Die Wohnsitzfinanzämter haben die ihnen übersandten Kontrollmitteilungen unverzüglich auszuwerten
Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2004
230 Vereinbarungen zur Übertragung von Anteilen an Gesellschaften mit beschränkter Haftung (GmbH) sind notariell zu beurkunden. Die mit der Beurkundung solcher Übertragungsvorgänge befassten Notare haben an das für die Besteuerung der Gesellschaft zuständige Finanzamt für Körperschaften eine beglaubigte Abschrift der Urkunde zu übersenden. Kommt aufgrund der Höhe der Beteiligung des Veräußerers an der GmbH eine Besteuerung des Veräußerungsgewinns in Betracht, hat das Finanzamt für Körperschaften das für die Besteuerung des Anteilseigners zuständige Wohnsitzfinanzamt zeitnah über den Anteilsverkauf durch Kontrollmitteilung zu unterrichten.
Die Wohnsitzfinanzämter haben die ihnen übersandten Kontrollmitteilungen unverzüglich auszuwerten. Dabei haben sie insbesondere zu prüfen, ob die Vorauszahlungen zur Einkommensteuer zu erhöhen und Steuererklärungen vorzeitig anzufordern sind.
Der Rechnungshof hat bei den acht überprüften Finanzämtern (zwei Finanzämter für Körperschaften sowie sechs Wohnsitzfinanzämter) teilweise beträchtliche Bearbeitungsunzulänglichkeiten festgestellt.
So haben es die beiden Finanzämter für Körperschaften in 47 der 129 dort betrachteten Veräußerungsfälle versäumt, die Entwicklung der Beteiligungsverhältnisse an den Kapitalgesellschaften zu überwachen und die von den Notaren übersandten Urkundenabschriften zeitnah und vor allem vollständig auszuwerten.
Die sechs Wohnsitzfinanzämter haben 26 der 109 dort geprüften Steuerfälle ebenfalls nicht angemessen bearbeitet. So haben sie es unterlassen, das ihnen zugegangene Kontrollmaterial sach- und zeitgerecht auszuwerten und die für eine zutreffende Ermittlung des Veräußerungsgewinns notwendige Sachverhaltsaufklärung vorzunehmen.
In einem Einzelfall beachtete das Finanzamt die ihm vorliegende Kontrollmitteilung beispielsweise vier Jahre lang nicht. Da zwischenzeitlich die Festsetzungsfrist abgelaufen war, blieb der vom Steuerpflichtigen nicht erklärte Veräußerungsgewinn von 200 000 unversteuert. Dies hat zu Steuerausfällen von annähernd 106 000 geführt. In einem anderen Einzelsachverhalt hat das Verlangen des Finanzamts, ihm bestimmte Verträge vorzulegen, dazu geführt, dass der Steuerpflichtige einen im Vergleich zu den bisherigen Angaben um mehr als 550 000 höheren Veräußerungsgewinn erklärt hat; dies zeigt, welche Bedeutung einer umfassenden Sachverhaltsaufklärung zukommt.
Bei 50 der geprüften 109 Steuerfälle fehlten die von den Finanzämtern für Körperschaften zu versendenden Kontrollmitteilungen. Dennoch konnten bei 25 dieser Veräußerungsfälle, die bei den geprüften Finanzämtern für Körperschaften geführt waren, die Wohnsitzfinanzämter Steuern von 2,6 Mio. festsetzen, da die Steuerpflichtigen die Veräußerungsgewinne bereits von sich aus angegeben hatten. Hieraus kann allerdings nicht geschlossen werden, dass dem Kontrollmitteilungsverfahren in der Praxis
Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2004 wenig Bedeutung beizumessen ist. So konnte bei sieben Steuerfällen erst durch die Übersendung der Kontrollmitteilung der Veräußerungsgewinn besteuert werden, weil es die Steuerpflichtigen unterlassen hatten, entsprechende Angaben in den Steuererklärungen zu machen. Durch die Auswertung der Kontrollmitteilungen konnten Mehrsteuern von knapp 34 000 festgesetzt werden.
