Rechtswirklichkeit der Telefonüberwachung in Deutschland

Sie bat uns, die Zulässigkeit einer solchen Offenbarung des Inhaltes der Zustellung zu prüfen.

Der Direktor des für den Gerichtsvollzieher zuständigen Amtsgerichts teilte uns daraufhin mit, dass eine derartige Kennzeichnung des benutzten Briefumschlages nicht zulässig und der Gerichtsvollzieher hierüber auch in Kenntnis gesetzt worden sei. Wir hoffen, dass es sich bei dieser Form der Zustellung nur um einen Einzelfall gehandelt hat.

Rechtswirklichkeit der Telefonüberwachung in Deutschland:

Die Überwachung von Telefonanschlüssen in Deutschland nimmt weiter drastisch zu. Die Zahl der Ermittlungsverfahren, in denen TKÜ-Anordnungen erfolgten, hat sich im Zeitraum von 1996 bis 2001 um 80 % erhöht; die Gesamtzahl der TKÜ-Anordnungen pro Jahr im Zeitraum von 1990 bis 2000 ist um das Sechsfache auf 15.741 gestiegen. Dabei wurden in 21 % der Anordnungen zwischen 1.000 und 5.000 Gespräche, in 8 % der Anordnungen sogar mehr als 5.000 Gespräche abgehört. Zudem werden richterliche Anordnungen einer Überwachungsmaßnahme in vielen Fällen nur allgemein und ohne hinreichenden Einzelfallbezug begründet. Die gesetzliche Pflicht, die Betroffenen nachträglich zu informieren, wird nur in einer geringen Zahl von Fällen befolgt. Zu diesen Ergebnissen kommt ein im Auftrag des Bundesministeriums für Justiz erstelltes Gutachten des Max-Planck-Instituts für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, das im Mai 2003 vorgelegt wurde. Die erheblichen Defizite bei der richterlichen Kontrolle werden auch durch eine Studie der Rechtsprofessoren Backes und Gusy von der Universität Bielefeld belegt, der zufolge nur ein Viertel der untersuchten Telefonüberwachungen entsprechend den Verfahrensvorschriften angeordnet wurde.

Die Konferenz der Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hat in einer Entschließung den Anstieg der Zahl der Verfahren, in denen Telefonüberwachungen angeordnet werden, äußerst kritisch bewertet und darauf hingewiesen, dass damit gravierende Eingriffe in das Persönlichkeitsrecht der Betroffenen, zu denen auch unbeteiligte Dritte gehören, verbunden sind. Telefonüberwachungen müssen daher ultima ratio bleiben. Wir hoffen, dass die Bundesregierung aus den Gutachten die erforderlichen Konsequenzen zieht und zügig Maßnahmen zur Beseitigung der strukturellen Mängel ergreift.

Zu den angesprochenen Fragen haben die zuständigen Senatsverwaltungen in den letzten Monaten im Rahmen der Beratung der Anträge der FDP-Fraktion im Abgeordnetenhaus Drs. 15/1679 und 15/1680 ausführlich Stellung genommen.

Die in dem Bericht aufgeführten Zahlen lassen nicht ohne weiteres den Schluss zu, dass die Telefonüberwachung in den letzten Jahren bundesweit stark zugenommen habe. Das unbestritten erhebliche Anwachsen der Anzahl der Betroffenen und der veranlassten Einzelmaßnahmen im Rahmen von Telekommunikationsüberwachungen ist in den letzten Jahren wesentlich darauf zurückzuführen, dass - gerade im Bereich der organisierten Kriminalität - Verdächtige in der Regel über mehrere Mobiltelefone gleichzeitig verfügen oder Telefone anderer Personen benutzen. Hinzu kommt, dass die Polizei durch technische Neuerungen zunehmend in die Lage versetzt worden ist, mehrere parallele Überwachungen mit den zur Verfügung stehenden Geräten durchzuführen, so dass die richterlichen Beschlüsse vollständig umgesetzt werden konnten. Zudem ist darauf hinzuweisen, dass Berlin im bundesdeutschen Städtevergleich mit Bremen / Bremerhaven, Frankfurt/M, Hamburg, Köln, München und Stuttgart bei der Anzahl der Betroffenen seit Jahren die mit Abstand geringsten Zahlen aufweist.

Hinsichtlich der Benachrichtigung der Beteiligten im Sinne des § 101 StPO, die den zitierten Studien zufolge bundesweit in der Vergangenheit nicht zufriedenstellend durchgeführt worden ist, hat der Generalstaatsanwalt bei dem Landgericht im Jahr 2003 angeordnet, eine verstärkte Kontrolle der praktischen Umsetzung mittels gesonderter Erledigungsvermerke und Kontrollvorlagen durchzuführen. Damit ist für den Bereich der Staatsanwaltschaft Berlin eine wirksame und nachvollziehbare Überprüfung der Einhaltung der Vorgaben des § 101 StPO sichergestellt. „Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation nach den §§ 100 a, 100 b StPO und anderer verdeckter Ermittlungsmaßnahmen"

Backes, Otto; Gusy, Christoph u. a.: Wirksamkeitsbedingungen von Richtervorbehalten bei Telefonüberwachungen. Universität Bielefeld, Dezember 2002

Entschließung der 66. Konferenz vom 25./26. September 2003 „Konsequenzen aus der Untersuchung des Max-PlanckInstituts über Rechtswirklichkeit und Effizienz der Überwachung der Telekommunikation", vgl. Anlagenband „Dokumente zu Datenschutz und Informationsfreiheit 2003", S. 40

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats des § 101 StPO sichergestellt.

