Arbeitslosensystem und Sozialhilfesystem

Grundsicherung ist eine ganz neue Bundesaufgabe, die sozusagen mitten hinein gekommen ist, die auch noch zusätzlich bewältigt werden musste. Jetzt stehen wir wieder vor einer neuen Aufgabe, einer enormen Aufgabe, Herr Oppermann hat das ja schon sehr detailliert beschrieben, was da auf uns zukommt mit Hartz III und IV, also einer fast historischen Aufgabe, mit der die riesigen beiden Systeme Arbeitslosensystem und Sozialhilfesystem zu einem zusammengefasst werden für die Menschen, die erwerbsfähig sind, mit dem richtigen Ziel, diesen Menschen Hilfen aus einer Hand zu geben und diesen Menschen die gleichen Angebote zu machen und nicht wie bisher in unterschiedlichen Systemen zu beraten und zu betreuen.

Ich habe die gleiche Befürchtung, Herr Oppermann, wie Sie, dass wir hier sozusagen zwei Welten schaffen in diesen Systemen, einerseits diejenigen, die erwerbstätig sind und die Angebote bekommen nach Hartz IV, und die anderen, die diese Chance nicht haben. Ich bin sehr froh, dass Sie das auch für sich gesagt haben. Ich glaube, dass wir alle die gleiche Auffassung vertreten, wir müssen sehr darauf achten in diesem Umstrukturierungsprozess, den wir auch mitgestalten können, wenn es um diese neuen Strukturen geht, natürlich nicht die rechtlichen Grundlagen, die geschaffen worden sind, die sind da, aber die Ausgestaltung können wir mit beeinflussen, und wir werden uns in der Deputation sehr ausführlich und sehr intensiv mit diesem Prozess befassen.

Wir werden erste Auswertungen jetzt im Februar uns schon vornehmen, und ich bin sehr daran interessiert, dass wir gemeinsam versuchen, den Weg so zu gestalten, dass unterwegs auch niemand verloren geht, dass alle Menschen die gleichen Chancen haben, und mir geht es auch insbesondere darum, dass wir die Chancen von Frauen in den Blick nehmen.

Wir müssen zurzeit leider feststellen, wir haben drei Jahre Konjunkturstagnation zu verkraften gehabt, dass die Zahlen von Hilfeempfängern wieder steigen. Das ist eben auf die hohe Arbeitslosigkeit zurückzuführen, auf das Nichtanziehen der Konjunktur, und ich kann nur hoffen, dass der Bundeswirtschaftsminister Recht hat, wenn er Licht am Horizont sieht und die Konjunktur doch wieder an Fahrt gewinnt. Das wäre schön. Aber wir wissen alle, dass die positiven Wirkungen auf den Arbeitsmarkt erst mit einer ziemlich großen Verspätung durchschlagen, so dass wir nicht sofort auch Verbesserungen erwarten können. Wir werden aber insgesamt durch diese neue Struktur Hartz IV für die Menschen, die Arbeit suchen, ein besseres Angebot schaffen, weil auch Hartz ganz klar auf das Fallmanagement setzt.

Nach Hartz sollen pro Vermittler jetzt 75 Fälle bearbeitet werden, das heißt eine ganz deutliche Hinwendung zu den Menschen und zur Entwicklung ihrer Perspektiven und ihrer Stärken.

Sozialhilfemissbrauch ist angesprochen worden, das ist ja immer wieder ein beliebtes Thema, insbesondere für die Boulevardpresse, und bedient viele Vorurteile. Wir machen schon seit langem Datenabgleich in großem Umfang. Herr Oppermann hat beschrieben, was das für ein großer Aufwand ist für das Personal, aber wir machen es in der Hoffnung auch, dass es präventive Wirkung hat, Missbrauch von vornherein verhindert, und wir werden dies weiter fortsetzen. Wir müssen klar stellen, Missbrauch wird nicht geduldet, auch nicht in der Sozialhilfe, und ich würde mir wünschen, dass man in anderen Bereichen unserer Gesellschaft, zum Beispiel Steuerehrlichkeit, auch entschiedener dagegen vorgeht.

Wir werden diesen Datenabgleich weiter führen, wir werden auch die Ermittlerdienste verstärken und dies konsequent weiter angehen.

