Betreuungsbereich verbessern

Bremen darüber nachzudenken, wie man die Arbeit im Betreuungsbereich verbessern kann für die Betroffenen, wie man aber auch in diesem Bereich zu Einsparungen kommen kann. Die Kosten, von denen ich eben gesprochen habe, müssen reduziert werden. Ich glaube, dass es dort durchaus vernünftige Wege gibt.

Wir meinen, dass dies ein Thema ist, das im Einzelnen noch gründlicher behandelt werden muss, das eine genauere Betrachtung verdient hat, und schlagen deshalb vor, dass dieses Thema im Rechtsausschuss noch einmal gründlicher aufgerufen wird, und zwar mit Vertretern aus der Justiz, die uns berichten können, wie dieses Verfahren eigentlich im Einzelnen abläuft. Wir wollen auch gern die Betreuungsvereine noch zu Wort kommen lassen, um uns einen besseren Überblick über dieses Thema zu verschaffen.

Wir meinen, dass man die bundesweit laufende Diskussion nutzen muss, um sich mit sinnvollen Vorschlägen einzubringen. Der Bundestagsausschuss, der dafür zuständig ist, wird nach unserer Kenntnis Mitte bis Ende Mai öffentliche Anhörungen durchführen. Es ist noch ausreichend Zeit, damit wir als Parlament uns auch noch einmal in diesem Verfahren zu Wort melden. ­ Ich danke Ihnen! Vizepräsident Ravens: Als Nächster hat das Wort der Abgeordnete Knäpper.

Abg. Knäpper (CDU): Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Herr Grotheer hat schon einiges vorweggenommen zur Großen Anfrage vom Bündnis 90/Die Grünen, und die Antwort des Senats liegt uns allen vor. Bevor ich in das Thema einsteige, möchte ich doch noch ein paar Anmerkungen machen.

Die Große Anfrage vom Bündnis 90/Die Grünen ist eine sehr wichtige Anfrage gewesen, ich kann das nur unterstreichen, da dieses Thema Auswirkungen hat, die uns aufgrund der demographischen Entwicklung schon eingeholt haben, denn immer mehr alte und greise Menschen, so ist es nun einmal, liebe Kolleginnen und Kollegen, können ihre persönlichen Angelegenheiten nicht mehr allein regeln, sondern brauchen rechtliche Hilfe.

Es war schon im letzten Jahrhundert Tradition in Deutschland, vor allem in christlichen Bereichen, sich um die Armen zu kümmern, die Armenpflege war früher nur Aufgabe der Kirchen. Mit der Aufhebung und dem Verfall kirchlicher Stiftungen am Anfang des neunzehnten Jahrhunderts wurde die Armenpflege zunehmend zu einer Aufgabe der Gemeinden, in denen die Bedürftigen wohnten.

Der vom Bundesrat eingebrachte Gesetzentwurf, Herr Grotheer hat auch schon darauf hingewiesen, und auch Frau Linnert hat es erwähnt, der auf der Reform von 1992 aufgebaut ist, deren Zielsetzung jetzt weiter verfolgt und verbessert werden soll, geht in die richtige Richtung. Es hat aber für die CDU, das kann ich für meine Fraktion noch einmal deutlich herausstellen, oberste Priorität, dem freien Willen eines jeden Menschen auch im Alter oder bei chronischer Krankheit absoluten Vorrang einzuräumen, damit der Ausdruck seiner Würde und sein Selbstbestimmungsrecht erhalten bleiben.

(Beifall bei der CDU)

Der Senat unterstützt den Gesetzentwurf, wie es der Antwort zu entnehmen ist, und ich glaube, es ist eine gute Entscheidung gewesen.

Das Thema, das wir hier debattieren, ist wichtig, weil es nicht nur ein juristisches Thema ist, es hat natürlich auch wirtschaftliche Auswirkungen. Es kommt zwar im Justizbereich häufiger vor, aber ich weise darauf hin, dass es ein ganz zentraler Bereich unserer gesellschaftlichen Wirklichkeit ist. Es geht um die Menschen, die, weil sie krank sind ­ psychisch, seelisch, geistig oder auch körperlich krank, wenn sie behindert sind ­, ihre eigenen Angelegenheiten nicht mehr regeln können, also um Mitmenschen, die unsere Hilfe benötigen.

Jetzt müssen wir uns natürlich fragen, wie wir das neu organisieren. Welche Verantwortung hat der Senat gegenüber den Menschen, die ihr Leben nicht allein bewältigen können? Die Kosten in diesem Bereich, auch das hat Herr Grotheer angesprochen, sind in Bremen leider nicht konkret abgefragt worden, ich meine aber, die Kosten in der Bundesrepublik, ich habe es nachgelesen, sind in den letzten Jahren um das Achtzigfache gestiegen. Bundesweit, auch die Zahlen wurden von Herrn Grotheer genannt, ich habe ähnliche Zahlen vorliegen, soll es sich im Jahr 2001 um 350 Millionen Euro gehandelt haben.

