IFG im Strafvollzug

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats der Durchsetzung seines Akteneinsichtsanspruchs.

Das IFG verzichtet wie auch andere Bestimmungen zum Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen auf deren begriffliche Definition. Gleichwohl hat sich in der Literatur und Rechtsprechung eine einheitliche Auffassung entwickelt, welche Kriterien erfüllt sein müssen, um vom Vorliegen eines solchen Geheimnisses ausgehen zu können. Danach ist ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis jede Tatsache,

- die im Zusammenhang mit einem wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb steht,

- die nicht offenkundig, d. h. nur einem begrenzten Personenkreis bekannt ist,

- die nach dem (ausdrücklichen oder konkludenten) Willen des Unternehmers geheim gehalten werden soll und

- an deren Geheimhaltung ein berechtigtes wirtschaftliches Interesse besteht.

Insbesondere das letzte Tatbestandsmerkmal ist für die Feststellung, ob ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis vorliegt, ausschlaggebend. Soweit die Offenbarung von Informationen, die zwar nicht offenkundig sind, einen wirtschaftlichen Nachteil oder Schaden nicht nach sich ziehen würde, liegt ein Betriebs- oder Geschäftsgeheimnis nicht vor.

Im konkreten Fall, der Herausgabe der Angebotsunterlagen der Installationsfirma, bedeutete dies, dass zwar die Beträge zu den einzelnen Positionen des Angebots nicht offenbart werden durften, da Konkurrenten daraus Rückschlüsse auf die Geschäftsführung des Anbietenden hätten ziehen können. Die Gesamtsumme des Angebots musste dem Petenten jedoch mitgeteilt werden. Die Humboldt-Universität hat sich unserer Auffassung angeschlossen und dem Petenten die Unterlagen dementsprechend zur Verfügung gestellt.

Behördliche Genehmigung und Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse Öffentlich geförderte Pflegeheime, die ihre investiven Aufwendungen wie z. B. Renovierungskosten auf die Bewohner umlegen wollen, bedürfen hierfür einer Genehmigung durch die zuständige Sozialbehörde. Ein Petent hatte bei der Senatsverwaltung für Gesundheit, Soziales und Verbraucherschutz Einblick in die Unterlagen zur Genehmigung der gesonderten Erhebung von Entgelt für solche Aufwendungen gegenüber einer privaten Pflegeheim GmbH beantragt. Dem wurde nach unserer Einschaltung beschränkt stattgegeben, die Offenbarung der einzelnen Beträge der betriebsnotwendigen Aufwendungen (bauliche Erhaltung, Mietzins für die Räumlichkeiten) mit dem Hinweis, dass es sich hierbei um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse

§ 17 Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG), § 30 Abgabenordnung, § 30 VwVfG, § 8 Umweltinformationsgesetz (UIG)

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats im Sinne von § 7 IFG handele, aber abgelehnt.

Entgegen der Auffassung der Senatsverwaltung kamen wir zu dem Schluss, dass die Beträge keine Wettbewerbsrelevanz haben, da aus ihnen auf die Geschäftsführung der GmbH nicht geschlossen werden kann. Die Offenlegung der Aufwendungen bot keinen Einblick in Bilanzen und Planungen der Einrichtungen, da wesentliche Bereiche der Geschäftsführung wie Personalkosten oder Ausgaben für den täglichen und Geschäftsbedarf hiervon nicht betroffen waren. Auch handelte es sich nicht um Kalkulationen des Leistungsträgers, sondern vielmehr um tatsächlich angefallene und somit ihrem Grunde nach nachvollziehbare Aufwendungen, deren Summe betriebswirtschaftliche Hintergründe nicht offen legt. Da diese Kosten auf die Bewohner umgelegt werden sollen, haben sie auch keine Aussagekraft hinsichtlich etwaiger Gewinne des Unternehmens.

