In Bremen ist aus unserer Sicht in dieser Frage viel zu wenig passiert

Wir brauchen für Bremen einen Bildungsrahmenplan, der seinen Namen auch wirklich verdient. Darauf warten wir hier auch wirklich schon sehr lange.

In Bremen ist aus unserer Sicht in dieser Frage viel zu wenig passiert. Die verbindliche Verzahnung von Kindergärten und Grundschulen, wo bleibt sie denn, liebes Bildungsressort, liebe Jugendbehörde? Wir merken davon bisher herzlich wenig.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Aus unserer Sicht ist es ein Muss, die Sprachstandserhebung vorzuziehen. Es reicht nicht aus, die fünfjährigen Kinder einen Sprachstandstest machen zu lassen und daran Sprachförderkurse anzuschließen, wenn dann nur noch, wie im letzten Jahr, neun Wochen Zeit bleiben bis zur Einschulung. Wir sagen: früher anfangen, die Kinder länger fördern und damit letztendlich auch bessere Ergebnisse erzielen und den Kindern Bildungsvoraussetzungen. (Abg. Pietrzok [SPD]: Das kommt doch noch! Sie hätten die durchrauschen lassen, wir nicht!) Nein, Herr Pietrzok! Der Senat sagt, er kann sich im Augenblick nicht vorstellen, die Kinder früher zu fördern. Das finden wir falsch. Wir sagen, die 500 000 Euro für jeden Jahrgang sind gut investiertes Geld.

Damit verbessern wir entscheidend die Bildungschancen unserer Bremer Kinder.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Auch die Sekundarstufe ist gefordert, die Lesemotivation der Schülerinnen und Schüler zu erhalten beziehungsweise zu steigern. Iglu hat festgestellt, dass erfolgreiche Schulen unbedingt ein umfassendes Konzept der Leseförderung brauchen, und zwar vom Kindergarten über die Grundschule bis in die Sekundarstufe hinein. Dazu gehören Lehrer, die vorlesen, Lesen in allen Fächern und Disziplinen, eine Ausbildung auch für Lehrer in der Lehrerausbildung.

Leseintensivkurse sind gut, meine lieben Kolleginnen und Kollegen, aber ein Leseintensivkurs in Klasse zwei reicht nicht aus, um dauerhaft das Lesen in der Schule stärker zu fördern. Lesen muss bis in Klasse zehn intensivst fortgesetzt werden.

(Abg. Frau Hövelmann [SPD]: Aber ja! Das ist ja richtig!)

Das ist auch richtig, dann können Sie unserem Antrag auch zustimmen, Frau Kollegin!

In der Sekundarstufe ist für eine Gruppe von Schülerinnen und Schülern aber auch eine Förderung der mathematischen Kompetenz für die weitere schulische Entwicklung dringend erforderlich. Deshalb fordern wir den Senator auf, zusätzliche Maßnahmen zur Stärkung der mathematischen und naturwissenschaftlichen Kompetenzen zu ergreifen. In Bremerhaven, finde ich, ist das sehr positiv, dass jetzt alle Sekundarstufen das Programm Sinus aufnehmen. Für alle zwölf Sekundarstufen in Bremerhaven wird dieses Programm eingeführt. Es ist ein Modellprojekt, das gerade den Mathematikunterricht stärker in den Vordergrund rücken soll. Dort werden mathematische Kompetenzen sehr gut und sehr sinnvoll entwickelt. Das wünschten wir uns auch für Bremen, dass das in die Fläche ausgeweitet und mit den neuen Lehrplänen stärker verzahnt wird.

Die Schüler haben nach Klasse vier großes Interesse, das ist ein wesentliches Ergebnis von Iglu, an Naturwissenschaften, aber wenn sie in Klasse fünf kommen, finden Sie keinen entsprechenden Unterricht vor, der ihre Neugier aufnimmt.

(Glocke) Jetzt hat der Präsident mich leicht aus dem Konzept gebracht, aber das macht nichts. Ein Anblick kann einen völlig verstören!

(Heiterkeit)

Das ist aber nicht böse gemeint.

Präsident Weber: Eigentlich erweckt mein Anblick das nicht. Ich habe sonst andere Ergebnisse!

Abg. Frau Stahmann (Bündnis 90/Die Grünen): Liebe Kolleginnen und Kollegen, um es kurz zu machen, wir finden, der Senat hat noch eine ganze Menge zu tun nach der Veröffentlichung der Alles, was er uns bisher vorgelegt hat, ist mehr als dürftig. Ich finde, der Senat kann sich nicht darauf zurückziehen, dass er vor drei Jahren Pisa-Sofortmaßnahmen auf den Weg gebracht hat.