Wir haben mit Menschen zu tun, die in ganz schwierigen Situationen leben, Langzeitarbeitslose, die über Jahre keine Perspektive haben, die über Jahre sich selbst schon aufgegeben haben und gar nicht mehr daran glauben, dass sie in der Lage sind, noch eine Arbeit ausfüllen zu können. Wir haben ein Assessmentcenter gehabt, wo wir festgestellt haben, dass es auch möglich ist, Menschen, die eigentlich schon für sich heraus sind, wieder zu motivieren und sie dahin zu führen, dass sie selbst entdecken, dass sie etwas leisten können. Da müssen wir auch in Zukunft ansetzen und den Gedanken von Selbsthilfe, fördern und fordern, weiter stark in den Blick nehmen, und dafür ist das Fallmanagement sehr geeignet.

Hartz setzt ganz klar auf diesen Gedanken, Sie haben es beschrieben, noch deutlicher und noch sehr viel deutlicher gerade auch bei jungen Menschen, mit ganz harten Maßnahmen, aber ich halte es auch für unabdingbar, wenn man auf Selbsthilfe setzt, dass man dann auch, wenn keine Mitwirkung erkennbar ist, keine Bereitschaft des Hilfeempfängers erkennbar ist, seinen Teil dazu beizutragen, mit Sanktionen arbeiten muss.

Wir haben etliches unternommen an Modellversuchen, das ist schon gesagt worden, darauf brauche ich jetzt nicht weiter einzugehen. Wir werden diese Modellversuche auch vor dem Hintergrund, was uns in der neuen Struktur erwartet, SGB und Hartz, überprüfen müssen, welchen Weg wir gehen und wie wir das umgestalten, und ich glaube, dass wir insgesamt auf dem richtigen Weg sind. Es kommt jetzt wirklich darauf an, die neue Hartz-Welt in Bremen und Bremerhaven so auszurichten, dass wir den Menschen weiterhin ein gutes Leistungsangebot in den sozialen Diensten bieten können. ­ Danke!

Vizepräsident Ravens: Meine Damen und Herren, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Die Bürgerschaft (Landtag) nimmt von der Antwort des Senats, Drucksachen-Nummer 16/114, auf die Große Anfrage der Fraktionen der CDU und der SPD Kenntnis.

Controllingbericht 1 bremen_service, die neubürgeragentur Mitteilung des Senats vom 16. Dezember 2003

Dazu als Vertreter des Senats Herr Senator Eckhoff.

Die Beratung ist eröffnet.

Das Wort erhält der Abgeordnete Focke.

Abg. Focke (CDU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir diskutieren den Controllingbericht 1, bremen_service, die neubürgeragentur, aber wir wollen, glaube ich, sie jetzt Neubürgeragentur Bremen nennen, das ist einfacher als dieses Wort davor. Ich glaube, wir können uns einig sein, es war richtig, diese Agentur zu gründen. Es ist erstaunlich, dass in so kurzer Zeit, inklusive des Einzugs in den Neubau, der Einrichtung, der Einstellung von Personal und Schulung der Mitarbeiter ein so positives Ergebnis erreicht wurde. Dafür sollten wir auch an dieser Stelle, meine Damen und Herren, den Mitarbeitern danken und ihnen unsere Anerkennung aussprechen, dass sie so ein Ergebnis erzielt haben.

(Beifall bei der CDU und bei der SPD)

Der Hauptgrund ist natürlich gewesen bei dieser Gründung, Einwohner zu bekommen und Einwohner zu behalten. Es gibt ja immer Menschen, die sich mit dem Gedanken tragen, in das Umland zu ziehen, nicht weil sie woanders arbeiten, sondern weil sie glauben, da vielleicht günstigere Grundstücke zu bekommen und insgesamt günstigere Lebenshaltungskosten zu haben, was, wenn man das genauer betrachtet mit den Fahrtkosten, die dann entstehen, sich wahrscheinlich aufhebt, und das ist auch ein besonderes Ziel dieser Agentur, die Menschen darauf hinzuweisen und ihnen zu helfen zu vergleichen und dann auch hier zu bleiben.

Wenn wir uns das ansehen, das hat allerdings nicht erst seit letztem Jahr eingesetzt, und Gott sei Dank sage ich das, wie die Einwohnerentwicklung gewesen ist in Bremen in den letzten Jahren, dann können wir feststellen, und das, finde ich auch, können wir mit einer gewissen Befriedigung feststellen, dass die Einwohnerzahlen seit zwei Jahren steigen und dass sie den Stand von 1998 mittlerweile wieder überschritten haben. Das ist eine schöne Leistung, wenn man bedenkt, dass wir damals, 1998, 543 000

