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Bedeutung der Zielebenen für die Haushaltskonsolidierung

Beide Zielebenen sind für die Zielerreichung „Haushaltskonsolidierung" unerlässlich und müssen gleichermaßen im Auge behalten werden. Allerdings ist im Hinblick auf den Erfolg der Konsolidierung die sekundäre Zielebene hinsichtlich ihres Outputs eher zu verstetigen. Das heißt, das Wirtschaftlichkeitsprinzip ist so anzuwenden, dass das vorgegebene (oder das bisher erreichte) Ergebnis mit minimalem Aufwand erzielt werden muss. Für die primäre Zielebene muss es dagegen einen deutlichen Zuwachs geben. Also muss mit dem gegebenen Aufwand (den bisher zur Verfügung gestellten Mitteln) das bestmögliche Ergebnis angestrebt werden.

Setzung von Prioritäten und Posterioritäten, Steigerung der Effektivität, (Aufgabenkritik)

Zur Beurteilung der Frage, ob eine Aufgabe aus dem öffentlichen Haushalt zu finanzieren ist, ergeben sich folgende Parameter: Primäre Zielebene

· Führt die Aufgabe mit den aus ihr abgeleiteten Arbeitsergebnissen dazu, dass das Bruttosozialprodukt Berlins erhöht wird?

· Führt die Aufgabe mit den aus ihr abgeleiteten Arbeitsergebnissen zur Erhöhung der Einkommen, z. B. durch Schaffung von Arbeitsplätzen?

Sekundäre Zielebene

· Dient die Aufgabe mit den aus ihr abgeleiteten Arbeitsergebnissen dem Erhalt der vorhandenen technischen Infrastruktur?

· Leistet die Aufgabe mit den aus ihr abgeleiteten Arbeitsergebnissen einen wirkungsvollen Beitrag zum Erhalt des sozialen Friedens?

Die Bedeutung der Arbeitsergebnisse der Verwaltung

Ob es der Wirtschaft gut geht, entscheidet nicht die Politik. Die Einflussmöglichkeiten der Politik sind also begrenzt.

Sie manifestieren sich im wesentlichen im Verwaltungshandeln. Für den Investor ist es völlig unerheblich, ob er vollmundige Beteuerungen zur Wirtschaftsförderung hört, wenn er andererseits auf die Grundbucheintragung oder die Baugenehmigung monatelang warten muss. Die Politik muss sich also stärker als bisher der Organisation der Arbeitsprozesse in der Verwaltung widmen, sie kontrollieren und verbessern. Dazu bedarf es der Erhebung von Kosten- und Leistungsdaten, die an Strukturdaten gemessen werden können.

So steht die Bearbeitungsdauer in der Bauaufsicht und in den Grundbuchämtern in direktem Zusammenhang mit dem Investitionsvolumen in Berlin. Die Zahl der Touristen steht in Zusammenhang mit der Anzahl von kulturellen Angeboten. Die wirtschaftspolitischen Hemmnisse durch die Bürokratie bei Gewerbegenehmigungen oder im Denkmalschutz werden deutlich, wenn man sich die Zahl der in diesem Bereich produzierten Arbeitsergebnisse, also die „Produkte" dieser Verwaltungen ansieht oder deren Kosten analysiert.

Zielorientierte Ausrichtung des Haushalts bedeutet also nicht bloße Umverteilung von Finanzmitteln. Vielmehr ist auch das Verwaltungshandeln, das Arbeitsergebnis der Verwaltung entscheidend. Dies lässt sich auch auf den Transferbereich übertragen; die Arbeitsergebnisse der Zuschussempfänger (z.B. Hochschulen, Opern usw.) sind ebenso entscheidend für die Entwicklung der wirtschaftlichen Potentiale, wie die Leistungen der unmittelbaren Verwaltung.

Zielorientierte Ausrichtung des Haushalts kann durchaus die Verteilung von Geld sein, dies wird aber in viel stärkerem Umfang in der Organisation der Verwaltungsabläufe und das Vorhalten eines zielorientierten Dienstleistungsangebots sowie in der Bereitstellung von Infrastruktur, also von Vermögenswerten, bestehen.

Wenn jemand z. B. in Berlin eine Sportveranstaltung durchführen will, braucht er dafür die Unterstützung der Behörden.

So müssen für Radrennen Routenpläne ausgearbeitet und umfangreiche ordnungsbehördliche Genehmigungen eingeholt werden, Straßenland muss bereitgestellt und die Strecke muss entsprechend gesichert werden. Dafür benötigt ein Veranstalter die Unterstützung vieler Behörden.

Prozesse der strukturellen Haushaltskonsolidierung

Aus dem Zielsystem lassen sich folgende Prozesse ableiten. Dabei ist die von der Politik beeinflussbare Größe die Arbeitsergebnisse der Verwaltung, die als Kostenfaktor " Entwicklungen unterstützend können " Wirkungslos sind oder " Entwicklungen behindern können.