Wir sagen, es muss deutlich mehr passieren. Auch Iglu muss Konsequenzen haben, die über die Einführung von Ganztagsschulen ­ die finden wir sehr richtig ­ noch deutlich hinaus gehen. Wir müssen ein Förderkonzept entwickeln, das in den Kindergärten ansetzt und die Kinder praktisch durch die Schule begleitet. Nicht die Kinder sind schuld an den schlechten Lernergebnissen, es ist der Unterricht, und es sind auch die Lehrer und der Bildungssenator, der sich fragen muss, was er besser machen kann, um den Kindern ihre Bildungschancen zu eröffnen, die sie verdienen. ­ Danke!

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen) Präsident Weber: Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hövelmann.

Abg. Frau Hövelmann (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Untersuchung, über die wir hier sprechen, stammt aus dem Jahr 2001.

17. Sitzung am 5. 5. 04 921

Wir sind heute im Jahre 2004, das heißt also, dass in der Zwischenzeit eine ganze Menge passiert ist.

Die Untersuchungsergebnisse waren niederschmetternd, Frau Stahmann hat es geschildert. Ich möchte nicht ihre ganzen Analysen wiederholen, die ich voll teile und die auch überhaupt nicht strittig sind.

Vielleicht sollte man noch etwas ergänzen. Liebe Kollegin Stahmann, Sie haben zum Schluss die Lehrkräfte erwähnt. Die Untersuchung aus 2001 weist leider auch für die Lehrkräfte ein verheerendes Ergebnis auf. Sie stellt ein schlechtes Zeugnis aus: geringe Fortbildungsbereitschaft, geringe Teamfähigkeit, keine Methodenvielfalt et cetera.

Ich finde die Antwort des Senats übrigens sehr umfangreich und auch sehr detailliert. Ich werde Ihnen gleich mit einigen Zitaten belegen, dass Ihre Fundamentalkritik nicht fair gewesen ist, Kollegin Stahmann. Ich glaube, Sie wissen das auch. Ich gehe nicht auf alle Punkte ein, sondern ich suche mir die Punkte heraus, die ich unter die Überschrift Konsequenz stelle: Konsequenzen aus Iglu, Konsequenzen, um die Qualität des Unterrichts zu verbessern, denn das ist unstrittig, die Qualität muss verbessert werden. Es ist aber seit 2001 sehr viel passiert.

Die Zahl der Unterrichtsstunden in Deutsch und in Mathematik in der ersten und zweiten Klasse ist erhöht worden. Wir haben den Englischunterricht mit zwei Stunden eingeführt. Die Ausweitung der verlässlichen Grundschule ist in der letzten Bürgerschaftssitzung Thema gewesen. Mittlerweile werden alle Grundschulen, die eine höhere Anmeldezahl als 90 Prozent haben, und das sind sehr viel mehr, als viele Kritiker zur Einführung der verlässlichen Grundschule gedacht haben, zu 100 Prozent zu verlässlichen Grundschulen umgewandelt. Natürlich, völlig richtig, die Einrichtung von Ganztagsschulen im Grundschulbereich geht rasant voran!

Mein Kollege Pietrzok und ich machen im Moment mit den Bildungs- und Sozialdeputierten eine Tour durch die Grundschulganztagsschulen, die es schon gibt und die in spe. Wir sehen auch, was für ein Schwung bei der Entwicklung eines Schulprogramms durch die Schulen geht. Als Letztes waren wir im Baumschulenweg. Dort wird mit zwei Dritteln der Schüler, und das ist in einem sehr bürgerlichen Stadtteil, im Sommer ins Ganztagsprogramm gestartet. Die Lehrer werden nachmittags unterrichten, und es wird sich rasant schnell viel verändern.

Das merken wir, und es weht auch ein frischer Wind durch die Kollegien.

