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Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2004

193 Wesentliche Aufgabe der in den städtebaulichen Entwicklungsbereichen bis zum Jahr 2006 beauftragten treuhänderischen Entwicklungsträger (§ 167 Abs. 3 BauGB) ist, Grundstücke in diesen Gebieten zu entwickeln und zum sog. Neuordnungswert an Investoren zu veräußern. Die Erlöse aus den Grundstücksverkäufen fließen dem jeweiligen Treuhandvermögen zu. Der Rechnungshof hat ausführlich über die Situation in den Entwicklungsbereichen berichtet (zuletzt Jahresbericht 2000 T 340 bis 358).

Im September 2001 hat ein treuhänderischer Entwicklungsträger Berlins im Rahmen seiner vertraglich vereinbarten Kernaufgaben ein Grundstück mit einer Fläche von 9 471 m² für 5,6 Mio. an einen privaten Investor veräußert. Der Verkaufserlös wurde noch im Jahr 2001 kassenwirksam. Die Einnahme hat bewirkt, dass der Entwicklungsträger in den Wirtschaftsjahren 2001 und 2002 keine weiteren Kredite zulasten des Treuhandvermögens aufnehmen musste. Inzwischen hat der Investor auf dem Grundstück ein Büro- und Geschäftszentrum errichtet. Es wurde im August 2003 eröffnet.

Das Zustandekommen des Grundstückskaufvertrages und die Realisierung des Bauvorhabens hatte der Investor an die Bedingung geknüpft, dass sich der Entwicklungsträger als Treuhänder Berlins, im Ergebnis also Berlin, vom 1. September 2003 an für 65 Monate vertraglich verpflichtet, als Generalmieter von 8 846 m² Büronutzfläche (ca. 50 v. H. der insgesamt erstellten Nutzfläche) und 104 Tiefgaragenstellplätzen (von insgesamt 587 Einstellplätzen) aufzutreten und dem Investor damit für diesen schwer vermietbaren Teilbereich eine garantierte Mieteinnahme sicherzustellen (Mietgarantie). Der Steuerungsausschuss für diesen Entwicklungsbereich unter dem Vorsitz des damals zuständigen Staatssekretärs der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat den Abschluss eines solchen Generalmietvertrages zulasten des Treuhandvermögens grundsätzlich gebilligt, sofern die entwicklungsrechtlichen und finanziellen Fragen vor Vertragsabschluss einvernehmlich mit seiner Senatsverwaltung geklärt würden. Die Senatsverwaltung hat daraufhin mit der Auflage zugestimmt, dass die angemieteten Flächen vorrangig an Umsetzmieter aus dem Entwicklungsbereich unterzuvermieten sind. Der Generalmietvertrag wurde im Juni 2001 geschlossen. Dadurch hat sich der Entwicklungsträger als Treuhänder Berlins maßgeblich an der Finanzierung und Bewirtschaftung des Projekts des privaten Investors beteiligt.

Nach dem Generalmietvertrag beträgt der monatliche Mietzins für die Büroflächen 10,23 je m² sowie 41 je Einstellplatz, mithin insgesamt 95 000 netto pro Monat oder 6,2 Mio. für die Gesamtlaufzeit von 65 Monaten. Der Mieter hat zusätzlich Zahlungen in Höhe der vom Vermieter in Rechnung gestellten Umsatzsteuer von derzeit 16 v. H. (insgesamt mindestens 992 000) zu leisten, weil der Investor auf die Umsatzsteuerbefreiung für Umsätze aus der Vermietung und Verpachtung verzichtet hat.

Weiterhin hat der Entwicklungsträger nach dem Generalmietvertrag die auf die Mietflächen entfallenden Nebenkosten (zuzüglich Umsatzsteuer) zu tragen. Bei einem Ansatz von 3,00 je m² und Monat - einschließlich Um114

Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2004 satzsteuer - (Erfahrungswert) ist von einer Gesamtbelastung des Treuhandvermögens und damit letztlich Berlins durch den Generalmietvertrag von insgesamt bis zu 8,9 Mio. auszugehen.

Die entwicklungsrechtlich relevante Frage, ob der Entwicklungsträger den Verkauf von Grundstücken dadurch fördern darf, dass er von dem Erwerber Flächen in dem von diesem noch zu errichtenden Gebäude als „Zwischenmieter" anmietet und damit das Treuhandvermögen belastet, hatte die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung bereits im Herbst 2000 gutachtlich klären lassen. Danach ist es dem Entwicklungsträger nach dem BauGB grundsätzlich verwehrt, zulasten des Treuhandvermögens Grundstücke nach deren Veräußerung und Bebauung zu bewirtschaften.

Das Treuhandvermögen darf weder mit den Kosten noch mit den Risiken aus der späteren Bewirtschaftung belastet werden.

Ein solches Engagement wäre nur dann zulässig, wenn es zum Zwecke der Zwischenumsetzung von Entwicklungsbetroffenen (als Ordnungsmaßnahme) vorübergehend notwendig gewesen wäre. Zum Zeitpunkt der Zustimmung zum Abschluss des Generalmietvertrages war der Senatsverwaltung aber bekannt, dass nach den Wirtschaftsplänen des Entwicklungsträgers derartige Ordnungsmaßnahmen nicht geplant waren. Ein Bedarf an Umsetzflächen für von der Entwicklungsmaßnahme Betroffene war somit aus den Planungsunterlagen des Entwicklungsträgers nicht herzuleiten.

