Krieg gegen den Irak

Die im demokratischen Diskurs hervorgehobenen Fragen von Völkerrecht, Frieden und menschlichem Leid griffen Rechtsextremisten zwar auf, doch verbargen sich hinter gleichen Begriffen inhaltlich abweichende Vorstellungen. Rechtsextremisten verurteilten die US-amerikanische Politik als „Imperialismus".

Der „Imperialismus"-Vorwurf ist Ausdruck eines rechtsextremistischen Antiamerikanismus, der die USA als „aggressiven Unterdrücker freier Völker" sieht und häufig mit antisemitischen Denkmustern verknüpft ist: „Erneut haben US-imperialistische Truppen ein Land überfallen. Der Befehl an 300 000 Soldaten lautet: Mordet und brennt euch durch bis nach Bagdad. Jedes Volk hat ein Recht auf Selbstbestimmung, auch wenn dies den Interessen der US-Wirtschaft zuwider läuft!"

So wurde der Krieg gegen den Irak als Höhepunkt im „Kampf zwischen dem Weltfeind USA-Imperialismus und seinen zionistischen Helfern auf der einen Seite und dem Widerstand der freien Völker gegen dessen Unterdrückungspläne auf der anderen Seite der Barrikade" gedeutet.

Triebfeder der amerikanischen Politik sei die wirtschaftliche Ausbeutung anderer Staaten, für die sie den Aufbau einer demokratischen Gesellschaftsordnung erzwänge. Verschwörungstheoretisch wird hinter der US-amerikanischen Regierung ein „Netzwerk jüdischer Großkapitalisten", die so genannte „Ostküste", vermutet: „Die krisengeschüttelten US-Ostküstenkapitalisten fiebern nahezu dem Krieg gegen den Irak entgegen, der ihnen durch Erzielung von Maximalprofiten aus der ökonomischen Bredouille helfen soll."

Aus rechtsextremistischer Sicht ist auch der Weltsicherheitsrat Instrument zur Durchsetzung imperialistischer Interessen: „Dies alles unter den Augen eines vermeintlichen Weltsicherheitsrates, der in Wahrheit nur eines sichert: Die Machtansprüche der internationalen Hochfinanz!"

Die Ablehnung des Irak-Krieges in der dargestellten Argumentation basiert auch auf der ideologischen Grundlage des so genannten Ethnopluralismus. Dieser propagiert die Trennung der Ethnien in getrennten Staaten und Ländern mit unterschiedlichen politischen und rechtlichen Standards. Eine Intervention so genannter „raumfremder Mächte" wird abgelehnt. So stand in der Argumentation der rechtsextremistischen Gruppierungen das Selbstbestimmungsrecht der Völker im Vordergrund. „Frieden" soll durch die Schaffung einer Staatenwelt ethnisch homogener, autonomer Völker erreicht werden. Der ehemalige Vorsitzende der „Jungen Nationaldemokraten" (JN) Berlin-Brandenburg, Jens PAKLEPPA, betonte, dass die Ablehnung des Irak-Krieges nicht als Friedens-, sondern als Freiheitsbewegung zu verstehen sei: „Wir dürfen nicht zur Friedensbewegung werden, sondern zur nationalen Freiheitsbewegung. Davon gilt es unser Volk zu begeistern."

Die Betonung der Freiheitsbewegung verdeutlicht die revisionistischen Züge, die die Auseinandersetzung der Rechtsextremisten mit dem Irak-Krieg hatte. Es wurde eine Parallele zwischen Saddam HUSSEIN und Adolf HITLER gezogen: „Deswegen ist Saddam Hussein für uns groß und bewundernswert, weil er es geschafft hat, wie unser Führer Adolf Hitler, sein Volk hinter sich zu bringen und das Volk steht hinter ihm. Er hat den Irak zu einer der orientalischen Art und Mentalität entsprechenden orientalischen Variante des nationalsozialistischen Volksstaates gemacht."

Die USA habe eine ähnlich rücksichtslose Machtpolitik wie gegen den Irak seit 1933 und über 1945 hinaus auch gegen Deutschland verfolgt. In beiden Fällen sei ein hinter seinem Führer stehendes, friedliches Volk von den USA und ihren Verbündeten in ihrem Missionierungsdrang angegriffen worden.

Die zwangsweise Demokratisierung des Irak entspreche der „Re-education" Westdeutschlands durch die westlichen Alliierten nach 1945: „Das irakische Volk steht heute da, wo wir Deutschen 1945 standen, kurz vor dem totalen Abgrund und der absoluten Kontrolle der Wallstreet."

Aktionen rechtsextremistischer Gruppierungen:

Der rechtsextremistischen Szene gelang es in Berlin kaum, ihre rege Publizistik zum Irak-Krieg in eigene, öffentlichkeitswirksame Aktionen umzusetzen. Ausnahmen waren eine Mahnwache vor der irakischen Botschaft in Zehlendorf am 19. März sowie eine Demonstration der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) in Lichtenberg am 20. März.

Die Mahnwache zur Unterstützung der irakischen Botschaft wurde von Aktivisten der Kameradschaftsszene - u. a. Angehörigen der „Kameradschaft Tor Berlin"

(Kameradschaften) und des „Aktionsbüros Mitteldeutschland ­ Nationaler Widerstand Berlin-Brandenburg" (NWBB) - unter der Führung eines NPD-Funktionärs organisiert. Sie stand unter dem Motto „Internationales Völkerrecht für alle ­ Waffen für Bagdad - Bush und Blair nach. Den Haag" und richtete sich gegen eine zeitgleiche Demonstration von Mitgliedern der „Jungen Union", die vor der Botschaft gegen das irakische Regime Saddam HUSSEINs protestierten.

Nachdem am folgenden Morgen der Angriff auf den Irak begonnen hatte, meldete die NPD für den selben Tag eine Demonstration in Lichtenberg unter dem Motto „Stoppt den USAngriffskrieg ­ Bush nach. Den Haag!" an. Während der Kundgebung rief der NPD-Parteivorsitzende Udo VOIGT zum Boykott amerikanischer Waren und zur Besetzung von US7

Internetauftritt des „Aktionsbüros Mitteldeutschland", datiert 15.12.2003.