Einwohner in der Stadt Bremen hatten, eine Zahl, die bis 2000 auf 539 000 heruntergegangen ist, und wenn wir jetzt bei 544 000 angelangt sind, ist das ein Ergebnis, das sich sehen lassen kann. Das hat nicht in erster Linie etwas mit der Bürgeragentur zu tun, zwar auch etwas in der letzten Zeit, aber es hat natürlich insbesondere damit etwas zu tun, dass wir in den letzten acht, neun Jahren unsere Politik hier verändert haben, und das zahlt sich jetzt aus in den Jahren, denn von heute auf morgen zahlt sich so etwas nicht aus, das wissen wir bei allen anderen Dingen, die wir anfassen. Es dauert einige Jahre, bis sich das bemerkbar macht, Ausweisung von Wohnungsbaugebieten für Einfamilienhäuser, aber auch Wirtschaftsförderung mit neuen Arbeitsplätzen, und das ist ein, finde ich, gutes Zeugnis, das hier der großen Koalition ausgestellt werden kann, wenn wir hier diese Ergebnisse im Zusammenhang mit diesem Controllingbericht Neubürgeragentur sehen.

Was die Neubürgeragentur betrifft: Die beiden Hauptziele, wie gesagt, Neuakquisition für neue Mitbürger und dieses Bürgerbindungsinstrument als Ziel zwei, das heißt, die Bürger an das Land oder die Stadt Bremen zu binden und ihnen auch eben die Vorzüge gegenüber dem Umland zu verdeutlichen, hat ja schon in den ersten acht, neun Monaten, viel länger ist der Zeitraum ja nicht, in dem wirklich gearbeitet werden konnte, dazu geführt, dass das Ziel, das man sich gesetzt hatte für das erste volle Jahr, nämlich eine zusätzliche Größe von 650, 652

Einwohnern zu bekommen, nicht erreicht worden ist, aber mit über 360 ist der Break-even-Point von - stark überschritten worden in diesen neun Monaten, und die Wirtschaftlichkeit hat sich schon im ersten Jahr bewiesen, und das ist auch, finde ich, eine sehr gute Leistung.

Man sieht jetzt, gerade was das Ziel eins betrifft, wie dort vorgegangen worden und was dort gemacht worden ist, da sind hier einige Beispiele genannt, zum Beispiel die Berliner Polizisten, die nach Bremen geholt worden sind, nachdem man dorthin gefahren ist und sich vorgestellt hat, die Vorzüge dargestellt hat, oder was auch den Space-Park betrifft, wo ja viele neue Mitarbeiter eingestellt worden sind. Es wurde in alle Büros und alle Firmen gegangen, die mehr als 50 Beschäftigte haben, wo die Personalleitungen angesprochen worden sind und die Agentur vorgestellt worden ist, man hat sich an Regionalmessen beteiligt und konnte auch über Fan-TV bei Werder Bremen oder durch Tageszeitungen erhebliche Kontakte knüpfen in dieser kurzen Zeit. Ich finde, das ist sehr beachtenswert.

Ein weiterer wichtiger Punkt, den wir auch vor uns haben, wie wir auch Einwohner zusätzlich bekom men wollen, das sind ja die Fluglotsen, die ab 2006 zu uns nach Bremen kommen, und auch dort ist geplant, vor Ort Werbung für den Standort Bremen zu machen. Da, finde ich, müssen allerdings auch noch mehr die Privaten mit eingebunden werden, zum Beispiel Wohnungsbauunternehmen, die darstellen können, dass es auch Flächen und Angebote gibt für diese ja doch gut verdienende Gruppe.

Wenn man sich weiter ansieht, wie das Engagement von Privaten, das wir ja gern haben wollen, bisher ausgesehen hat, dann kann man sagen, es ist durchaus noch verbesserungsbedürftig. Es hat zwar etliche Aktivitäten gegeben, die insbesondere, was das Begrüßungspaket betrifft, zusammen mit Privaten gemacht werden, aber wenn man sich das ganz genau betrachtet und all die bremischen Gesellschaften wie die BSAG, die Museen, Bäder, Parkhaus oder Theater berücksichtigt, dann sind das fast alles Dinge, die natürlich nicht privatwirtschaftlich sind, sondern das sind alles mehr oder weniger Dinge, die über Eigenbetriebe oder Gesellschaften mit hundertprozentiger Bremer Beteiligung laufen. Da, finde ich, muss natürlich das Privatengagement noch wesentlich höher werden als nur eine Tafel Schokolade von Milka oder ein dreimonatiges Abonnement des Weser-Kurier. Ich finde, auch bremische Firmen profitieren sehr von dieser Agentur und können über diese Agentur natürlich an gutes Personal herangeführt werden, wenn akquiriert wird durch die Agentur.

