Volksmodjahedin Iran-Organisation

Nachdem die ­ ursprünglich linksextremistisch ausgerichtete ­ „Volksmodjahedin Iran-Organisation" (MEK) seit 1965 bereits für den Sturz des SchahRegimes gekämpft hatte, gehört die Beseitigung des politischen Systems der Islamischen Republik Iran zu ihren erklärten Zielen. Zu diesem Zweck verübte die MEK über ihren im iranisch-irakischen Grenzgebiet stationierten bewaffneten Arm, die „Nationale Befreiungsarmee" (NLA) bis zum Sturz Saddam Hussains terroristische Anschläge im Iran. Die NLA genoss bis dahin die politische und militärische Unterstützung des mit dem Iran verfeindeten Irak und bildete eine 5 000 Personen umfassende Armee, in der Soldatinnen dominierten. Anhänger der Organisation in den europäischen Staaten wurden für zeitlich begrenzte Einsätze in der NLA rekrutiert.

Während des Irak-Krieges im März/April 2003 flüchteten Mitglieder der Organisation nach Europa. Dies geschah unmittelbar vor den Angriffen der US-Luftwaffe auf ihre Militärlager im Irak. Im Mai 2003 schlossen die Alliierten einen Waffenstillstand mit der MEK und begannen mit der Entwaffnung der NLA, die seitdem faktisch nicht mehr existiert. Den noch ca. 3 800 Kämpfern der NLA, die im Hauptstützpunkt „Camp Ashraf" bei Bagdad unter US-Aufsicht gestellt sind, drohte nach einem am 9. Dezem252 Verfassungsschutzbericht Berlin 2004 ber 2003 ergangenen Beschluss des provisorischen irakischen Regierungsrates die Ausweisung in den Iran. Mit dem am 21. Juli 2004 vom Stellvertretenden Generalkommandeur der Multinationalen Truppen im Irak unterzeichneten Memorandum wurde den NLA-Angehörigen der Status von „geschützten Personen" nach den Bestimmungen der Vierten Genfer Konvention zuerkannt.

In Deutschland wird die MEK durch ihren international agierenden politischen Arm, den „Nationalen Widerstandsrat Iran" (NWRI), vertreten. Dessen Aktivitäten konzentrieren sich vor allem auf massive Propaganda gegen den Iran und die Beschaffung von Spendengeldern, die zum Teil auch auf illegalem Wege mittels eigens dafür gegründeter Tarnvereine unter Vortäuschung humanitärer Ziele erfolgt. Staatsbesuche iranischer Politiker in Deutschland nutzt der NWRI regelmäßig für Kundgebungen ­ und in der Vergangenheit auch militante Aktionen ­ mit dem Ziel, die Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und dem Iran zu stören.

Die Organisation geriert sich im Widerspruch zu ihrer inneren Struktur, die durch strenge Hierarchien und einen autoritären Führungsstil gekennzeichnet ist, verstärkt als friedliche und demokratische Exil-Oppositionsbewegung, um so die angestrebte Streichung von den Listen terroristischer Organisationen der EU und der USA zu erreichen. Dafür bedient sie sich einer geschickten Lobbyarbeit unter Einbindung von gesellschaftlichen und politischen Entscheidungsträgern ­ insbesondere Parlamentariern und Menschenrechtsorganisationen ­ in Verbindung mit Kundgebungen, Unterschriftenaktionen und Informationsständen.

In Berlin wurden 2004 zahlreiche Kundgebungen angemeldet, die zumeist nur geringe Teilnehmerzahlen erreichten oder ganz abgesagt wurden.

Thematisiert wurden dabei überwiegend das weitere Schicksal der NLAAngehörigen im Irak und die gesellschaftlichen Verhältnisse im Iran. An einer zentralen Kundgebung am 2. Januar in Nähe der US-Botschaft nahmen etwa 500 Personen teil. Obwohl organisationsintern bundesweit für die Veranstaltung mobilisiert worden war, erschienen deutlich weniger Teilnehmer als erwartet.

Der Vorläufer dieser islamistischen Organisation wurde 1985 unter der Bezeichnung „Vereinigung der Neuen Weltsicht in Europa e. V." („Avrupa Milli Görü Tekilatlari" - AMGT) in Köln gegründet. 1995 gingen daraus die „Islamische Gemeinschaft Milli Görü e. V." (IGMG) und die „Europäische Moscheebau- und Unterstützungsgemeinschaft e. V." (EMUG) hervor. Die EMUG ist für die Verwaltung des Immobilienbesitzes der Vereinigung verantwortlich.

Die „Islamische Gemeinschaft Milli Görü e. V." vertritt eine islamistische Ideologie, die auf das politische Konzept von Necmettin Erbakan zurückgeht, das dieser 1973 in dem gleichnamigen Buch „Milli Görü" (Nationale Sicht) veröffentlichte. Erbakans Ziel ist es, die türkischen Bürger unter dem Dach von Nationalismus und Islamismus zu einen und in der Türkei eine „Islamische Republik" zu errichten. Als politisches und gesellschaftliches Ordnungsmodell propagiert er eine gerechte Ordnung („Adil Düzen"), in welcher die Scharia gilt und politisches Handeln sich an den Prinzipien von Koran und Sunna orientiert. Erbakan lehnt wesentliche rechtsstaatliche Prinzipien wie Volkssouveränität oder Parteienpluralismus als unvereinbar mit der gerechten Ordnung ab und fordert einen Systemwechsel nicht allein für die Türkei, sondern auch für die Bundesrepublik Deutschland. So war noch im Juli 2002 ein Videomitschnitt von Erbakan im Internet zu sehen: „Du willst dich von diesen Sorgen befreien? Um dich von diesen Sorgen befreien zu können, muss aus der Staatsordnung in Deutschland eine gerechte Ordnung werden. Bevor hier keine gerechte Ordnung herrscht, wirst du nicht zu deinem Recht kommen. Alles hängt letztlich davon ab, ob aus der hiesigen Staatsordnung eine gerechte Ordnung wird."

1970 hatte Necmettin Erbakan ­ auf der Grundlage der Milli-Görü-Ideologie ­ seine erste islamistische Partei in der Türkei gegründet. Im Gegensatz zu Parteiführern des linken und rechten Spektrums konnte er trotz

Rede von Necmettin Erbakan, „Adil Düzen" („Gerechte Ordnung", 1990).