Diese Zahlen belegen vor allen Dingen, dass wir eine Überalterung unserer Gesellschaft haben. Altersdemenz ist eine häufige Ursache für die Betreuung von Menschen. Wir werden immer mehr Hilfsbedürftige in Bremen und in Bremerhaven bekommen. Dies liegt aber auch daran, dass sich die Familien eher auflösen, der soziale Zusammenhalt fehlt und die Nächstenliebe im Familienverband in vielen Fällen verloren gegangen ist.

Wir müssen uns fragen, und der Senat hat auch zu den Fragen der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen ausführlich Stellung bezogen, wie wir in der Zukunft mit diesen Menschen umgehen und wie teuer sie uns sind.

Leider ist vergessen worden, ich habe es vorhin schon einmal gesagt, konkret in finanzieller Hinsicht nach den Betreuungsvereinen zu fragen. Zahlen und Summen sind in der Antwort nicht genannt worden.

Man bekommt dann die Antwort auf die Frage, wie der Senat die aktuelle Lage der Betreuungsvereine in finanzieller Hinsicht beurteilt ­ Frau Linnert, das haben Sie abgefragt ­, dass der Senat die finanzielle Lage der Betreuungsvereine als angespannt ansieht. Dass die Förderung der Betreuungsvereine im Bundesvergleich in einem akzeptablen Umfang geschieht, ist selbstverständlich. Ich hätte schon gern, wenn wir hier dieses Thema debattieren, konkrete Zahlen gehabt. Herr Grotheer hat bereits darauf hingewiesen, dass wir dies im Rechtsausschuss nachholen. Da werden wir dann auch Zahlen vorgelegt bekommen.

Da wir leere Haushaltskassen haben, müssen wir die Ressourcen effizient einsetzen, um weiter angemessen helfen zu können. Darum sieht auch meine Fraktion den Reformbedarf, das bisherige Recht zu verbessern, denn die Förderung der Betreuungsvereine darf nicht in Frage gestellt werden. Mit dem Aufbau der notwendigen Betreuungsstrukturen, vor allen Dingen in den Behörden, im Einzelnen dem Vormundschaftsgericht, den Betreuungsbehörden, den Betreuungsvereinen, den ehrenamtlichen Betreuerinnen und Betreuern, den Berufsbetreuerinnen und -betreuern, ist es aber in Bremen und Bremerhaven gelungen ­ und da habe ich mich erkundigt ­, ein funktionierendes Netzwerk der Betreuung einzurichten, das auch eine Qualitätssicherung in der Betreuung gewährleistet.

Die Problematik, auch der Senat weist in seiner Antwort darauf hin, besteht bei den Betreuungsvereinen in der Kostenentwicklung. Der steigende Kostenaufwand für Betreuungssachen im Justizbereich zwingt uns zu Reformen, denn auch das Sozialressort muss sich darauf einstellen. Bei allen Notwendigkeiten für die Reformen muss allerdings ein funktionierendes Gesamtsystem sichergestellt bleiben. Es muss auch weiterhin eine Qualitätssicherung in der Betreuung gewährleistet sein.

Eng mit dieser Frage verbunden ist ein unter Kostenaspekten diskutierter Kernpunkt: Soll die Vergütung für Berufsbetreuer pauschaliert werden?

Auch dazu hat Herr Grotheer schon einiges gesagt.

Hier müssen, sage ich einmal, einvernehmliche und tragbare Lösungen gefunden werden, denn die Höhe der Vergütungen muss sachgerecht sein. Eine Pauschalierung der Vergütung darf nicht dazu führen, dass vermehrt auf die Betreuungsbehörden als Ausfallbürge zurückgegriffen wird und sie dann zeitaufwendige Betreuungen übernehmen müssen. Bei einer Pauschalierung der Vergütung muss gewährleistet sein, dass Betreuungstätigkeit kostendeckend zu leisten ist.

Insgesamt gesehen, und da werden Sie mir zustimmen, hat das Thema eine hohe fiskalische Relevanz. Es wirft aber auch eine Menge an Fachfragen auf, die wir dann auch im Rechtsausschuss, Herr Grotheer, klären können. Es besteht Reformbedarf.

Es ist ein Bedarf vorhanden, die Effizienz des bisherigen Systems, des bisherigen Rechts zu verbessern.

Neben der prinzipiellen Anerkennung des Reformbedarfs möchte ich noch hinweisen auf das Prinzip der Subsidiarität ­ Herr Grotheer hat dazu auch schon Stellung genommen ­, ein ebenso altes, aus der christlichen Sozialethik stammendes wie heute aktuelles gesellschaftsethisches Gestaltungsprinzip!