Die in Rede stehenden Angaben waren überdies Grundlage einer staatlichen Entscheidung, deren Nutznießer der Leistungsträger selbst ist, da die Zustimmung der Sozialverwaltung ihn unmittelbar berechtigt, die Aufwendungen auf die Bewohner umzulegen. Die Zustimmung belastete überdies auch ­ zumindest mittelbar ­ die Heimbewohner. Schon aus diesem Grunde konnte ein berechtigtes Interesse an der Geheimhaltung der Kosten dieser Aufwendungen nicht vorliegen.

Ein weiterer Aspekt unterstützt diese Rechtsauffassung: Auch in herkömmlichen Mietverhältnissen ist der Vermieter verpflichtet, seine Aufwendungen, die für die Betriebskosten oder für Umlagen von Modernisierungen von Belang sind, offen zu legen. Gerade bei den der Genehmigung zugrunde liegenden Aufwendungen sind die Parallelen zum Mietrecht augenscheinlich.

IFG im Strafvollzug:

Die Redaktion der Gefangenenzeitschrift „Der Lichtblick" und die Gesamtinsassenvertretung der Justizvollzugsanstalt (JVA) Tegel hatten bereits vor geraumer Zeit Einsicht in die Vertragsunterlagen der JVA mit dem Betreiber der JVA-Telefonanlage beantragt, die den Gefangenen auch für Telefonate nach außen zur Verfügung steht. Die JVA lehnte unter beträchtlichem Zeitverzug die Anträge zunächst mit dem Argument ab, bei den Antragstellern handele es sich weder um eine natürliche noch um eine juristische Person, das IFG könne daher im Hinblick auf § 3 Abs. 1 nicht als Anspruchsgrundlage herangezogen werden. Überdies stelle der Vertrag insgesamt ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis des Telefonanbieters dar. Schließlich gelte für die Akteneinsicht im Strafvollzug allein § 185 StVollzG.

Nach § 3 Abs. 1 IFG hat jeder Mensch einen Einsichtsoder Auskunftsanspruch. Ausdrücklich festgehalten ist, dass dieses Recht auch von juristischen Personen geltend gemacht werden kann. Der Rückschluss der JVA, dass damit nicht-rechtsfähige Personenvereinigungen vom IFG keinen Gebrauch machen können, geht fehl.

Das IFG will ausweislich seiner Begründung erstmals

Nach umfangreichem Schriftwechsel mit der Justizvollzugsanstalt Tegel hat sich der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit an die Senatsverwaltung für Justiz gewandt und um Überprüfung im Wege der Fachaufsicht gebeten. Nach Prüfung der Rechtslage ist die Senatsverwaltung für Justiz zu dem Ergebnis gelangt, dass trotz einiger Bearbeitungsmängel die Rechtsauffassung der Justizvollzugsanstalt Tegel nicht zu beanstanden ist. Mit Schreiben vom 17. Februar 2004 teilte die Senatsverwaltung für Justiz dem Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit deshalb mit, dass lediglich Verstöße gegen die Vorschriften zur Bearbeitungsdauer und zum Umfang der Begründung (§ 15 Abs. 3 IFG) zu beanstanden sind und die Justizvollzugsanstalt Tegel im Übrigen ganz überwiegend von rechtlich zutreffenden Erwägungen ausgegangen sei, so dass die von der Justizvollzugsanstalt Tegel erlassenen Bescheide im Ergebnis nicht zu beanstanden wären. Hierbei hat die Senatsverwaltung für Justiz ausführlich zu der Rechtsauffassung des Berliner Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellung genommen und ihre gegenteilige Rechtsauffassung begründet.

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats

Das IFG will ausweislich seiner Begründung erstmals einen umfassenden Anspruch auf Akteneinsicht in allen Verwaltungsbereichen schaffen. Dieser umfassende Informationsanspruch kann nicht dadurch verengt werden, dass auf die Organisationsform der Antragsteller abgestellt wird. Die ausdrückliche Nennung juristischer Personen soll vielmehr den Kreis der Anspruchsberechtigten erweitern und nicht einengen. Wir wiesen die JVA überdies darauf hin, dass der Antrag ohne weiteres auch von einer natürlichen Person hätte gestellt werden können, was im Nachgang zur Ablehnung durch einen einzelnen Gefangenen tatsächlich auch geschehen ist.

