rechnungshof hat die Senatsverwaltung im Ergebnis einer Prüfung aufgefordert, die Tätigkeit der Ärzte des Landesinstituts auch als

II. Obduzenten dem Hauptamt zuzuordnen, um unnötige Ausgaben für den Landeshaushalt zu vermeiden. Die Senatsverwaltung hat entgegnet, dass die zusätzlichen Einnahmen aus der Nebentätigkeit für die Ärzte eine notwendige zusätzliche und leistungsabhängige Motivation für ihre unangenehme Arbeit und damit unverzichtbar seien. Zwar sei keine Wirtschaftlichkeitsberechnung durchgeführt worden, man rechne aber aufgrund neuer Zeitaufschreibungen der Ärzte mit einem Personalmehrbedarf von ein bis zwei Arztstellen für die dann als Dienstaufgabe wahrzunehmende Tätigkeit als II. Obduzent. Dadurch verringere sich der zu erwartende Spareffekt. Sie befürchte außerdem Klagen der Beschäftigten, wodurch der Betriebsfrieden nachhaltig gestört werde. Im Übrigen wolle man geplanten organisatorischen Veränderungen für die rechtsmedizinischen Institute der Länder und der Universitäten in Berlin und Brandenburg nicht vorgreifen.

Die Argumente der Senatsverwaltung überzeugen nicht. Von jedem Bediensteten des Landes Berlin muss verlangt werden, dass er seine Aufgabe - besonders bei der derzeitigen Haushaltslage - auch ohne zusätzliche finanzielle Motivation erfüllt. Die Angaben der Senatsverwaltung zum Personalmehrbedarf sind unsubstantiiert. Zu erwartende organisatorische Änderungen (Fusionen) sind eher ein weiterer Grund, althergebrachte Besserstellungen einzelner Beschäftigtengruppen vorher zu beenden. Vor allem aber sprechen Rechtsgründe für die sofortige Beendigung der Nebentätigkeiten. Die Aufgaben als II. Obduzent werden in unmittelbarem Zusammenhang mit der Dienstaufgabe, d. h. mit dem Hauptamt der Dienstkräfte, wahrgenommen. Gemäß § 3 Nebentätigkeitsverordnung sind aber

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Aufgaben, die für das Land Berlin wahrgenommen werden, grundsätzlich in ein Hauptamt einzuordnen. Sie sollen nicht als Nebentätigkeit zugelassen werden, wenn sie mit dem Hauptamt im Zusammenhang stehen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sind Gegenstand des Hauptamtes solche Aufgaben, die - wie im vorliegenden Fall - bei derselben Verwaltung und innerhalb dieser bei der eigenen Dienststelle wahrzunehmen sind, eine organisatorische Einheit bilden und keinen abgegrenzten Kreis selbstständiger Aufgaben darstellen.

Der Rechnungshof beanstandet, dass die für Gesundheit zuständige Senatsverwaltung über Jahre ungerechtfertigte Mehrausgaben für den Landeshaushalt (Justizkasse) in Kauf genommen hat, indem sie die dem Hauptamt zuzuordnende Tätigkeit der Ärzte des Landesinstituts für gerichtliche und soziale Medizin als II. Obduzent als gesondert vergütete private Nebentätigkeit rechtswidrig genehmigte. Er erwartet, dass diese Tätigkeit unverzüglich dem Hauptamt der Ärzte des Landesinstituts zugeordnet wird.

E. Bildung, Jugend und Sport (einschließlich Familie)

1. Unterlassene Prüfungen der Abrechnungen freier Träger von Kindertagesstätten

Die für Jugend zuständige Senatsverwaltung hat die Förderung der Kindertagesstätten freier Träger durch Zuwendungen beendet und zum 1. Januar 1999 eine leistungsvertragliche Entgeltfinanzierung vereinbart. Sie hat die Abrechnungen der freien Träger über Jahre nicht geprüft, obwohl sie selbst mit Rückzahlungsansprüchen in Millionenhöhe rechnete. Damit hat sie erhebliche finanzielle Nachteile für das Land Berlin in Kauf genommen. Die Umstellung der Finanzierung, verbunden mit einer neu vereinbarten Berechnung der Platzkosten als Bezugsgröße, hat zu einer Ausgabensteigerung von 184 Mio. im Jahr 1998 auf 250 Mio. im Jahr 2003 maßgeblich beigetragen.

Bis Ende 1998 gewährte das Land Berlin freien Trägern von Kindertagesstätten Zuwendungen in Form sog. Platzgeldzuschüsse für den Betrieb ihrer Einrichtungen. Der Förderung lag ursprünglich das Konzept einer paritätischen Drittelfinanzierung durch Kostenbeiträge der Eltern der betreuten Kinder, Eigenmittel der freien Träger und Zuschüsse Berlins zugrunde.