Im Übrigen wird darauf hingewiesen, dass nach Auskunft des Bundesministeriums der Justiz von diesem eine umfassende Reform der Vorschriften über die Telekommunikationsüberwachung - auch vor dem Hintergrund der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 3. März 2004 zur akustischen Wohnraumüberwachung - geplant ist und noch in dieser Legislaturperiode abgeschlossen werden soll.

Finanzen Datenschutz in der Abgabenordnung:

Im Herbst dieses Jahres hat erneut die gemeinsame Arbeitsgruppe mit Mitgliedern des Bundesfinanzministeriums, der Länderfinanzverwaltungen und der Datenschutzbeauftragten getagt, um über die Aufnahme datenschutzrechtlicher Vorschriften in die Abgabenordnung zu beraten. Es bestand Einigkeit darüber, dass so schnell wie möglich versucht werden soll, diejenigen Regelungen in ein Gesetzgebungsverfahren aufzunehmen, bei denen zwischen den Arbeitsgruppenmitgliedern bereits Einvernehmen erzielt worden ist. Bei anderen von den Arbeitsgruppenmitgliedern als erforderlich angesehenen Regelungen bedarf es noch verfassungsrechtlicher Prüfungen der Gesetzgebungskompetenz, die im Steuerbereich aus historischen Gründen nur für die verfahrensrechtlichen Regelungen, nicht jedoch für organisatorische Regelungen bei dem Bundesgesetzgeber liegen.

Steueränderungsgesetz 2003:

Das Steueränderungsgesetz 2003: schafft die gesetzlichen Grundlagen für die Einführung der elektronischen Lohnsteuerkarte und damit eines vereinfachten Lohnsteuerabzugsverfahrens (§ 41 b EStG-E). Bei diesem Verfahren übermittelt der Arbeitgeber erstmals elektronisch die Daten der bisherigen Lohnsteuerkarte an die Finanzverwaltung. Dadurch wird der Erfassungsaufwand des Finanzamtes verringert. Zum Zwecke der Datenübertragung erhält jeder Steuerpflichtige ein Ordnungsmerkmal, das nach einer amtlichen Vergabe aus dem Namen, Vornamen und Geburtsdatum gebildet wird. Das Ordnungsmerkmal darf nur für Zwecke des Besteuerungsverfahrens gebildet oder verarbeitet werden. Die Datenschutzbeauftragten haben kritisiert, dass bei der Bildung des Ordnungsmerkmals (E-Tin) eine Mehrfachvergabe nicht hingenommen werden kann. Bei der hier vorgesehenen Bildung des Ordnungsmerkmals nimmt das Bundesfinanzministerium ein wenn auch geringes Restrisiko an Mehrfachvergabe von etwa 0,053 % hin. Abhilfe könnte hier ein weiteres Ordnungsmerkmal schaffen, das bei der Bildung der E-Tin hinzukommen könnte. Nach § 139 a soll das Bundesamt für Finanzen jedem Steuerpflichtigen für Zwecke seiner eindeutigen Identifizierung im Besteuerungsverfahren ein einheitliches dauerhaftes Merkmal zuteilen. Die Zuteilung des Identifikationsmerkmals soll dem Steuerpflichtigen unverzüglich mitgeteilt werden.

Das Bundesamt für Finanzen soll zu den natürlichen Personen die Identifikations- und gegebenenfalls auch die Wirtschaftsidentifikationsnummer, die personenbezogenen Daten wie den vollständigen Namen, Titel, Geburtsort und Geburtsdatum sowie Geschlecht, gegenwärtige und letzte bekannte Anschrift, Sterbetag und die zuständigen Finanzämter speichern. Die Meldebehörden sollen dem Bundesamt für Finanzen in Zukunft für jeden Bürger mit Hauptwohnsitz die entsprechenden Daten aus dem Melderegister melden. Die Mitteilung erfolgt schon bei der ersten Speicherung der Daten im Melderegister nach der Geburt eines Menschen. Es ist vorgesehen, dass durch eine Änderung des Melderechtsrahmengesetzes die Meldebehörden in Zukunft für Zwecke der eindeutigen Identifizierung des Einwohners im Besteuerungsverfahren die Identifikationsnummer im Melderegister speichern müssen.

Die Speicherung der Identifikationsmerkmale beim Bundesamt für Finanzen führt dazu, dass das Bundesamt für Finanzen ein vollständiges Register aller Einwohner der Bundesrepublik Deutschland erhält. Bei der Frage, wer steuerpflichtig ist, wird in der Begründung zu den Gesetzesvorschlägen darauf hingewiesen, dass es nur darauf ankommt, dass eine Steuerpflicht besteht, nicht aber, dass eine Steuer tatsächlich geschuldet wird.

Deshalb sollen auch schon Neugeborene in der Datei gespeichert werden. Die Datenschutzbeauftragten haben ein zentrales Melderegister immer abgelehnt. Die Einführung eines zentralen Melderegisters durch die Hintertür kann daran nichts ändern. Die mit einem zentralen Register verbundenen Risiken sind weitaus höher als bei regional geführten Registern.

Selbst wenn ein zentrales Register für den Steuerbereich erforderlich sein sollte, ist eine Speicherung bereits Neugeborener, d. h. aller Kinder ohne eine konkrete Steuerpflicht dieser Kinder, nicht erforderlich und damit unverhältnismäßig. Eine automatische Übermittlung der Meldedaten an das Bundesamt für Finanzen durch die Meldebehörden ist aus diesem Grund aus datenschutzrechtlicher Sicht ebenfalls nicht erforderlich.

Die im Gesetzentwurf vorgesehene Speicherung der steuerlichen Identifikationsnummer im Melderegister dient nicht der Aufgabenerfüllung der Meldebehörden.

Da die im Melderegister aufgeführten personenbezogenen Daten von bestimmten öffentlichen Stellen auch