Befristete Aussetzung der Belegungsbindung im sozialen Wohnungsbau

Der Senat wird aufgefordert, die Belegungsbindungen im sozialen Wohnungsbau befristet auszusetzen und dazu den in § 1 des Gesetzes zur Sicherung der Zweckbestimmungen von Sozialwohnungen (Wohnungsbindungsgesetz - WoBindG) genannten Wohnraum gemäß § 7 Abs. 1 WoBindG in Verbindung mit § 30 des Gesetzes über die soziale Wohnraumförderung (Wohnraumförderungsgesetz ­ WoFG) von den Bindungen des § 4 WoBindG bis zum 31. März 2006 freizustellen.

Eine Ausgleichszahlung wird gemäß § 30 Abs. 3 WoFG nicht erhoben.

Begründung:

Die Freistellung von den Belegungsbindungen ist im öffentlichen Interesse, da sie zur Bildung gemischter Sozialstrukturen in den Sozialwohnungsbeständen und zum notwendigen Abbau des überflüssigen bürokratischen Aufwands bei der Verwaltung der Belegungsbindungen führt.

An bezahlbarem Wohnraum in Berlin besteht zur Zeit kein Mangel; im Gegenteil ist stadtweit ein Leerstand von mehr als 100.000 Wohnungen zu verzeichnen. Durch den Angebotsüberhang und die Wettbewerbssituation zwischen den Vermietern herrscht endlich ein Mietermarkt.

Diese Feststellung haben auch das Oberverwaltungsgericht Berlin und die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung unabhängig voneinander getroffen.

Die nach dem zweiten Weltkrieg bis in die 90iger Jahre des vorigen Jahrhunderts durch ein knappes Wohnraumangebot bei hoher Nachfrage gebotene Zielsetzung der Wohnungspolitik, die Versorgung breiter Schichten der Bevölkerung mit Wohnraum zu angemessenen Bedingungen auch durch ordnungspolitische Maßnahmen sicherstellen zu müssen, besteht inzwischen so nicht mehr. Die Ausgangslage ist heute eine andere:

· Es herrscht kein Mangel an bezahlbaren Wohnungen,

· im Sozialwohnungsbestand sind bereits rund 2/3 der Wohnungen von den Belegungsbindungen freigestellt und

· in bestimmten Bereichen liegen die Sozialmieten teilweise über dem Mittelwert des Mietspiegels.

Nicht selten sind die Mieten im sozialen Wohnungsbau höher als im freifinanzierten Wohnungsbau.

Insbesondere die noch nicht freigestellten Sozialwohnungsbestände entwickeln sich zunehmend zu sozialen Problembereichen. Eine Durchmischung verschiedener sozialer Schichten wird zunehmend schwieriger, Verslummungstendenzen verstärken sich. Im Ergebnis muss diesem schleichenden Prozess letztlich mit hohen Aufwendungen in notwendige soziale und bauliche Reparaturprozesse begegnet werden.

Diese Entwicklung kann nur gestoppt bzw. wieder umgekehrt werden, wenn die soziale Mischung stimmt. Mit dem Wegfall der Belegungsbindung für einen festgelegten und befristeten Zeitraum wird die Chance eröffnet, einseitige Belegungsstrukturen mit einkommensschwachen Haushalten wieder zu korrigieren.

Mit einer geeigneten Erfolgskontrolle kann nach Ablauf dieser Frist festgestellt werden, inwieweit diese Maßnahme den gewünschten Effekt der sozialen Stabilisierung zu Folge hatte und inwieweit die Fortführung dieser Freistellung angezeigt ist.

Mit der Aufhebung der Belegungsbindung im öffentlichen Interesse fällt auch die Ausgleichszahlung ersatzlos weg.

Deren Erhebungsaufwand steht in keinem Verhältnis zum Ertrag.

Mit dem Wegfall der Belegungsbindung entfällt faktisch die Notwendigkeit der Erteilung von Wohnberechtigungsscheinen, die in der Vergangenheit ohnehin nur von einem Drittel der Wohnberechtigungsscheininhaber zur Anmietung einer Wohnung benötigt wurden. So sind im Jahr 2002 insgesamt 58909 Wohnberechtigungsscheine gelöscht worden, davon 41026 ungenutzt allein durch Zeitablauf. Lediglich 15022 Wohnberechtigungsscheine sind für die Überlassung einer Wohnung tatsächlich genutzt worden. Das verdeutlicht, dass in den Bezirken Personalkapazitäten unnötig und ökonomisch unsinnig gebunden sind, die für andere und sinnvolle Aufgaben dringend benötigt werden.

Insofern ist der befristete Wegfall der Belegungsbindung und der Wohnberechtigungsscheinerteilung auch fiskalpolitisch sinnvoll.