Subsidiarität in der Betreuung heißt dem Sinn nach:

Wir müssen die Betreuung so organisieren, dass die Gesellschaft, die kleine Einheit, Vorrang gegenüber dem Staat hat, weil sie die nähere, die familiäre und die menschliche Zuwendung zum Hilfsbedürftigen gegenüber staatlichen Hilfeleistungen bedeutet. Aus diesem Grund ist es auch richtig, dass die Vorsorgevollmacht als private Möglichkeit gestärkt wird.

(Beifall bei der CDU)

Wir wollen natürlich nicht viele Bürger dazu bringen, eine Vorsorgevollmacht zu unterschreiben, sondern wir müssen, wenn das System greifen soll, alles dazu leisten, dass die Hilfe im Fall der Betreuungsbedürftigkeit tatsächlich gewährt werden kann.

Ich kann einmal kurz ein Beispiel dazu nennen:

Wenn ein Ehemann, der einen Verkehrsunfall hat, nur allein ein Konto auf der Bank führt und in einem nicht ansprechbaren Zustand in ein Krankenhaus kommt, hat nach geltendem Recht der andere Ehegatte, der keine Kontovollmacht besitzt, noch nicht einmal Zugriff auf das Konto, um seinen eigenen Lebensunterhalt zu bestreiten. Es ist landläufige Auffassung, meine Damen und Herren, dass in einem solchen Fall der Ehegatte befugt sei, die notwendigen Maßnahmen zu ergreifen, vor allem auch Erklärungen im Hinblick auf die ärztliche Behandlung des Ehegatten abzugeben. Dies ist jedoch nicht richtig. Wo keine Vorsorgevollmacht vorliegt, muss nach der bisherigen Rechtslage ein Betreuer bestellt werden. Betreuer wird in der Regel natürlich der Ehegatte. Dafür muss dann jedoch nicht nur die Justiz tätig werden, sondern auch die Betroffenen müssen belastende Verfahren, Gutachten und Anhörungen über sich ergehen lassen. Viele Menschen wissen das nicht, aber es ist so! Wenn der Betreuungsfall eintritt, muss also geholfen werden beziehungsweise Rat erteilt werden können.

Die ehrenamtliche Betreuung muss aber Vorrang haben, auch das ist hier schon von meinen Vorrednern erwähnt worden. Die meisten der Betreuten werden ehrenamtlich betreut. Das sehe ich positiv, und wir müssen dafür auch dankbar sein. Wenn ich allerdings das ganze Thema betrachte, ist es ein Wermutstropfen, wenn ich dann sehe ­ ich habe mich erkundigt ­, dass der pauschale Aufwendungsersatz für ehrenamtliche Betreuer 312 Euro im Jahr beträgt.

Dieser Betrag, ich habe es kaum für möglich gehalten, meine Damen und Herren, ist steuerpflichtig!

18. Sitzung am 6. 5. 04 957

Wenn Sie das durch zwölf teilen, sind das 26 Euro im Monat. Dafür bekommt dann der Nachbar, der für seinen Nachbarn, den er schon jahrelang kennt, die Rechtsgeschäfte führt, weil er Altersdemenz hat, - Euro im Jahr, und dann ist dies auch noch steuerpflichtig! Deshalb müssen wir auch in diesem Bereich das Ehrenamt attraktiver machen.

Sie, meine lieben Kolleginnen und Kollegen von der SPD, aber auch vom Bündnis 90/Die Grünen, stellen die Regierung in Berlin. Teilen Sie Ihren Kollegen in Berlin mit, dass es ein falscher Ansatz ist, ehrenamtliche Arbeit in diesem Bereich ­ ich sage hier noch einmal den Betrag: 312 Euro im Jahr! ­ zu besteuern! Das muss korrigiert werden. Ich bitte um Ihre Mithilfe, dass dies geändert wird. ­ Danke schön!

(Beifall bei der CDU) Vizepräsident Ravens: Das Wort erhält Frau Senatorin Röpke.

(Zuruf von der SPD: Wie war das bei Helmut Kohl? Wurde das besteuert?) Senatorin Röpke: Herr Präsident, meine Damen und Herren! Es ist in der Tat sehr zu begrüßen, dass wir im Betreuungsrecht endlich von dem alten Vormundschaftsrecht weg sind, obwohl wir immer wieder feststellen müssen, auch in Einzelfällen, die durch die Presse gehen, dass das in den Köpfen der Menschen noch nicht angekommen ist. Daran müssen wir also insgesamt noch arbeiten. Es ist aber sehr zu begrüßen, dass insbesondere die Selbstbestimmungsrechte der Bürgerinnen und Bürger im neuen Betreuungsrecht gestärkt worden sind.

