Strafverfahrensänderungsgesetz

Durch das Strafverfahrensänderungsgesetz 1999 (§§ 131 a bis 131 c Strafprozessordnung (StPO)) sind die Probleme in rechtlicher Hinsicht im Wesentlichen gelöst. Öffentlichkeitsfahndungen sind regelmäßig vom Richter, die tatsächliche Umsetzung vom Staatsanwalt anzuordnen.

Der Polizeipräsident hat eine Fahndungsseite eingerichtet, die Personen mit Bild und Angaben zur Person und zum Tatgeschehen enthält, die als Straftäter gesucht werden (regelmäßig über einen Zeitraum von drei Monaten), per Haftbefehl gesuchte Täter, die durch operative Fahndung nicht festgenommen werden konnten oder bei denen herkömmliche Fahndungsmaßnahmen ausgeschöpft sind. Diese Veröffentlichungen im Internet müssen geeignet sein, die Suche nach dem Straftäter entscheidend zu fördern.

Das entspricht dem Beschluss des Berliner Abgeordnetenhauses.

Im vergangenen Jahr hatten wir über die Öffentlichkeitsfahndung im Internet im Zusammenhang mit den Krawallen am 1. Mai 2002 und die Zusage der Staatsanwaltschaft berichtet, dass die Bilder der Personen, die sich gestellt haben oder die identifiziert wurden, unverzüglich aus dem Internet herausgenommen werden. Die Aktion war bis Jahresende 2002 befristet.

Nachdem die Polizei uns mitgeteilt hatte, dass die Daten gelöscht seien, haben wir im Internet recherchiert und nicht nur die Bilder selbst, sondern auch die Historie der Bilddateien gefunden. Auch auf den Seiten von Suchmaschinen waren die Bilder noch enthalten. Damit hat sich der von uns immer wieder gegebene Hinweis bestätigt, dass die Veröffentlichung der Fahndungsaufrufe im Internet nicht zuletzt deshalb gegenüber herkömmlichen Fahndungsmethoden erheblich eingriffsintensiver ist, weil diese Bilder nicht mehr vollständig zurückgeholt werden können. Löschungen entfalten nicht zwangsläufig Wirkung.

Bei der Prüfung vor Ort bestätigte sich, dass Mängel bei den technisch-organisatorischen Maßnahmen zur Öffentlichkeitsfahndung im Internet bestanden:

Es existierten keine Vorschriften bzw. Dienstanweisungen darüber, in welcher Art und Weise die Einstellung, Änderung und Löschung von Dokumenten ­ also Texten und Grafiken ­ zu protokollieren und sicherzustellen ist.

Es gab keine Regelungen darüber, ob (und wo) die Dokumente zur Ablage kommen sollen oder nicht.

Es gab keine Verantwortlichen für die Rechte-Vergabe innerhalb des Content-Management-Systems (CMS), über das die Internet-Seiten gepflegt werden.

Es wurden keine Maßnahmen gegen die Archivierung durch Suchmaschinen und Web-Archive getroffen.

Es sind keinerlei Maßnahmen getroffen oder Überlegungen angestellt worden, wie der Senatsbeschluss zur Sicherstellung der Authentizität der eingestellten Fahndungsaufrufe umgesetzt werden kann.

Die Mängel wurden eingeräumt und beseitigt.

Freier Bürger nach Haftentlassung?

Ein Bürger ist nach längerer Haft in Berlin entlassen worden. Etwa zwei Wochen später wurde er in Bayern von der Polizei kontrolliert. Die Beamten erklärten ihm, dass er sich eigentlich noch in Haft befinden müsste, und wollten seinen Entlassungsschein sehen.

Weil er diesen nicht bei sich hatte, konnte die Angelegenheit erst nach längerer Zeit geklärt werden.

Der Bürger war aufgrund einer Meldung des Polizeipräsidenten noch in der Haftdatei bei dem Bundeskriminalamt gespeichert. Die Daten zur Entlassung des Bürgers aus der Justizvollzugsanstalt sind erst nach dem Eingang der Entlassungsmitteilung knapp eine Woche nach der Personenkontrolle in Bayern in die Haftdatei eingestellt worden. Die Polizei hat uns dazu mitgeteilt, dass die Aktualisierung der Haftdatei regelmäßig erst ein bis zwei Wochen nach der Entlassung ­ jedoch immer zeitnah nach Eingang der Mitteilung bei dem Landeskriminalamt ­ erfolgen würde. Dieser Zeitraum ist zu lang. Der Polizeipräsident hat die Senatsverwaltung für Justiz gebeten, darauf hinzuwirken, die Mitteilungen von Haftdaten möglichst taggenau zu versenden.

Entsprechend der Bitte des Polizeipräsidenten hat die Senatsverwaltung für Justiz mit Schreiben vom 2. Juli 2003 die Justizvollzugsanstalten angewiesen, Mitteilungen von Haftdaten möglichst taggenau zu versenden.