Das hat übrigens nichts mit Alter zu tun, um das deutlich zu sagen, sondern das hat etwas mit der Einstellung und der Annahme der Ergebnisse von Iglu und auch mit der Frage nach Konsequenz zu tun. Ich fordere Sie auf, diejenigen, die hier eben ein bisschen heiter gelacht haben, sehen Sie sich die Schulen an, und nehmen Sie ernst, was da passiert! Ich ziehe meinen Hut vor den Kolleginnen und Kollegen, die auch in den Fünfzigern jetzt anfangen umzustrukturieren, gerade an so einer Grundschule wie am Baumschulenweg oder wie am Buntentorsteinweg, wo wir ebenfalls letzte Woche waren. Davor waren wir in der Andernacher Straße in einem sehr schwierigen Quartier in Tenever. Was dort in den Kollegien konzeptionell und an Schulprogramm geleistet wird, verdient unsere Bewunderung und eigentlich nicht so eine gewisse der Nichtwissenheit oder der Unkenntnis geschuldete Häme. Sprachstandserhebung schon im Vorschulbereich

­ ich gehe aber gleich auf Ihre Kritik noch einmal mit Zitaten aus der Großen Anfrage ein ­, flächendeckende, standardisierte Überprüfung der Lesekompetenz am Ende der Jahrgangsstufe eins, Leseintensivkurse im zweiten Jahrgang, Leseclubs an jeder Schule! Ich weiß, wovon ich rede, und ich bedanke mich bei dieser Gelegenheit auch beim Parlament, das die Leseinitiativen, die Bremer Leselust sehr intensiv unterstützt. Wir wissen alle, wie wichtig diese grundlegende Fertigkeit ist.

Spezielle Förderkurse für Schülerinnen und Schüler mit Lese-Rechtschreib-Schwäche, auch die greifen. Wenn wir heute die Menschen, die Schülerinnen und Schüler und vor allem die Eltern fragen, dann hören wir, dass sie froh und dankbar sind, dass jetzt ein ganz konkretes Programm wirkt und dass der Lernerfolg nicht dem Zufall überlassen wird, wie es vielleicht noch vor Jahren gelaufen ist.

Ich komme zu den Vorkursen für Sprachanfänger mit Migrationshintergrund. Natürlich ist das ein Problem, und dem müssen wir uns auch stellen. Die hat ja gezeigt, dass Kinder mit Migrationshintergrund am Ende der Grundschulzeit deutlich hinter Kindern liegen, die Deutsch als Muttersprache haben.

Einen Punkt möchte ich noch erwähnen, den ich ebenfalls nicht aus den Augen verlieren möchte, denn es ist die Förderung von Kindern mit besonderer Begabung. Auch hier ist ein wissenschaftlich untermauertes Konzept entwickelt worden. Die Fortbildungen an den Schulen laufen unter der Überschrift Heterogenität, also Arbeiten mit Gruppen mit unterschiedlichen Kindern, die ganz unterschiedliche Voraussetzungen mitbringen. Vergleichsarbeiten werden weiter geschrieben. Das läuft still und friedlich vor sich ab. Die Ergebnisse werden in die Schulen gespiegelt, es wird darüber gesprochen, und auch hier stellt sich wieder die Frage nach der Konsequenz. Es wird geschaut: Was bedeutet das für unsere Schule, dass wir in dem und dem Punkt anders liegen als Schulen in einem vergleichbaren sozialen Umfeld?

Nicht zu vergessen die Projektmittel, die es gibt zur Senkung der Wiederholerquote, ein Programm, von dem ich erwarte, demnächst eine Auswertung zu bekommen! Aus den Schulen hören wir, dass dieses Programm greift. Geld wird nicht mit der Gießkanne, sondern erfolgsorientiert verteilt. Wie gesagt, meine Überschrift ist Konsequenz!

Ich komme zu dem Punkt Elementarbereich, Frau Stahmann, und jetzt beziehe ich mich auf Sie. Ich habe gelernt, wir haben alle durch Pisa und Iglu gelernt, auf den Anfang kommt es an. Sie haben gesagt: Da ist nichts passiert, da wünsche ich mir mehr, oder da ist noch nichts in Gang gekommen. Ich zitiere mit Genehmigung des Präsidenten aus der Großen Anfrage, die sagt auf die Frage, was denn nun tatsächlich in den Kindergärten in Bremen und Bremerhaven passiert ist: In beiden Stadtgemeinden, ich rede über den Kindergartenbereich, wurden Sprachförderprogramme, familienunterstützende Maßnahmen, insbesondere für Familien mit Migrationshintergrund, Projekte zur Systematisierung des Übergangs vom Kindergarten in die Schule und Qualifizierungs- und Fortbildungsprogramme initiiert und durchgeführt. Man kann ja nicht erwarten, wir wissen ja, was für lange Abläufe es gibt, dass sofort alles sichtbar besser wird. Wir werden aber bald die nächsten Untersuchungen haben, und dann werden wir ja sehen!