So erfolgreich dieser Paradigmenwechsel ist, so sehr hat sich doch auch gezeigt, dass eine Umsetzung des Rechts es wieder erforderlich macht, eine Novellierung vorzunehmen. Deswegen haben die Länder nach einer zweijährigen, sehr intensiven Vorbereitungsphase eine erneute Novellierung des Betreuungsrechts eingeleitet. Dieser Gesetzentwurf liegt jetzt Bundestag zur Beratung vor.

Für Bremen heißt das, dass wir die bundesrechtlichen Rahmenvorgaben ausfüllen müssen. Es geht um die Frage, wie die Strukturen dann aufzustellen sind, wie sie zu fördern sind und was wir erhalten müssen. Es geht natürlich auch um die Qualität von Betreuungsarbeit.

Der Anteil der Bürgerinnen und Bürger, der eine ehrenamtliche Betreuung oder eine hauptamtliche Betreuung benötigt, ist in der Tat gestiegen, das ist schon gesagt worden, auch im Land Bremen. Im Jahr 2003 waren über 9000 Bürgerinnen und Bürger von der Betreuung betroffen, Tendenz, wie gesagt, steigend. Ehrenamtlich geführt wurden 47 Prozent dieser Betreuungen, also eine beachtliche Zahl, ein beachtliches Engagement von Bürgerinnen und Bürgern. Aus diesen Zahlen ergibt sich, dass es ein Anliegen sein muss, zur Unterstützung der Bürgerinnen und Bürger ein effizientes Hilfesystem vorzuhalten, aber auch die Möglichkeiten der Stärkung des Selbstbestimmungsrechts weiterzuentwickeln.

Die Betreuungsvereine nehmen in diesem Zusammenhang in der Tat eine wichtige Aufgabe wahr.

Sie nehmen die so genannte Querschnittsaufgabe der Motivation von Menschen zur Betreuung, der Beratung, der Fortbildung von ehrenamtlichen Betreuern und der planmäßigen Information wahr.

Im Land Bremen sind über 4000 Menschen zu einer ehrenamtlichen Betreuung bereit, das ist beachtlich, und wir müssen alles tun, damit die Motivation erhalten bleibt. Ich weiß auch, dass es für viele schwierig ist, sich durch diesen Dschungel von Vorschriften, von Zuständigkeiten durchzukämpfen, dass es vielen auch nicht einfach gemacht wird und viele große Schwierigkeiten haben, ihre Anliegen im Interesse der Menschen, die sie betreuen, durchzusetzen. Deswegen brauchen gerade auch ehrenamtliche Betreuer gute und abgestimmte Hilfsangebote. Ich teile die Auffassung, dass wir da noch besser werden müssen, dass es noch transparenter sein muss und auch die Zusammenarbeit noch besser werden muss. Es ist ja auch schon gesagt worden, dass das Ganze zum Teil sehr justizlastig ist.

Was die Landesförderung betrifft, ist klar, dass sie auch in diesem Förderbereich mit der schwierigen Haushaltssituation zu kämpfen hat. Das ist zugestanden, das ist gar keine Frage. Die schwierige Haushaltslage führt dazu, Frau Linnert hat es ja dargestellt, dass nicht alle zu Recht geforderten und optimalen Leistungen auch optimal entgolten werden können. Darum brauchen wir nicht herumzureden.

Gleichwohl, wenn man das im Bundesvergleich sieht, denke ich schon, dass wir da im Mittelfeld liegen.

(Abg. Frau Linnert [Bündnis 90/Die Grünen]: Nein, das ist nicht wahr!) Sorge bereitet den Betreuungsvereinen die Refinanzierung des Aufgabenbereiches Führung von Betreuung, der allerdings durch Bundesgesetz geregelt ist. Dieses Berufsvormündervergütungsgesetz legt Stundensätze fest, die seit 1999 nicht geändert worden sind. Damit stellt sich den Betreuungsvereinen das Problem, dass diese Stundensätze nicht an allgemeine Kostenentwicklungen, aber vor allen Dingen auch nicht an tarifrechtliche Kostenentwicklungen angepasst worden sind.

Wir haben ein hohes Interesse daran, die Arbeit der Betreuungsvereine abzusichern. Wir haben die Betreuungsvereine auch gebeten, uns Vorschläge zu machen. Die LAG hat angekündigt, dass sie ihre Vorschläge vorstellen will. Wir haben auch der LAG ein Gespräch angeboten, das hoffentlich in Kürze stattfinden wird, in dem wir uns gemeinsam mit der LAG über die Arbeit der Betreuungsvereine verständigen wollen, um die Absicherung zu garantieren.