Deswegen wäre es sehr zu begrüßen, wenn dort das Engagement noch etwas höher werden würde.

Im Zusammenhang jetzt mit der Vorlage dieses Controllingberichts hat ja das Bremer Institut für Tourismuswirtschaft und Freizeitforschung auch eine Umfrage über die Neubürgeragentur durchgeführt in drei verschiedenen Segmenten. Sie haben Kunden befragt, also Nutzer der Neubürgeragentur, sie haben repräsentative telefonische Bürgerbefragungen gemacht mit über 1000 Interviews über den Bekanntheitsgrad der Neubürgeragentur, und es hat Befragungen auf der Hafa gegeben von bremischen Bürgern und von auswärtigen Gästen über diese Neubürgeragentur. Festgestellt wurde, die Neubürgeragentur ist relativ gut bekannt, sie ist bei über 26 Prozent der Bremer Bürger bekannt, das ist dafür, dass sie erst Anfang 2003 begründet und erst so im März oder April praktisch an die Öffentlichkeit getreten ist, ein sehr guter Wert.

Was eigentlich noch besser ist: Dass die Sachkompetenz der Mitarbeiter und die Freundlichkeit als sehr gut bezeichnet werden, dass über 80 Prozent der Befragten sagten, die Erwartungen sind voll oder übererfüllt und weit übertroffen, was auch ein sehr guter Wert ist! Über 90 Prozent aller Befragten würden die Neubürgeragentur jederzeit weiterempfehlen und Bekannten empfehlen, wenn sie irgendetwas mit Bremen zu tun hätten und sich dafür interessierten, diese Neubürgeragentur zu nutzen. Das ist alles in allem wirklich ein sehr positiver Wert, und ich glaube nicht, dass wir es uns so vorgestellt hätten, dass es schon im ersten Jahr so gut gelaufen ist.

(Glocke) Vizepräsident Ravens: Ihre Redezeit ist abgelaufen!

Abg. Focke (CDU): Das ist ja selten der Fall. Deswegen ein Fazit: Die Sollzielgröße ist zwar nicht ganz erreicht, der Break-even-Point ist aber deutlich überschritten, was ein guter Erfolg für das erste Jahr der Neubürgeragentur ist. Die Wirtschaftlichkeit ist erreicht. Das Geld ist gut angelegt, und daher müssen wir auch für 2004 die Verpflichtungsermächtigung in Höhe von einer Million Euro in den Haushaltsberatungen sicherstellen, meine Damen und Herren. ­

Vielen Dank!

(Beifall bei der CDU) Vizepräsident Ravens: Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Kleen.

Abg. Kleen (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Der erste Controllingbericht zur Neubürgeragentur, die heute bremen_service, die neubürgeragentur heißt, ist eine Dokumentation der Erfolgsgeschichte, das hat Herr Focke hier sehr deutlich gesagt, und das ist auch das Ergebnis des Tourismusinstituts der Hochschule, das eben auch zu sehr positiven Ergebnissen kommt.

Der von der Neubürgeragentur vorgelegte Tätigkeitsbericht lässt keine Fragen unbeantwortet, und er zeigt eindrucksvoll, dass der Erfolg weder zugefallen noch zufällig ist, sondern mit harter Arbeit zusammenhängt. In den Beratungen der Innendeputation und der Baudeputation hat sich dann auch gezeigt, dass der Schweiß der Tüchtigen wie Parfüm auf Kontrolleure wirkt, (Heiterkeit bei der SPD) weil ein Baudeputierter der CDU sich nach Annahme des Controllingberichts zu der Frage hinreißen ließ, wie man den Mitarbeitern der Neubürgeragentur denn jetzt Prämien zukommen lassen könnte. Da kann man sehen, wie es wahrscheinlich früher schön bei Karstadt zugegangen ist.

(Heiterkeit bei der SPD)

Meine Damen und Herren, das lässt sich nicht nur nicht mit hanseatischer Gelassenheit vereinbaren, das geht allein schon wegen der Konstruktion der Neubürgeragentur nicht, denn die weisen Initiatoren dieser Neubürgeragentur, also die SPD-Bürger schaftsfraktion und unsere Partner von der CDU ­ der heutige Senator hat damals auch sehr schnell begeistert auf diese Idee geantwortet ­, wir haben sie eben ausdrücklich nicht als Behörde oder Teil einer Behörde eingerichtet, sondern sie wird von der Bremer Marketinggesellschaft getragen, die sich dann für die operative Umsetzung durch das Büro Bernd Linke eingesetzt hat.