Immissionsschutzgesetz

Absatz 2 stellt den - an sich selbstverständlichen - Umstand klar, dass Genehmigungsfreiheit und Beschränkung bauaufsichtlicher Prüfungen von der Verpflichtung zur Einhaltung der jeweils einschlägigen materiell-rechtlichen Anforderungen nicht entbinden und die bauaufsichtlichen Eingriffsbefugnisse unberührt lassen.

Absatz 3 entspricht § 55 Abs. 3 a. F. Danach kann im Einzelfall von der Erteilung einer Baugenehmigung bei geringfügigen genehmigungsbedürftigen Vorhaben abgesehen werden. Die Ermächtigung zum Genehmigungsverzicht ermöglicht der Bauaufsichtsbehörde trotz der Ausweitung des Katalogs der verfahrensfreien Bauvorhaben in § 62 einen flexiblen Umgang mit Grenzfällen, die nach ihrer Art und ihrem Umfang keiner Baugenehmigung bedürfen.

Zu § 61

Vorrang anderer Gestattungsverfahren

Die Regelung enthält Vorschriften zur Auflösung der Konkurrenz paralleler Anlagengenehmigungsverfahren. Sie ersetzt z. T. § 68 a. F. (Öffentliche Verkehrs-, Versorgungs-, Abfallentsorgungs- und Abwasserbeseitigungsanlagen sowie Wasserbauten, Sprengstofflager) der in erster Linie dazu diente, für öffentliche Anlagen, die spezialgesetzlichen Anforderungen unterliegen, Doppelverfahren zu vermeiden.

Für die genannten Vorhaben werden die Baugenehmigung (§§ 64 ff), die Entscheidung über Abweichungen (§ 68), die Genehmigungsfreistellung (§ 63), die Zustimmung (§ 76) und die Bauüberwachung (§§ 80 ff) immer dann, wenn der fachliche Schwerpunkt des Vorhabens im nicht-baurechtlichen (Fach-)Recht liegt mit der Folge, dass die baurechtlichen Verfahren im fachrechtlichen Anlagenzulassungsverfahren mit eingeschlossen sind.

Im Kern entspricht die Formulierung jedoch der bisherigen Regelung.

Absatz 1 benennt die Anlagen, bei denen die Konzentrationswirkung des (Fach-) Rechts nicht abschließend geregelt ist und das Baurecht sich aufdrängt.

Nummer 1 a. F. entfällt, weil es keine landeseigenen Verkehrsunternehmen mehr gibt.

Nummer 1 weist wasserrechtlich relevante Vorhaben, die einer Bewilligung oder Erlaubnis (§ 7 und 8 Wasserhaushaltsgesetz) oder einer Anlagengenehmigung (§§ 62 f Berliner Wassergesetz) bedürfen, dem wasserrechtlichen Verfahrensregime zu. Ausgenommen sind - wegen des bau(ordnungs)rechtlichen Schwerpunkts - Gebäude, die Sonderbauten (vgl. § 2 Abs. 4) sind.

Eine inhaltlich gleiche Regelung enthielt § 68 Nr. 2 a. F., wobei hier Gebäude mit mehr als 20 m² Grundfläche oder mehr als 4 m Höhe ausgenommen waren.

Nummer 2 verfährt entsprechend für die dort genannten Vorhaben für die öffentliche Versorgung mit Elektrizität, Gas, Wärme, Wasser und die öffentliche Verwertung oder Entsorgung von Abwässern. Auch hier sind Sonderbauten (vgl. § 2 Abs. 4), von dem Vorrang anderer Gestattungsverfahren ausgenommen.

Eine ähnliche Regelung enthielt § 68 Nr. 3 a. F., wobei hier Gebäude mit mehr als 20 m² Grundfläche oder mehr als 4 m Höhe ausgenommen waren. Die bisher hier aufgeführten Anlagen für das Fernmeldewesen sind neu in § 62 Abs. 1 Nr. 3 Buchstabe b (Anlagen der Telekommunikation) genannt.

Nummer 3 liegen denjenigen zu Nummer 1 entsprechende Erwägungen zu Grunde.

Dasselbe gilt für Nummer 4.

Die in Nummer 4 a. F. enthaltene Regelung für Sprengstofflager kann entfallen, weil Anlagen zum Umgang mit Stoffen im Sinne des Sprengstoffgesetzes (SprengG) nach Vorschriften des Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG) genehmigungsbedürftig sind, bzw. die Lagergenehmigung nach § 17 SprengG andere behördliche Entscheidungen einschließt.

d15-3926.doc Seite 105 von 316 Absatz 2 stellt klar, dass in den Fällen des Satzes 1 sowie bei (Fach)Anlagenzulassungsverfahren mit Konzentrationswirkung gegenüber dem bauordnungsrechtlichen Genehmigungsverfahren (z. B. § 13 BImSchG) die bauaufsichtlichen Verfahren mit eingeschlossen werden. Das kann in Form von Stellungnahmeersuchen an die Bauaufsichtsbehörden geschehen, sowohl in der Phase der Genehmigung als auch beim rechtswidrigen Errichten oder Betreiben in der Phase der Anordnungsverfahren.