Der nächste Punkt, den Sie kritisiert haben, Frau Stahmann, ist, dass die Sprachstandserhebungen zu spät erfolgen! Hier heißt es in der Antwort des Senats in der Tat, die Fünfjährigen sind das Ziel gewesen, aber hier heißt es: Flächendeckende Untersuchungen sind für Kinder ab dem dritten Lebensjahr zurzeit nicht realisierbar und in diesem Umfang nicht beabsichtigt. Allerdings ist im Zusammenhang mit der Einführung individueller Lernentwicklungsdokumentationen geplant, auch die Kompetenz der Kinder und deren Entwicklung ab Eintritt in den Kindergarten festzustellen und zu beschreiben. Dem Sprachvermögen wird dabei eine zentrale Rolle beigemessen. Das ist ein Schritt. Rom ist nicht an einem Tag erbaut worden, und in Deutschland hat sich die Erkenntnis, wie wichtig die Kindergärten in der Entwicklung der späteren Schülerinnen und Schüler zu bewerten ist, leider jetzt erst durchgesetzt.

Ich komme zum Schluss, meine Damen und Herren! Die größte Aufgabe ist und bleibt die Verbesserung der Qualität an den Schulen. Das trifft die Grundschulen genauso wie die anderen Schularten.

Die Lehrkräfte müssen zu Kooperation und Teamarbeit motiviert und verpflichtet werden. Bremen hat sich auf einen Weg gemacht, auf den Weg aus dem Iglu-Dilemma gemacht, und das ist richtig. Dieser Weg ist lang, ich habe es gesagt.

Die Aufgaben, die noch vor uns liegen, möchte ich kurz umreißen. Erster Punkt: Kindergarten, KTH und Schule müssen weiter und enger zusammenarbeiten. Zweiter Punkt: Wir müssen die Schulleitungen stärken. Dritter Punkt: Das Schuldatenschutzgesetz muss überarbeitet werden. Vierter Punkt: Schulprogramme müssen entwickelt werden. Das passiert bei den Pilotschulen, bei den. Das muss aber weitergehen. Fünfter Punkt:

Das Landesinstitut für Schulen muss auf seine Leistungsfähigkeit hin überprüft werden. Wir haben ja gerade im Haushalts- und Finanzausschuss die Mittel dafür freigegeben. Sechster Punkt: Ganztagsschulen müssen weiterentwickelt werden. Ich möchte auch, dass wir das Tempo mindestens beibehalten, obwohl ich weiß, wie schwierig das finanziell ist, und siebter Punkt: Die Lehrerarbeitszeit muss überarbeitet werden.

Wir werden die Probleme nicht zudecken, meine Damen und Herren, sondern lösen. Dafür tragen wir die Verantwortung. Ich finde, die Antwort auf die Große Anfrage zeigt, dass das Thema und angemessen ernst genommen wird, und im Prinzip, Frau Stahmann, weiß ich, dass Sie auch anerkennen, dass eine ganze Reihe von positiven Entwicklungen vor sich geht. Natürlich ist es unsere Aufgabe zu treiben, Sie als Opposition und wir als Regierungsfraktion, dass es noch schneller geht, und deshalb freue ich mich weiter auf eine gute Zusammenarbeit mit Ihnen. ­ Danke schön! Präsident Weber: Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Rohmeyer.

Abg. Rohmeyer (CDU): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Vieles ist schon gesagt worden, und, liebe Frau Kollegin Stahmann, liebe Frau Kollegin Hövelmann, wir sind uns auch in vielen Punkten sehr einig.

(Abg. Frau Stahmann [Bündnis 90/Die Grünen]: In zentralen aber nicht!)

Den wesentlichen Punkt haben Sie, liebe Frau Stahmann, auch schon erwähnt. Der wesentliche Punkt ist, und aus diesem Punkt leiten wir dann weitere Maßnahmen ab, die Expertenuntersuchungen, die jetzt gestartet wurden, und die Maßnahmen, die wir vor drei Jahren, wie Sie völlig zu Recht sagten, nach Pisa eingeleitet haben, auf ihre Wirksamkeit hin zu untersuchen. Dies werden wir jetzt machen. Erst danach werden wir dann auch über weitere Schritte nachdenken, wenn wir nämlich wissen, ob das, was wir dort eingeleitet haben, auch wirklich die Wirksamkeit hat, die wir uns damals versprochen haben. Darum kann ich auch verstehen, dass Sie als Opposition sagen, das geht hier alles nicht schnell genug, und im Großen und Ganzen noch einen Antrag dazu gemacht haben, den wir ablehnen werden, weil er überflüssig ist.

Dieser Antrag beinhaltet nur Sachen, die schon laufen, die beschlossen worden sind.