Barrierefreiheit

Bericht an das Abgeordnetenhaus über Verstöße gegen die Regelungen zur Gleichstellung behinderter Menschen 2003 / 2004

4. Verstößebericht ­ 1. März 2003 bis 31. Dezember 2004 gemäß § 11 Abs. 2 Gesetz über die Gleichberechtigung von Menschen mit und ohne Behinderung (Landesgleichberechtigungsgesetz ­ LGBG) vom 17. Mai 1999

Inhaltsverzeichnis:

1. Anschaffung nicht barrierefreier Kassenautomaten 3

2. Barrierefreie Hotelzimmer im geplanten „Holiday Inn"/Stresemannstraße: 10%-Quote gemäß Gaststättenverordnung wird nicht umgesetzt 5

3. Technische Baubestimmungen wieder mit nicht nachvollziehbaren Ausnahmen eingeführt 6

4. Unzulässige Rangfolge bei der Gewährung erforderlicher Hilfen für behinderte Studierende gemäß § 9 Abs. 2 Berliner Hochschulgesetz (BerlHG)

Beanstandungen: Stellungnahmen:

1. Anschaffung nicht barrierefreier Kassenautomaten

Aufgrund einer Sammelausschreibung der Senatsverwaltung für Finanzen vom 15. Juli 2003 wurden 27 Kassenautomaten beschafft, die im Rahmen des Projekts Kassenkooperation in den Bezirkskassen der Bezirksämter aufgestellt wurden oder noch aufgestellt werden. In einem Schreiben des Finanzsenators Dr. Thilo Sarrazin vom 30. Juli 2004 an den Landesbeirat für Behinderte heißt es, alle 27 bestellten und zum überwiegenden Teil bereits installierten Kassenautomaten würden der Ergonomierichtlinie DIN 24972 entsprechen und könnten demnach behindertengerecht bedient werden.

Bei genauerer Prüfung hat sich jedoch herausgestellt, dass die beschafften Kassenautomaten keineswegs behindertengerecht / barrierefrei sind.

Sie sind nicht unterfahrbar, so dass viele Rollstuhlfahrer/innen nicht nah genug heranrollen können, um das Bedientableau zu erreichen. Der Eingabe-/ Ausgabeschlitz befindet sich mit 1,40 m in einer für die meisten rollstuhlfahrenden und kleinwüchsigen Menschen unerreichbaren Höhe. Es fehlt eine Sprachausgabe, die Blinde und viele sehbehinderte Menschen benötigen, um den Automaten sicher und ohne fremde Hilfe bedienen zu können.

Es muss beanstandet werden, dass der Landesbeauftragte für Behinderte (LfB) bei der europaweiten Ausschreibung zur „Lieferung und Installation der Kassenautomaten (Hard- und Software) einschließlich Koordination der Automatenaufstellung" nicht beteiligt worden ist. Dies stellt einen Verstoß gegen § 5 Abs. 3 Landesgleichberechtigungsgesetz (LGBG) dar, wonach die Senatsverwaltungen den LfB bei allen Gesetzes-, Verordnungs- und sonstigen wichtigen Vorhaben beteiligen, soweit sie Fragen der Integration der Menschen mit Behinderung behandeln oder berühren.

Die Nichtbeteiligung des LfB ist unverständlich, da vor allem auch von ihm bereits seit spätestens Anfang 2003 in verschiedenen Gremien ­ Interministerielle Arbeitsgruppe (Mitte 2004 eingestellt), Arbeitsgruppen zur Umsetzung des LGBG bei der Senatsverwaltung für Inneres, Finanzen oder bei der Senatskanzlei ­ immer wieder darauf hingewiesen worden war, dass bei einer möglichen Anschaffung von Kassenautomaten auf die barrierefreie Nutzung für alle Menschen geachtet werden müsste.

Es wird beanstandet, dass für die Ausschreibung und Bestellung der Kassenautomaten die DIN 24972 „Dienstleistungsautomaten ­ Fahrausweisautomaten ­ Anforderungen an Betätigungs- und Anzeigeelemente" aus dem Jahr 1998 herangezogen wurde, die zwar Empfehlungen für eine ergonomische ProduktgestalStellungnahme des Senators für Finanzen, Herrn Dr. Thilo Sarrazin, vom 21. 1. 2005:

Im Zuge der Vorbereitung der europaweiten Ausschreibung zur „Lieferung und Installation der Kassenautomaten (Hard- und Software) einschließlich Koordination der Automatenaufstellung" wurde durch ein Beratungsunternehmen eine Evaluation der in den Bezirken Spandau und Treptow-Köpenick von Berlin bereits eingesetzten Kassenautomaten durchgeführt.

Ein wichtiges Ergebnis ist die Feststellung, dass als unverzichtbare Mindestbedingung für eine behindertengerechte Bedienbarkeit der Kassenautomaten die Ergonomierichtlinie DIN 24972 eingehalten werden muss. Ich habe diese Ergonomierichtlinie konsequent zum Kriterium in der europaweiten Ausschreibung vom 15.07.2004 gemacht.

Es ist festzustellen, dass sämtliche installierten Kassenautomaten der vorgenannten Richtlinie entsprechen. Ich sehe nicht, dass es vorteilhaft gewesen wäre, statt der Ergonomierichtlinie DIN 24972 auf den DIN-Fachbericht 124 „Gestaltung barrierefreier Produkte" zurückzugreifen, dessen Anwendung für europaweite Ausschreibungen strittig und insofern erst einer intensiven rechtlichen Würdigung zu unterziehen ist.

Vorhandene Probleme, die durch eine kritikwürdige Installation in den Bezirkskassen ausgelöst wurden, sind durch die Bezirke zu beheben. Dies sind insbesondere bauliche Probleme, die durch die Verantwortlichen vor Ort gelöst werden müssen.

Mir ist es wichtig, dass Mängel in Zukunft abgestellt werden. Es ist für mich entscheidend, dass ein Dialog mit dem Landesbeirat für Behinderte stattfindet, der von den Verantwortlichen meines Hauses konstruktiv und damit zielgerichtet geführt wird.

Ein Beispiel: Der Landesbeirat für Behinderte hat in mehreren Schreiben bemängelt, dass die Kassenautomaten insbesondere von Kleinwüchsigen und dem größten Teil der Rollstuhlfahrer nicht benutzt werden könnten.

Das Projekt Kassenkooperation hat die Anregungen des Landesbeirats für Behinderte zur Kenntnis genommen und nach Prüfung und Absprache mit dem Gerätehersteller bereits veranlasst, dass die letzten drei im Dezember 2004 ausgelieferten Kassenautomaten einen um 20 cm tiefer gelegten Kassenkartenschlitz erhalten.

Um die Problematik der Barrierefreiheit für Menschen mit Behinderungen ausführlich zu erörtern, ist der Landesbeirat für Behinderte zum Treffen der Kassenleiter am 31.01.2005, an dem auch die Haushaltsamtsleiter teilnehmen werden, eingeladen worden.