Gleichzeitig wird mit dieser Bauordnungsreform auch den Zielen der Expertenkommission Staatsaufgabenkritik

(2) Mit dem Inkrafttreten dieses Gesetzes nach Absatz 1 Satz 1 tritt die Bauordnung für Berlin in der Fassung vom 3. September 1997 (GVBl. S. 421, 512), zuletzt geändert durch Artikel XLV des Gesetzes vom 16. Juli 2001 (GVBl. S. 260), außer Kraft.

A. Begründung

a) Allgemeines:

Zu Artikel I - Bauordnung für Berlin I.

Nach dem im Zuge der 1990 einsetzenden Bauordnungsreformen der Länder sich die Landesbauordnungen erheblich auseinander- und von der Musterbauordnung (MBO) entfernt hatten, wurde im November 2002 von der Bauministerkonferenz eine neue MBO verabschiedet, die die Entwicklung des Bauordnungsrechts in Deutschland neu begründet und stärkt und wieder als Maßstab für die Landesbauordnungen herangezogen werden kann. Berlin greift mit der neuen BauO Bln sehr weitgehend die Konzeptionen der MBO auf (Mustertreue), um seinen Beitrag - parallel zu den Novellierungsbestrebungen anderer Bundesländer - zu einem national weitestgehend einheitlichen, jedoch die spezifischen Randbedingungen des Landes Berlin berücksichtigenden Bauordnungsrechts zu leisten.

Gleichzeitig wird mit dieser Bauordnungsreform auch den Zielen der Expertenkommission Staatsaufgabenkritik entsprochen.

II. 1. Die vorliegende Fassung der BauO Bln beruht auf den grundsätzlichen Erwägungen sich

a) im Verfahrens- wie im materiellen Recht auf die aus heutiger Sicht notwendigen Regelungen zu beschränken und

b) durch weitest gehende Mustertreue zur Transparenz des deutschen Bauordnungsrechts beizutragen.

2. Im Verfahrensrecht knüpft die Neufassung der BauO Bln an die im geltenden Bauordnungsrecht vorhandenen Grundtypen an:

- die Genehmigungsfreistellung (§ 63)

- das vereinfachte Baugenehmigungsverfahren (§ 64)

- das Baugenehmigungsverfahren (§ 65)

Das in Berlin bereits vorhandene Genehmigungsfreistellungsverfahren wird als Genehmigungsfreistellung (§ 63) wesentlich erweitert. Bis auf Sonderbauten (§ 2 Abs. 4) unterliegen alle Gebäude diesem Verfahren, soweit es sich um Vorhaben im Bereich eines qualifizierten Bebauungsplanes handelt.

Auch dem vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (§ 64) unterliegen alle Gebäude bis auf Sonderbauten (§ 2 Abs. 4). Dieses Verfahren findet dort Anwendung, wo ein Vorhaben außerhalb des Geltungsbereiches eines qualifizierten Bebauungsplanes errichtet werden soll. Das Prüfprogramm ist auf eine bauplanungsrechtliche und die Prüfung des "aufgedrängten" sonstigen öffentlichen Rechts (siehe Baugenehmigungsverfahren) reduziert.

Das Baugenehmigungsverfahren (§ 65) ist gegenüber der herkömmlichen Baugenehmigung, die grundsätzlich auf eine umfassende Prüfung aller an das jeweilige Bauvorhaben gestellten öffentlich-rechtlichen Anforderungen zielte und eine umfassende öffentlich-rechtliche Unbedenklichkeitsbescheinigung darstellte, grundlegend d15-3926.doc Seite 57 von 316 neu konzipiert. Das Prüfprogramm ist im Kern auf die spezifisch baurechtlichen Anforderungen - bauplanungs- und bauordnungsrechtliche Zulässigkeit - beschränkt. Sonstiges öffentliches Recht wird darüber hinaus nur geprüft, wenn dies das nichtbaurechtliche (Fach-)Recht ausdrücklich vorsieht ("aufgedrängtes sonstiges öffentliches Recht"). Damit soll die Entscheidung darüber, ob keine, eine eigenständige fachrechtliche oder eine in das Baugenehmigungsverfahren integrierte präventive Prüfung solcher fachrechtlichen Anforderungen durchgeführt werden soll, vom jeweiligen Fachrecht getroffen werden, das damit auch die rechtspolitische Verantwortlichkeit für den durch die jeweilige Ausgestaltung bewirkten Verfahrensaufwand trägt.

Die Prüfung und Überwachung bautechnischer Anforderungen hinsichtlich der zentralen bauordnungsrechtlichen Anforderungsbereiche Standsicherheit und Brandschutz ist - weil die bautechnischen Risiko- und Gefährdungspotenziale nicht verfahrens-, sondern vorhabenabhängig sind - eigenständig geregelt (vgl. insbesondere § 67). Dabei wird je nach Schwierigkeitsgrad und Gefährdungspotenzial differenziert zwischen Bauvorhaben, bei denen die Entwurfsverfasserqualifikation für die Erstellung des bautechnischen Nachweises genügt und solchen, bei denen eine Prüfung derartiger Nachweise (und eine entsprechende Bauüberwachung) geboten ist ("Vier-AugenPrinzip"). In den Fällen, wo das Vier-Augen-Prinzip (bezüglich der Standsicherheit und des Brandschutzes) noch erforderlich ist, wird durch die Regelungen der BauO Bln der Weg für eine Prüfung durch beliehene Unternehmerinnen oder beliehene Unternehmer geebnet. Durch Rechtsverordnung werden dann die noch notwendigen Prüfaufgaben auf Prüfingenieurinnen oder Prüfingenieure für Brandschutz und Prüfingenieurinnen oder Prüfingenieure für Standsicherheit übertragen.

