Rechtsextremismus

Erst im Laufe der Zeit driftete ein Teil der Skinhead-Szene in den Rechtsextremismus ab. Zum einen bestanden Abgrenzungsbestrebungen gegenüber den „linken" Punks, zum anderen bekam die Szene Zulauf aus dem neonazistischen Lager, nachdem die Skinheads aufgrund der Provokation mit rechtsextremistischen Zeichen in der Öffentlichkeit zum Symbol des Rechtsextremismus schlechthin wurden.

Das Thema Rechtsextremismus spaltet die Skinhead-Szene. Viele Skinheads ­ wie zum Beispiel die sich selbst als unpolitisch bezeichnenden „Oi!-Skins" oder politisch links orientierte Skinheads („Redskins") ­ wehren sich gegen die Vereinnahmung der Szene. Wissenschaftler schätzen, dass etwa zwischen 30 und 60 Prozent der Skinhead-Szene rechtsextremistisch eingestellt sind.

Es handelt sich dabei allerdings nicht ausschließlich um fanatisierte Neonationalsozialisten. Obwohl es auch überzeugte, ideologisch gefestigte rechtsextremistische Skinheads gibt (so genannte Neonazi-Skins), hat ein großer Teil nur ein diffuses rechtsextremistisches Weltbild.

Rechtsextremistische Skinheads sind dem aktionsorientierten Rechtsextremismus zuzuordnen. Sie sind zum großen Teil organisationsfeindlich eingestellt und lehnen eine Einbindung in feste (Partei-)Strukturen ab. Versuche rechtsextremistischer Parteien, das Skinhead-Potenzial dauerhaft an sich zu binden (z. B. durch die „Aktionsfront Nationaler Sozialisten" Anfang der 80er Jahre, die „Freiheitliche Deutsche Arbeiterpartei" Mitte der 80er Jahre oder die „Nationale Alternative" Anfang der 90er Jahre), scheiterten. Den jüngsten Versuch machte die NPD mit ihrem „Drei-Säulen-Konzept" (NPD).

Im Gegensatz zu den Parteien, die von den rechtsextremistischen Skinheads überwiegend als szenefremd wahrgenommen werden, konnten sich in Deutschland seit Anfang der 90er Jahre zwei rechtsextremistische Skinhead-Zusammenschlüsse etablieren: „Blood & Honour" () und die „Hammerskins" ().

Die Sozialstruktur der rechtsextremistischen Skinhead-Szene ist von einer starken Dominanz junger Männer geprägt. Der Frauenanteil der Szene in Berlin liegt bei knapp 20 Prozent. Die Berliner Skinheads rekrutieren sich zum überwiegenden Teil aus den Jahrgängen 1968 bis 1982 (ca. 85 Prozent). Besonders stark vertreten sind die heute 20 bis 28-Jährigen ­

Vgl. Christian Menhorn: Skinheads: Portrait einer Subkultur. Baden-Baden 2001, S. 22, 149 ff.

Farin geht von ca. 30 %, Menhorn von einem höheren Anteil aus (über 50 %). Weltzer schätzt die Zahl in den alten Bundesländern auf 30 bis 50 %, in den neuen Ländern liege der Anteil wesentlich höher. Vgl. Klaus Farin: Interview. In: „Jungle World" Nr. 51, 17.12.1997; Jörg Weltzer: Skinheads, Nazi-Skins und rechte Subkultur. In: Jens Mecklenburg (Hg.): Handbuch Deutscher Rechtsextremismus. Berlin 1996, S. 782 - 791, hier: S. 785.

204 Verfassungsschutzbericht Berlin 2004 diese Altersgruppe macht mehr als die Hälfte aller rechtsextremistischen Skinheads aus (ca. 55 Prozent). Entgegen einem verbreiteten Vorurteil entspricht das formale Bildungsniveau der (gesamten) Skinhead-Szene dem gesellschaftlichen Durchschnitt. Gleiches gilt für die Arbeitslosenquote ­ sie liegt in der deutschen Skinhead-Szene etwa bei neun Prozent.

Den geographischen Schwerpunkt hat die rechtsextremistische Skinhead-Szene Berlins im Ostteil der Stadt (über 80 Prozent). Besonders stark ist sie in den Bezirken Lichtenberg, Marzahn-Hellersdorf und Pankow. „Vandalen ­ Ariogermanische Kampfgemeinschaft" (Vandalen) Organisationsstruktur: Vereinigung Mitgliederzahl: ca. 10 (2003: ca. 10) Entstehung/Gründung: 1982.