Die Polizei teilt hierzu mit, dass sich in der Realität gleichwohl noch Verzögerungen bei der Datenübermittlung durch den Vollzug ergäben. Hinzu komme eine weitere Verzögerung bei der Polizei hinsichtlich der Übermittlung der Haftdaten an die beim Bundeskriminalamt geführte Haftdatei, die durch technische Schwierigkeiten nach Einführung von INPOL-neu bedingt seien. Insgesamt bestehe derzeit ein Rückstand von ca. 3-4 Wochen. Das Ziel, diesen Rückstand abzubauen, werde weiter verfolgt. Eine Verkürzung der Bearbeitungszeiten sei zu erwarten, wenn die Übermittlung der Daten durch die Justizvollzugsanstalten auf elektronischem Weg (Verfahren BASIS-web) erfolge.

Unabhängig davon werden die Justizvollzugsanstalten angewiesen, behebbare Mängel bei der Datenübermittlung umgehend abzustellen.

Kriminalitätsschwerpunkt ISVB:

Dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit steht nach dem Berliner Datenschutzgesetz das Recht zu, einen Strafantrag wegen Verstoßes gegen das Datenschutzgesetz zu stellen, wenn dies im öffentlichen Interesse geboten ist. Die Staatsanwaltschaft übersendet uns die Fälle mit der Bitte um Prüfung, ob ein Strafantrag von Amts wegen gestellt werden soll, wenn der für die Verfolgung erforderliche Strafantrag nicht gestellt worden ist.

In den vergangenen Jahren hat sich die Zahl der von uns gestellten Strafanträge ständig erhöht. Festzustellen

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats ist dabei, dass fast alle uns vorgelegten Fälle unbefugte Abfragen aus dem ISVB durch Mitarbeiter des Polizeipräsidenten betreffen. Teilweise erfolgten diese Abfragen nur ein- oder zweimal zu privaten Zwecken, teilweise bestanden auch Verbindungen zum Bereich der organisierten Kriminalität. Im ISVB getätigte Abrufe werden bei der Polizei protokolliert und sind bis zu einem Zeitraum von zwei Jahren überprüfbar. Allerdings ist die Protokollierung nicht geeignet, den Nachweis des unbefugten Abrufes zu erleichtern, denn der Abfragegrund wird nicht mit protokolliert. Er muss im Einzelfall im Nachhinein ermittelt werden.

Da wir uns über den Ausgang der Verfahren unterrichten lassen, in denen wir Strafantrag von Amts wegen gestellt haben, haben wir Kenntnis von einem Urteil73 erhalten, in dem ein Polizeimitarbeiter zu einer Geldstrafe von 100 Tagessätzen verurteilt worden ist, weil er sechsmal unbefugt Daten einer Person im ISVB abgefragt hatte. Bemerkenswert an dem Urteil ist der Hinweis des Richters, dass offenbar bei der Berliner Polizei in nicht geringem Umfang bei den ISVBAbfragen gegen das Berliner Datenschutzgesetz verstoßen wird. Der Richter stellt fest, dass angesichts der vermehrt auftretenden Fälle darauf geschlossen werden könne, dass die nötigen Kontrollmaßnahmen nicht in angemessenem Umfang durchgeführt werden.

Wir werden den Polizeipräsidenten erneut auffordern, dass Protokollierungsverfahren aus datenschutzrechtlicher Sicht zu verbessern.

Wie der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit zu Recht unter 2.2 des Jahresberichts 2003 erwähnt, soll das ISVB (Informationssystem Verbrechensbekämpfung) voraussichtlich Ende 2004 durch das neue DV-Verfahren POLIKS abgelöst werden. Aus diesem Grund wird es von der Senatsverwaltung für Inneres und der Polizei nicht für vertretbar gehalten, die über 20 Jahre alte ISVB-Software noch mit finanziellem Aufwand hinsichtlich des Protokollierungsverfahrens umprogrammieren zu lassen.

Verfassungsschutz:

Die Senatsverwaltung für Inneres hat ein Gesetz zur Änderung des Gesetzes zur Ausführung des Gesetzes zu Artikel 10 Grundgesetz und zur Änderung des Verfassungsschutzgesetzes Berlin vorgelegt. Mit diesem Gesetz setzt auch das Land Berlin das Terrorismusbekämpfungsgesetz vom 9. Januar 2002 um, mit dem nach dem 11. September 2001 das Bundesverfassungsschutzgesetz geändert worden war. Neben klarstellenden Regelungen enthält das Berliner Gesetz Befugniserweiterungen für die Verfassungsschutzbehörde in Anknüpfung an die Regelungen des Bundesverfassungsschutzgesetzes. So werden Datenerhebungsbefugnisse der Verfassungsschutzbehörde bei Kreditinstituten, Finanzdienstleistungsinstituten und Finanzunternehmen geregelt.