Auch ein pauschaler Verweis auf das Vorliegen von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen im Vertrag der JVA mit dem Telekommunikationsanbieter ist unzulässig. Betriebs- und Geschäftgeheimnisse müssen im Einzelnen als solche spezifiziert sein, ein Verweis darauf, dass der Vertrag solche enthält, ist nicht ausreichend. Überdies sieht § 12 IFG eine beschränkte Akteneinsicht vor, wenn im Einzelnen Ausschlusstatbestände der Akteneinsicht bestehen.

Daraufhin teilte der Berliner Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit mit Schreiben vom 11. März 2004 mit, dass er die Rechtsauffassung der Senatsverwaltung für Justiz nicht teile und die Angelegenheit zu gegebener Zeit dem Unterausschuss "Datenschutz und Informationsfreiheit" des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung im Abgeordnetenhaus von Berlin vortragen werde.

Da es in dieser Grundsatzangelegenheit ganz offensichtlich unterschiedliche Rechtsauffassungen gibt, bleibt das Ergebnis der Erörterungen im Unterausschuss "Datenschutz und Informationsfreiheit" des Ausschusses für Inneres, Sicherheit und Ordnung im Abgeordnetenhaus von Berlin abzuwarten.

Im Übrigen ist die Justizvollzugsanstalt Tegel mit Schreiben vom 17. Februar 2004 von der Senatsverwaltung für Justiz gebeten worden, bei künftigen Anträgen nach dem Berliner Informationsfreiheitsgesetz die gesetzlich vorgesehenen Bearbeitungsfristen zu beachten und erforderlichenfalls zu begründen, warum keine beschränkte Akteneinsicht oder -auskunft in Betracht komme.

§ 185 StVollzG hat keinerlei Auswirkung auf die Anwendbarkeit des IFG, da diese Bestimmung ein allgemeines Akteneinsichtsrecht nicht regelt. Sie ist vielmehr Bestandteil der Regelungen zum Datenschutz in Justizvollzugsanstalten und sichert das informationelle Selbstbestimmungsrecht der Gefangenen hinsichtlich ihrer Personalakten. Ein weiter gehender Regelungsgehalt ist ihr nicht zu entnehmen. Insbesondere stellt § 185 StVollzG kein abschließendes Akteneinsichtsrecht hinsichtlich der von der Justizvollzugsanstalt geführten Akten dar.

Verstoßen wurde darüber hinaus gegen § 15 Abs. 2 und 3 IFG, wonach der Antragsteller über den Inhalt der vorenthaltenen Akte zu informieren ist und auch begründet werden muss, weshalb keine beschränkte Akteneinsicht oder Aktenauskunft nach § 12 IFG erteilt werden kann. Eine formelhafte Wiederholung des Gesetzestextes ist ebenso unzureichend.

Eine vollständige Ablehnung des Akteneinsichtsantrages war schon deshalb unzulässig, weil die Bescheide erst Monate nach Antragstellung ergangen sind, nach § 15 Abs. 5 IFG die Ablehnung des Akteneinsichtsantrages aber innerhalb von zwei Wochen zu erfolgen hat.

Nach Ablauf dieser Frist können nur noch schutzwürdige Interessen Dritter (personenbezogene Daten, Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse) als Ablehnungsgründe herangezogen werden.

Trotz der von uns mehrfach gegebenen Hinweise zur rechtmäßigen Auslegung des IFG hält die JVA Tegel an ihrer Ablehnung der Akteneinsichtsanträge fest ­ im Übrigen auch in den Fällen, bei denen einzelne Gefangene einen solchen Antrag gestellt hatten. Wir haben dies beanstandet.