Die „Vandalen ­ Ariogermanische Kampfgemeinschaft" (Vandalen) sind eine Gruppe ideologisch gefestigter Neonazis (). Die Gruppe wurde 1982 in Ost-Berlin gegründet und zählt etwa zehn feste Mitglieder, deren Durchschnittsalter bei Mitte Dreißig liegt. Sie machen sich sowohl subkulturelle Codes der „Rocker" wie der „Skinheads" () zu eigen. Durch das uniforme Tragen einer „Kutte" demonstrieren sie ihren Gruppenzusammenhalt.

Im Zentrum ihrer Ideologie steht ein neonazistisches Weltbild in Verbindung mit einem völkischen Germanenkult. Die Mitglieder der „Vandalen" sind äußerst gewaltbereit, stark waffeninteressiert und begingen seit Anfang der 90er Jahre verschiedene Straftaten (u. a. Körperverletzungen und Propagandadelikte). Ein Mitglied der „Vandalen" wurde im Jahr 2000 wegen eines Verstoßes gegen das Waffengesetz zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung verurteilt. Der Verurteilte versuchte, ein Präzisionsgewehr inklusive Schalldämpfer und Zielfernrohr mit passender Munition zu verkaufen. Die selbe Person wurde aufgrund seiner Unterstützung der Neonazi-Band „Landser" 2003 wegen Gefährlicher Körperverletzung in Tateinheit mit Nötigung zu einer Freiheitsstrafe von neun Monaten verurteilt." (Rechtsextremistische Musik)

Die „Vandalen" dominieren das rechtsextremistische Musiknetzwerk in Berlin. Das Clubhaus der „Vandalen" in Hohenschönhausen ist Zentrum und Treffort des Netzwerks. Die herausgehobene Stellung resultiert aus der per354

Vgl. Helmut Heitmann: Die Skinhead-Studie. In: Klaus Farin (Hg.): Die Skins. Mythos und Realität. Berlin 1997, S. 69 - 95.

Hintergrundinformationen ­ Rechtsextremismus 205 sonellen Überschneidung der „Vandalen" mit der inzwischen aufgelösten Neonazi-Band „Landser". Der „Vandalen"-Anführer war Initiator und Sänger der Band und unter den Musikern befanden sich weitere Mitglieder der „Vandalen". Die Bandmitglieder wurden 2003 durch das Kammergericht wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung verurteilt. Da der Anführer gegen das Urteil Revision eingelegt hatte, befand er sich 2004 weiter auf freiem Fuß, produzierte unter dem neuen Namen „Lunikoff-Verschwörung" fortlaufend rechtsextremistische Musik und trat bundesweit auf Live-Konzerten auf, wobei er sich nunmehr bewusst im Rahmen der Legalität bewegt.

Am 10. März 2005 bestätigte der Bundesgerichtshof im Wesentlichen das Urteil des Kammergerichts Berlin356 und der Vandalen-Anführer wird 2005 seine Haft antreten müssen.

Zum engen Umfeld der „Vandalen" gehören Mitglieder von „Lichtenberg 35", der „Kameradschaft Nordland" und ehemalige „Blood & Honour"-Aktivisten (). Ein Mitglied der „Vandalen" ist Schlagzeuger bei der Berliner Neonazi-Band „Spreegeschwader". Die „Vandalen" nehmen eine überregional koordinierende Rolle im rechtsextremistischen Musiknetzwerk ein und unterhalten Kontakte zu zahlreichen rechtsextremistischen Personenzusammenschlüssen, Parteien und Einzelpersonen im In- und Ausland.

Die „Deutsche Volksunion" (DVU) wurde 1987 auf Initiative des Münchner Geschäftsmannes und Verlegers Dr. Gerhard Frey mit Unterstützung der „Nationaldemokratischen Partei Deutschlands" (NPD) als „Deutsche Volksunion ­ Liste D" gegründet. 1991 vollzog Frey mit der Streichung des Namensbestandteils „Liste D" die Trennung von der NPD. Das Organisationsgeflecht rund um die DVU umfasst den 1971 gegründeten Verein