Zu § 62

Verfahrensfreie Bauvorhaben, Beseitigung von Anlagen § 62 regelt die Verfahrensfreiheit von Bauvorhaben, die bisher in § 56 a. F. (Genehmigungsfreie Vorhaben) enthalten war.

§ 56 a. F. ist letztmalig im Rahmen des Siebenten Änderungsgesetzes zur BauO Bln im Jahr 1995 mit dem Ziel einer Verfahrenserleichterung und beschleunigten Realisierung der betreffenden Vorhaben umfassend erweitert und in enger Anlehnung an die damalige Fassung der MBO neu gefasst worden. Mit der aktuellen Fassung der MBO vom November 2002 wurde der Katalog der jetzt als „verfahrensfrei" bezeichneten Vorhaben erneut weiter ausgeweitet, so dass erheblich mehr und umfangreichere Vorhaben nunmehr ohne ein Baugenehmigungsverfahren errichtet werden können. Dieser Entwicklung auf Musterebene folgt auch Berlin mit der Neufassung des § 62 (§ 56 a. F.) durch weitgehende Übernahme der Regelungen der MBO.

Der Begriff der Verfahrensfreiheit - anstelle der Genehmigungsfreiheit - wird gewählt, um die unter § 62 fallenden Bauvorhaben von den der Genehmigungsfreistellung nach § 63 unterliegenden und damit ebenfalls genehmigungsfreien Bauvorhaben zu unterscheiden.

Die Vorschrift regelt nur die Verfahrensfreiheit bestimmter selbstständiger Bauvorhaben; der Grundsatz, dass ein als Ganzes genehmigungsbedürftiges Vorhaben nicht in genehmigungsbedürftige und genehmigungsfreie Bestandteile aufgespalten betrachtet werden darf, bleibt unberührt. Ferner wird in Absatz 3 - anstelle der bisherigen grundsätzlichen Genehmigungsbedürftigkeit - für die Beseitigung bestimmter Anlagen ein Anzeigeverfahren eingeführt.

Die Verfahrensfreiheit nach Absatz 1 erfasst alle die Anlage betreffenden Vorgänge, die nicht nachfolgend in den Absätzen 2 bis 4 gesondert angesprochen sind, also die Errichtung und die Änderung. Bei der Bemessung des Umfangs der verfahrensfreien Anlagen waren die Vorgaben des bundesrechtlichen Bauplanungsrechts zu berücksichtigen. § 36 Abs. 1 Satz 3 BauGB fordert bereits jetzt von den Ländern, die Information der Gemeinden über Bauvorhaben im Geltungsbereich qualifizierter Bebauungspläne (§ 30 Abs. 1 BauGB) sicherzustellen. Die zur Vorbereitung der BauGB-Novelle 2004 eingesetzte unabhängige Expertenkommission hat dem Bundesgesetzgeber in ihrem Abschlussbericht vom August 2002 (Rdnr. 180 ff) empfohlen, diese Verpflichtung auf die übrigen planungsrechtlichen Bereiche - den nicht beplanten Innen- (§ 34 BauGB) und den Außenbereich (§ 35 BauGB) - auszuweiten. Ohne Modifikationen verfahrensfrei können daher nur Anlagen bleiben, die nicht im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB planungsrechtlich relevant sind, wobei nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urt. v. 7.5.2001 - 6 C 18.00 -, NVwZ 2001, 1046) nicht einmal daraus, dass Anlagen bereits vor dem Einsetzen der Bauordnungsreformen 1990 baugenehmigungsfrei waren auf ihre fehlende planungsrechtliche Relevanz geschlossen werden kann.

Nummer 1 regelt die Verfahrensfreiheit bestimmter Gebäude. Die Regelungen entsprechen abgesehen von Buchstabe a dem § 61 Abs. 1 Nr. 1 MBO. Buchstabe a, 1. Halbsatz erfasst eingeschossige Gebäude mit einer Brutto-Grundfläche bis zu 10 m². Auf die bisher noch enthaltene Ausnahme zu Lasten von Gebäuden, die Verkaufs- und Ausstellungszwecken dienen, wird - weil insoweit weder eine besondere bauordnungs- noch bauplanungsrechtliche Relevanz anzunehmen ist - verzichtet. Abweichend von der bisherigen Fassung wird eine Genehmigungsfreiheit für Gebäude im bauplanungsrechtlichen Außenbereich nach § 35 BauGB generell ausgeschlossen, da bei Seite 106 von 316 d15-3926.doc (nicht privilegierten) Gebäuden im Außenbereich stets von bauplanungsrechtlicher Relevanz auszugehen ist.