Seitdem sind nach Kenntnis des Rechnungshofs im Entwicklungsbereich auch keine Ordnungsmaßnahmen durchgeführt worden, die Umsetzungen zur Folge haben könnten. Der Entwicklungsträger hat die Absicherung der Maßnahme durch die Mietgarantie gegenüber der Senatsverwaltung sowie dem Steuerungsausschuss auch nicht mit vorhandenen Umsetzmietern, sondern vor allem damit begründet, dass er die erkennbare Dynamik am Standort in geringem Maß mit der Vorhaltung von verfügbarer Bürofläche unterstützen und durch die Einnahme aus dem Grundstücksverkauf eine vollständige Deckung der Ausgaben des Treuhandvermögens erreichen wollte. Ferner hat er städtebauliche Gründe genannt, wie z. B. die Aufwertung des Entwicklungsbereichs. Die Auflage an den Entwicklungsträger, die Mietflächen vorrangig für Umsetzmieter zu nutzen (T 194), ging offensichtlich ins Leere.

Nach einer ergänzenden Klarstellung des Gutachters ist die Anmietung der Flächen durch den Entwicklungsträger als geldwerte Nebenvereinbarung zum Grundstücksveräußerungsvertrag anzusehen. Eine solche Nebenvereinbarung, die wirtschaftlich den Veräußerungspreis reduziert, wäre allenfalls in einem angemessenen Rahmen (bis zu 10 v. H. des Grundstücksverkaufserlöses) zulässig gewesen. Wenn das übernommene Risiko jedoch deutlich über diesen Rahmen hinausgehen kann, darf es nicht zulasten des Treuhandvermögens eingegangen werden.

Der Rechnungshof teilt die Auffassung des Gutachters.

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197 Um die finanziellen Auswirkungen des Generalmietvertrages beurteilen zu können, hat der Rechnungshof den vertraglich vereinbarten Ausgaben die voraussichtlichen Einnahmen aus der Weitervermietung gegenübergestellt und dabei auch die Einschätzung des Entwicklungsträgers berücksichtigt:

Der Entwicklungsträger hat den bei Weitervermietung erzielbaren Mietzins Anfang Februar 2001 mit 12,27 je m² (ohne Betriebskosten) angenommen. Ausgehend von einer Auslastung des Objekts von 50 v. H. bereits im Jahr 2003 hat er die Belastung für das Treuhandvermögen für die gesamte Laufzeit des Vertrages auf maximal 1,9 Mio. geschätzt. Dieser Mietzins liege zwar am oberen Rand der im Entwicklungsbereich geforderten Mieten. Er könne durch die attraktive Lage und die hohe Qualität des Bauvorhabens aber dennoch marktfähig sein. In Abwägung aller Risiken und Chancen hat der Entwicklungsträger den Abschluss des Generalmietvertrages zu den genannten Konditionen für vorteilhaft gehalten, obwohl er zu diesem Zeitpunkt hätte wissen müssen, dass der Bedarf an Büroflächen (in Randlage) und das Preisniveau für Gewerbemieten bis zur Fertigstellung rückläufig sein würde. Eine Klausel zur Anpassung des Mietzinses an die Marktlage zum Zeitpunkt der Fertigstellung war dennoch nicht vorgesehen.

Derzeit ist im Entwicklungsbereich nur eine Miete von maximal 10 je m² (einschließlich Betriebskosten) erzielbar, sodass sich gegenüber dem im Generalmietvertrag vorgesehenen Mietzins (etwa 15 einschließlich Betriebskosten; vgl. T 195) - unabhängig vom Vermietungsstand - eine Unterdeckung von etwa 5 je m² und Monat ergibt. Allein hierdurch würde in der Vertragslaufzeit - auch bei vollständiger Vermietung - rechnerisch ein Verlust von 2,9 Mio. entstehen, der den vom Entwicklungsträger prognostizierten Gesamtverlust weit übersteigt. Bisher konnte allerdings der Entwicklungsträger noch keine Untermietverträge schließen. Mit längerfristigem Leerstand und entsprechenden Folgen für die Defizithöhe muss gerechnet werden.

Ferner hat sich der Entwicklungsträger nach dem Generalmietvertrag verpflichtet, sämtliche mit der beabsichtigten Nutzung zusammenhängenden Ausgaben für Einbauten und Änderungen zu tragen. Die Senatsverwaltung hat als voraussichtliche Ausbau- und Änderungskosten für ausschließliche Büronutzung (Zellenbüros) etwa 1 Mio. ermittelt. Beim Umbau der gesamten angemieteten Fläche von 8 846 m² für Arztpraxen würden sogar Ausgaben von etwa 2,6 Mio. zulasten des Treuhandvermögens notwendig sein.

Weiterhin sind nach dem Generalmietvertrag Mehr- oder Minderflächen, die nach der Fertigstellung ermittelt werden, mit dem im Vertrag genannten Mietpreis zu verrechnen. Der Investor hat im August 2003 zwar mit dem Entwicklungsträger vereinbart, dass der Berechnung des Mietzinses vom 3. September 2003 an (erster Fälligkeitstermin) eine Fläche von 8 437,66 m², die um etwa 408 m² geringer ist als die im Generalmietvertrag angegebene Fläche (8 846 m²), sowie (lediglich) 100 Einstellplätze zugrunde gelegt werden sollen. Auch diese Mietfläche beruht aber auf einer Flächenberechnung vor dem Baubeginn.