Während die Finanzämter für Körperschaften zum Zeitpunkt der Einführung des Kontrollmitteilungsverfahrens aufgrund der damaligen Maßgeblichkeitsgrenze von mehr als 25 v. H. in vergleichsweise nur wenigen Fällen gehalten waren, Kontrollmitteilungen an die Wohnsitzfinanzämter zu versenden, bringt es die vom Veranlagungszeitraum 2002 an auf mindestens 1 v. H. abgesenkte Beteiligungsgrenze mit sich, dass diese Finanzämter nahezu in jedem entgeltlichen Veräußerungsfall die Wohnsitzfinanzämter zu unterrichten haben. Der Rechnungshof hat empfohlen, im Kontrollmitteilungsverfahren, das nunmehr erhebliche personelle Ressourcen bei den Finanzämtern für Körperschaften bindet, den Einsatz von IT zu prüfen.
Der Rechnungshof hat die Senatsverwaltung für Finanzen über das Ergebnis seiner Prüfung unterrichtet und um Mitteilung gebeten, welche Maßnahmen die Steuerverwaltung zur Beseitigung der beschriebenen Unzulänglichkeiten ergreifen will. Eine erste Stellungnahme der Senatsverwaltung liegt vor. Danach haben die Finanzämter begonnen, in den beanstandeten Fällen die Bearbeitungsmängel zu beseitigen. Darüber hinaus hat die Senatsverwaltung zugesagt, die Finanzämter für Körperschaften zu unterstützen.
Der Rechnungshof beanstandet zusammenfassend, dass die betroffenen Finanzämter Gewinne aus der Veräußerung von Anteilen an Kapitalgesellschaften teilweise nicht zutreffend und zeitnah besteuert haben. Dies hat zur Folge, dass dem Fiskus Steuern von 106 000 verloren gegangen und ihm weitere Beträge von mehr als 4,9 Mio. erst verspätet zugeflossen sind. Dies hat zu einem vermeidbaren Zinsnachteil in der Größenordnung von 150 000 geführt.
Der Rechnungshof erwartet, dass die Steuerverwaltung
· Maßnahmen ergreift, die künftig eine zutreffende und rechtzeitige Besteuerung der aus der Veräußerung von Gesellschaftsanteilen resultierenden Gewinne gewährleisten, und
· durch entsprechende IT-Unterstützung den zur Aufgabenerfüllung notwendigen zusätzlichen personellen Ressourceneinsatz auf ein vertretbares Maß beschränkt.
Rechnungshof von Berlin Jahresbericht 2004
2. Unzulängliche Beitreibung insbesondere von Grundsteuerrückständen durch drei Finanzämter
Die Steuerverwaltung hat in den letzten Jahren zwar die Steuerrückstände merklich verringert. Gleichwohl hat die Prüfung von drei Finanzämtern erneut gezeigt, dass nicht alle Möglichkeiten zur Realisierung der Steuerrückstände ausgeschöpft werden.
Dies hat teilweise zum Ausfall von Steuerforderungen, mindestens aber zu vermeidbaren Verzögerungen bei deren Vereinnahmung geführt. Die aufgrund der Feststellungen des Rechnungshofs durch die drei Finanzämter ergriffenen Maßnahmen haben bereits zu einer Minderung der Rückstände um insgesamt 517 000 geführt.
Der Rechnungshof hat sich wiederholt mit der Beitreibung von Steuerrückständen durch die Berliner Finanzämter befasst. Er musste jeweils feststellen, dass die Finanzämter ihre Möglichkeiten, die Steuerrückstände auszugleichen oder zumindest zurückzuführen, nur unzulänglich ausgeschöpft hatten. In den letzten Jahren ist es der Berliner Steuerverwaltung zwar gelungen, sowohl die sog. echten Rückstände (Gesamtrückstände ohne Aussetzungen und ohne Stundungen) als auch die Rückstandsquote, die den Vomhundertsatz der echten Rückstände zum Kassensoll (Summe der in einem Jahr zu leistenden Beträge) darstellt, merklich zu verringern.
Im Bundesvergleich für 2002 nahm Berlin damit nur den 15. Platz der seinerzeit 20 Oberfinanzdirektionen ein. Die beiden anderen Stadtstaaten haben hier deutlich bessere Ergebnisse erzielt. Dies hat den Rechnungshof veranlasst, bei drei Finanzämtern erneut der Frage nachzugehen, ob diese sich mit dem notwendigen Nachdruck bemühen, die Steuerrückstände zurückzuführen.