Schadensersatzforderungen

Alle vier deutschen Informationsbeauftragten sind derzeit mit einer Eingabe der Bundesverbraucherzentrale befasst. Sie hatte bei den Landeseichbehörden der Länder mit IFG um Auskunft zu konkreten Beanstandungsfällen bei einer systematischen Unterfüllung von Verpackungen gebeten, da aus der veröffentlichten Füllmengenkontrollstatistik nicht erkennbar ist, welche Unternehmen regelmäßig die auf der Verpackung aufgedruckte Menge unterschreiten.

Die Berliner Landeseichbehörde hatte zunächst darauf verwiesen, dass es sich bei diesen Angaben um Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse der Unternehmen handeln würde, deren Bekanntwerden zu einer Kaufzurückhaltung führen würde. Unbestritten ist, dass Letzteres der Fall sein könnte. Zur Auslegung der Betriebsund Geschäftsgeheimnisse kann diese Argumentation jedoch nicht dienen. Es ist zunächst jedem Verbraucher überlassen, selbst nachzuprüfen, ob die Füllmenge den Angaben auf der Verpackung entspricht ­ mithin kann von einer Geheimheit nicht gesprochen werden. Überdies kann von einem berechtigten Geheimhaltungsinteresse nicht gesprochen werden, wenn ein Unternehmen systematisch weniger in seine Tüten packt, als auf der Verpackung angegeben. Das IFG stellt daher auch in § 7 Satz 2 klar, dass der Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen dann endet, wenn tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer strafbaren Handlung gegeben sind. Bei einer systematischen Unterfüllung wird man davon ausgehen können, dass ein Unternehmen Betrug am Verbraucher begeht.

Vor dem Verwaltungsgericht Berlin (VG) ist zur Zeit eine Klage gegen das Land Berlin, vertreten durch das Landesamt für das Mess- und Eichwesen (LME), anhängig. Die Klägerin, der Bundesverband der Verbraucherzentralen und VerbraucherverbändeVerbraucherzentrale Bundesverband e.V. (vzbv), begehrt Auskunft in allen Fällen, bei denen das LME Beanstandungen wegen Unterfüllung vorgenommen hat.

Das LME verweigert das Auskunftsbegehren und beruft sich dabei im wesentlichen auf § 1 IFG, wonach lediglich die Kontrolle staatlichen Handelns ermöglicht werden soll. Der vzbv verlangt „praktisch" die Erstellung einer „schwarzen Liste" über die Firmen, bei denen gegen Mitarbeiter ermittelt wird. Dies sei nach dem IFG nicht zulässig. Nach Auffassung des LME besteht nach § 7 IFG (Schutz von Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen) kein Akteneinsichts- oder Aktenauskunftsrecht, wenn durch die Offenbarung ein nicht nur unwesentlicher wirtschaftlicher Schaden entstehen kann.

Die Zurückhaltung der Landeseichbehörden kann möglicherweise darauf zurückzuführen sein, dass sie Schadensersatzforderungen fürchten, wie sie im Fall Birkel auf das Land Baden-Württemberg zugekommen waren, das wegen einer unberechtigten Warnung zu einem erheblichen Schadensersatz verurteilt wurde. Ob die Weigerung der Akteneinsicht vor diesem Hintergrund aber auch im Hinblick auf die gesetzlichen Vorgaben des IFG Bestand haben wird, wird der Ausgang eines anhängigen Gerichtsverfahrens zeigen.

Die Rechtmäßigkeit der Auskunftsverweigerung durch das LME wird sich aus der Entscheidung des VG ergeben.

Landeseigene Privatunternehmen:

Zwei Eingaben befassten sich mit Akteneinsichtsanträgen gegenüber landeseigenen Unternehmen, die als GmbH tätig sind. Beide Male wurde der Antrag mit der Begründung abgelehnt, dass die Unternehmen, obwohl sie im alleinigen Eigentum des Landes stehen und im weitesten Sinne öffentliche Aufgaben wahrnehmen, dem Anwendungsbereich des IFG nicht unterfallen.

Zu unserem Bedauern mussten wir beiden Petenten mitteilen, dass die Ablehnung ihres Einsichtsbegehrens zu Recht erfolgt ist. Private unterfallen dem IFG nur, wenn sie mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse betraut sind. Wenngleich die Unternehmen im Bereich der Daseinsvorsorge tätig sind, erfüllen sie doch keine hoheitlichen Aufgaben und sind somit auch nicht Ad134

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats ressaten des IFG. Angesichts der zunehmenden Verlagerung öffentlicher Aufgaben in die Zuständigkeit privatrechtlicher Unternehmen, die zumindest mehrheitlich im Besitz des Staates sind, ist dieses Ergebnis unbefriedigend. Auch und gerade in diesen Bereichen werden öffentliche Mittel verwendet, ohne dass diese Unternehmen der gleichen Transparenz wie die Verwaltung unterliegen.

Daher ist es dringend geboten, dass das IFG hier eine Klarstellung erfährt. Die Arbeitsgemeinschaft der Informationsbeauftragten Deutschlands (AGID) hat dies gemeinsam in einer Entschließung vom Dezember 2003 gefordert.