3. Im materiellen Recht zieht die BauO Bln zunächst strukturelle Konsequenzen aus der Ausweitung der Genehmigungsfreistellung (§ 63) und die weitere Beschränkung des Prüfprogramms im vereinfachten Baugenehmigungsverfahren (§ 64). Da der damit angestrebte Abbau von Verfahren und Prüfungen durch punktuelle Ermessensentscheidungen der Bauaufsichtsbehörden im jeweiligen Einzelfall unterlaufen würde, sind durchgängig bisherige "Kann"- und "Soll"-Regelungen des materiellen Bauordnungsrechts in unmittelbar gesetzesabhängige Zulässigkeitstatbestände umformuliert worden.

- Die bisherige kasuistische Regelung von Ausnahmen und Befreiungen wird durch die schutzzielbezogen flexible Regelung von Abweichungen (§ 68) ersetzt.

- Mit dem neuen Brandschutzkonzept werden für die kleinen Gebäude (Gebäudeklassen 1 und 2) und für die Gebäudeklasse mit Zellenbauweise (Gebäudeklasse

4) Erleichterungen für die Feuerwiderstandsfähigkeit der Bauteile umgesetzt und die konstruktive Holzverwendung für Gebäude mit bis zu fünf Geschossen eröffnet. Die getrennte Betrachtung der Baustoff- und Bauteilanforderungen sowie die Einführung von Schutzzielbeschreibungen vor jeder Einzelanforderung erleichtert die Zuordnung zu den europäischen Klassifizierungskriterien. Insgesamt sind nun die Brandschutzanforderungen für Gebäude, die keine Sonderbauten sind, aus dem Gesetz und den dazugehörigen eingeführten Technischen Baubestimmungen sowie der Bauregelliste abschließend ablesbar.

- Das Abstandsflächenrecht wird auf ausschließlich bauordnungsrechtliche Zielsetzungen zurückgeführt. Die Regelabstandsfläche wird auf 0,4 H (H = Wandhöhe) reduziert. Zugleich entfällt eine Vielzahl von - auch deshalb - überflüssigen Detailregelungen, so dass eine deutliche, auch der Rechtssicherheit und der Ablesbarkeit durch die am Bau Beteiligten förderliche Straffung des Abstandsflächenrechts erfolgt.

- Die Neufassung der Vorschrift über behindertengerechtes Bauen (§ 51 a. F.) wird als Regelung über Barrierefreies Bauen (§ 51) fortgeschrieben und bezüglich des Anforderungsniveaus erleichtert.

Seite 58 von 316 d15-3926.doc

4. Darüber hinaus ist eine Vielzahl von Regelungen redaktionell überarbeitet, gestrafft und namentlich den neuen Verfahrensmodellen angepasst worden; insoweit wird auf die Einzelbegründung verwiesen.

Zu Artikel II - Änderung der Anlage zum Allgemeinen Sicherheits- und Ordnungsgesetz

Die Änderungen sind im Wesentlichen redaktioneller Art. Außerdem erhält die für das Bauwesen zuständige Senatsverwaltung auch die Zuständigkeit für die Anerkennung von Prüfingenieuren für Brandschutz und behält die Zuständigkeit für Bauten des Bundes einschließlich der Verfassungsorgane und Bauten der Länder.

Zu Artikel III - Änderung des Berliner Straßengesetzes

Die hier in § 9 für den Bauherren eingeräumte Möglichkeit, die erforderliche Genehmigung für die Gehwegüberfahrt im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens aus einer Hand zu erhalten, soll ein bürgerfreundliches Verwaltungshandeln ermöglichen.

Auf Grund der in der Bauordnung für Berlin entfallenden Regelungen über Vorbauten ist eine Anpassung des § 10 des Berliner Straßengesetzes erforderlich. Der Verweis auf die Bauordnung für Berlin wird dort gestrichen.

Zu Artikel IV - Änderung des Denkmalschutzgesetzes Berlin

Die in der Bauordnung für Berlin vorgesehenen Regelungen bezüglich des Verunstaltungsverbots von Werbeanlagen machen es erforderlich, das Denkmalschutzgesetz entsprechend anzupassen.

Zu Artikel V - Änderung des Landesgleichberechtigungsgesetzes

Die in der Bauordnung für Berlin vorgesehene Umstellung der Begriffe Ausnahmen und Befreiungen auf den Tatbestand der Abweichung macht die Änderung des Landesgleichberechtigungsgesetzes erforderlich.

Die Voraussetzungen für das außerordentliche Klagerecht ändern sich hierdurch nicht.

b) Einzelbegründung

Zu Artikel I - Bauordnung für Berlin Erster Teil Allgemeine Vorschriften

Zu § 1:

Anwendungsbereich Absatz 1 entspricht § 1 Abs. 1 a. F. (Anwendungsbereich).

Die Regelung des Absatz 2 Nr. 1 wurde gegenüber der alten BauO Bln um die Begriffe Zubehör und Nebenbetriebe ergänzt und folgt somit der Musterbauordnung (MBO). Die Ergänzung dient der Klarstellung und stellt bindend fest, dass Zubehör und Nebenbetriebe nicht unter den Anwendungsbereich der Bauordnung fallen. Das Zubehör dient der Sicherung und dem Betriebsablauf der Verkehrsanlagen wie Trafostationen, Oberleitungsmaste, Signalmaste, Umformanlagen, Wegweiser und steht somit in einem engen Verhältnis zu den Anlagen des öffentlichen Verkehrs.