Buchstabe a, 2. Halbsatz übernimmt die in § 56 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe f a. F. bisher enthaltenen untergeordneten Gebäude auf öffentlichen Verkehrsflächen.

Wartehallen unterfallen jetzt dem Buchstaben e und sind nicht mehr nur auf öffentlichen Verkehrsflächen verfahrensfrei gestellt.

Buchstabe b stellt - neu - (Einzel-)Garagen und überdachte Stellplätze (Carports) mit bestimmten Abmessungen - wiederum außer im Außenbereich - verfahrensfrei. Da (materiell-rechtlich) zulässige Garagen nach näherer Maßgabe des § 12 BauNVO in den Baugebieten grundsätzlich allgemein zulässig sind, wird mit der Festsetzung eines Baugebiets mit der Errichtung in diesem zulässiger Bauvorhaben zugleich die Errichtung der dafür erforderlichen Garagen gleichsam in Kauf genommen. Jedenfalls bei kleinen und gleichsam „verkehrsüblichen" Garagen bis zu der hier genannten Größe bedarf es einer (besonderen) Sicherung der Anwendung des Bauplanungsrechts und einer „Anstoßwirkung" für die Stadtplanungsbehörde nicht.

Buchstabe c hält sich mit einer Brutto-Grundfläche von 100 m² und einer Wandhöhe von 5 m im Rahmen dessen, was (auch) im bauplanungsrechtlichen Außenbereich an Gebäuden zu den in der Vorschrift genannten Nutzungszwecken verkehrsüblich und ohne Berührung der gemeindlichen Planungshoheit erwartet werden kann. Das gilt auch für die geringfügig erweiterte Nutzungsmöglichkeit zur Unterbringung von Sachen (z. B. landwirtschaftlichen Maschinen für die Ernte). Dass die Gebäude keine Feuerungsanlagen haben dürfen, hat - vor dem Hintergrund der verfahrensrechtlich privilegierten Nutzungszwecke eher klarstellende Bedeutung.

Buchstabe d fasst die genehmigungsfreie Gewächshäuser betreffenden Buchstaben c und d a. F. zusammen und passt sie Buchstabe c an.

Buchstabe e und f stellen bestimmte Fahrgastunterstände sowie Schutzhütten verfahrensfrei. Sie wurden im Hinblick auf die Treue zur MBO aufgenommen.

Buchstabe g ist neu und stellt Terrassenüberdachungen in Anlehnung an die Flächengröße des Buchstaben b und - um die untergeordnete Bedeutung sicherzustellen - mit einer Tiefenbegrenzung auf 3 m verfahrensfrei.

Buchstabe h stellt Gartenlauben in Kleingartenanlagen i. S. des § 1 des Bundeskleingartengesetzes verfahrensfrei. Eine sinngemäße Regelung enthält § 3 der Verordnung über Lauben (Laubenverordnung) vom 18. Juni 1987, wonach die Errichtung, die Änderung und der Abbruch von Lauben keiner Baugenehmigung bedürfen, die materiellen Vorschriften der Bauordnung für Berlin hierdurch jedoch unberührt bleiben. Eine Regelung bezüglich der Lauben in der Bauordnung selbst ist leichter auffindbar und damit anwenderfreundlicher als eine in einer speziellen Verordnung; § 3 Laubenverordnung kann infolgedessen aufgehoben werden.

Buchstabe i fasst für Wochenendhäuser den Buchstaben e a. F. neu, indem auf eine Größenbeschränkung und die nach der bisherigen Regelung erforderliche Lage in (durch Bebauungsplan) festgesetzten Wochenendhausgebieten verzichtet wird. Es ist nunmehr lediglich die Lage auf Wochenendplätzen Voraussetzung, denn die Verfahrensfreiheit soll unabhängig von einer planungsrechtlichen Gebietsausweisung bereits bei einer faktischen Nutzung der Fläche als Wochenendplatz greifen. Wochenendplätze sind bauliche Anlagen und Sonderbauten, vergl. § 2 Abs. 1 Nr. 4 und Abs. 4 Nr. 13, und unterliegen damit der Baugenehmigungspflicht.

Nummer 2 stellt - neu - grundsätzlich alle Anlagen der technischen Gebäudeausrüstung (im Sinne des Sechsten Abschnitts des Dritten Teils, §§ 39 bis 47) verfahrensfrei. Damit ist die bisher in § 56 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 3 a. F. enthaltene differenzierte Regelung für Feuerungsanlagen und andere Energieerzeugungsanlagen einerseits und Leitungen und Anlagen für Lüftung, Wasser- und Energieversorgung und Abwasserbeseitigung andererd15-3926.doc Seite 107 von 316