Der Senat befürwortet nachdrücklich den Gedanken einer transparenten Verwaltung, lehnt diesen konkreten Vorschlag aber als zu weitgehend ab. Eine Ausdehnung des Anwendungsbereichs des Berliner IFG auf privatrechtliche Unternehmen, die sich mehrheitlich im Besitz des Landes Berlin befinden, wäre von dem eigentlichen Zweck des Gesetzes nicht mehr gedeckt. Nach dem in § 1 IFG festgelegten Gesetzeszweck soll das „Wissen und Handeln öffentlicher Stellen" der Allgemeinheit zugänglich gemacht werden, aber eben gerade nicht das Wissen und Handeln privatrechtlicher Unternehmen. Selbst eine Eigentümerstellung des Landes Berlin bewirkt bei selbständigen Rechtssubjekten des privaten Rechts keine Zugehörigkeit zu der Verwaltung des Landes Berlin. Der Gesetzgeber hat sich daher aus gutem Grund dafür entschieden, Private nur dann ausnahmsweise in den Anwendungsbereich des IFG einzubeziehen, wenn diese mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse betraut sind (vgl. § 2 Abs. 1 Satz 1 IFG).

Eine entsprechende Gesetzesänderung wäre folglich keine bloße Klarstellung, sondern eine vom ursprünglichen Gesetzeszweck nicht gedeckte Änderung der Rechtslage.

Ähnlich gelagert sind die derzeit laufenden parlamentarischen Bemühungen zu einer Änderung des Petitionsgesetzes. Auf Initiative des Petitionsausschusses des Abgeordnetenhauses sollen künftig die rechtlich eigenständigen Unternehmen des Landes Berlin gegenüber dem Petitionsausschuss auskunftspflichtig sein, da diese Unternehmen eben nicht mit anderen Privatunternehmen vergleichbar sind und die Öffentlichkeit ein Anrecht darauf hat zu erfahren, wie das Land auch wirtschaftlich agiert.

Auch die parlamentarischen Bemühungen zu einer Änderung des Petitionsgesetzes lassen sich auf den vorliegenden Fall nicht übertragen, vor allem deshalb, weil die entsprechenden Anträge keine unmittelbaren Auskunftspflichten der privaten Unternehmen selbst vorsehen, sondern zur Klarstellung der Auskunftspflichten des Senats bzw. der Senatsmitglieder dienen sollen (vgl. die Abghs.-Drs. 15/2515 und 15/2516 sowie die Stellungnahme des Senats durch Senatsbeschluss Nr. 1796/04 vom 30. März 2004 zu diesen Anträgen). Unabhängig von diesen grundsätzlichen Bedenken weist der Senat darauf hin, dass eine entsprechende Erstreckung des Berliner IFG auf privatrechtliche Unternehmen auch Fragen hinsichtlich der Kompetenz des Landesgesetzgebers aufwirft und sich zudem wegen Art. 31 GG nicht über vorrangige bundesrechtliche Regelungen hinwegsetzen dürfte, wie etwa Geheimhaltungspflichten, die sich z. B. aus den Regelungen des Gesellschaftsrechts ergeben.

Informationsfreiheit jenseits des IFG:

Ein Bürger hatte bei seinem zuständigen Sozialamt darum gebeten, bestimmte Verwaltungsrichtlinien zum BSHG einsehen zu können. Zunächst war er an die nächstgelegene Stadtbibliothek verwiesen worden; nachdem er dort aber nicht fündig geworden war, erneuerte er sein Begehren und verwies nunmehr ausdrücklich auf den Anspruch aus dem IFG. Als das Sozialamt darauf nicht reagierte, trat er an uns mit der Bitte heran, ihn zu unterstützen. „Ausweitung der Informationsfreiheit statt Flucht ins Privatrecht", vgl. Anlagenband „Dokumente zu Datenschutz und Informationsfreiheit 2003", S. 111

Bericht des Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit Stellungnahme des Senats

In seiner Stellungnahme gegenüber unserer Dienststelle machte das Sozialamt geltend, dass das Informationsfreiheitsgesetz sich auf den Bereich Soziales nicht beziehe. Dort griffen allein die Bestimmungen des SGB X. Im Übrigen könne der Petent die Ausführungsvorschriften zum BSHG selbstverständlich in den öffentlichen Bibliotheken einsehen.

Das SGB X regelt das Sozialverwaltungsverfahren und den Sozialdatenschutz. Darin enthalten sind auch Bestimmungen, die die Akteneinsicht der Beteiligten in einem konkreten Verfahren feststellen. Vorschriften zu allgemeinen Informationsansprüchen, die sich auf Unterlagen beziehen, welche den Sozialbehörden zur Aufgabenerfüllung dienen ­ so der Text von § 3 Abs. 1 und 2 IFG ­, enthält das SGB X nicht. Also sind zumindest bezüglich dieser Unterlagen die Bestimmungen des IFG auch im Bereich Soziales anzuwenden.

Darüber hinaus ist die Existenz eines Verwaltungsverfahrensgesetzes keine Besonderheit für die Sozialverwaltung. Auch die anderen Verwaltungen sind an ein (allgemeines) Verwaltungsverfahrensgesetz gebunden.

Würde dieses immer dem IFG vorgehen, liefe es vollkommen leer, da dessen Adressaten als öffentliche Stellen durchweg Bestimmungen von Verwaltungsverfahrensgesetzen unterliegen.

Im vorliegenden Fall bedurfte es jedoch nicht einmal eines Rückgriffs auf das IFG. Bereits § 22 Abs. 1 der Gemeinsamen Geschäftsordnung für die Berliner Verwaltung, Allgemeiner Teil (GGO I) schreibt vor, dass die Einsicht in die einschlägigen Rechtsvorschriften und in die im Amtsblatt für Berlin veröffentlichten Verwaltungsvorschriften den Bürgern zu ermöglichen ist. Schon hieraus ergab sich somit die Pflicht des Sozialamtes, dem Petenten Einsicht in die begehrten Unterlagen zu ermöglichen.