Daraus ergeben sich logisch folgende Arbeitsschritte

1. Setzung von Prioritäten und Posterioritäten (Aufgabenkritik)

2. Entwicklung von quantitativen und qualitativen Zielen

3. Indizierung der Ziele (z.B. Ressourceneinsatz für Wirtschaftsförderung je Bruttosozialprodukt, Straftaten pro Einwohner, Notendurchschnitt der Schulen, Zahl der Abschlüsse and den Hochschulen usw.)

4. Kontrolle der Zielerreichung, Abweichungsanalysen, ggf. Einleitung von Managementprozessen zur Umsteuerung

Damit wird deutlich, dass z. B. die Sportförderung nicht nur aus der Zuständigkeit der Sportverwaltung betrieben werden kann. Vielmehr muss das Sportförderungskonzept unter der Federführung der zuständigen Verwaltung übergreifend projektartig organisiert werden. Dies hätte erhebliche Rückwirkungen auf die Organisation der Berliner Verwaltung und die Abbildung der Leistungsbeziehungen zwischen den Verwaltungen. Wenn die Sportverwaltung z. B. eine Leistung von der Verkehrs- oder Polizeiverwaltung erwartet, muss sie eine gewisse Weisungsbefugnis haben und dafür die Ressourcen aus ihrem Etat finanzieren können.

Das heißt, dass aus der zielorientierten strukturellen Haushaltskonsolidierung zwingend eine dienstleistungsbezogene kundenorientierte Organisationsform der Verwaltung folgt. Auch diese ist mit der Verwaltungsreform bereits konzeptionell voll angelegt worden.

Steigerung der Effizienz, Verbesserung der Wirtschaftlichkeit

Für beide Ebenen ist hinsichtlich der Allokation der Ressourcen weiterhin die Frage zu stellen, ob sich die den prioritären Aufgaben zuzuordnenden Arbeitsergebnisse der Verwaltung in entsprechender Qualität und Menge auch mit geringerem Ressourceneinsatz erstellen lassen. Die Festlegung auf ein Zielsystem ermöglicht es, den Haushalt in allen Politikfeldern klar zu strukturieren und hinsichtlich seiner Wirkung auf die Erreichung dieser Ziele zu optimieren und zu kontrollieren.

Alle Behördenstrukturen, die nicht unmittelbar das Zielsystem unterstützen, müssen mindestens auf den Prüfstand; viele können sicherlich sofort abgewickelt werden.

So ist die Berliner Oberfinanzdirektion als überflüssig ins Gerede gekommen und wurde inzwischen vom Senat folgerichtig abgewickelt.

In der Tat stellt sich die Frage nach der Notwendigkeit mehrstufiger Organisationsstrukturen nicht nur für die Oberfinanzdirektion, sondern auch für alle anderen Verwaltungen. Z.B. leistet sich Berlin mit seinem Erholungswald ebenso wie große Flächenstaaten, die intensive Holzwirtschaft betreiben, eine vierstufige Forstverwaltung. Berlin leistet sich in der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung eine Architekturwerkstatt obwohl unzählige qualifizierte Architektenbüros in der Stadt ansässig sind.

Private Angebote nicht durch Öffentliche Angebote verdrängen

Am Beispiel Kindertagesstätten wird deutlich, dass die derzeitige Politik darauf gerichtet ist, teure öffentliche Angebote weiter zu finanzieren, und dafür die für die Allgemeinheit kostengünstigeren privaten Aktivitäten zu beschneiden. So wird z. B. die Einrichtung eines landeseigenen Eigenbetriebs für die Kindertagesstätten weiter betrieben, obwohl sogar die Nutzwertanalyse des Senats die betriebswirtschaftliche Unsinnigkeit nachgewiesen hat und ausreichende private oder gemeinnützige Angebote zur Verfügung stehen bzw. erschlossen werden könnten.

Folgerungen für die Konsolidierungsstrategie Unabhängig von allen theoretischen Überlegungen bleibt festzustellen, dass Berlin das Missverhältnis zwischen „echten" Einnahmen und Ausgaben kontinuierlich verbessern muss. Dies kann nicht durch die Aufstellung von theoretischen Modellen sondern nur durch konkretes Handeln erreicht werden.

Legt man die extreme Haushaltsnotlage und die strukturelle Schwäche der Berliner Wirtschaft als Ursache für die Überschreitung der zulässigen Kreditaufnahme zu Grunde, folgt daraus einerseits, dass die Ausgaben soweit zurückzuführen sind, bis sie ausschließlich auf die Erfüllung bundesrechtlich oder landesverfassungsrechtlich begründeter Aufgaben reduziert sind. Diese Zurückführung kann weder innerhalb eines Haushaltsjahres noch innerhalb einer Legislaturperiode abgeschlossen werden. Berlin wird also bis auf weiteres wahrscheinlich mit einem verfassungswidrigen Haushalt leben müssen, ist aber andererseits nicht daran gebunden, formal möglichst viele Investitionen unabhängig von deren volkswirtschaftlicher Wirkung ausweisen zu müssen, um die Kreditaufnahme zu begründen. Insofern gewinnt Berlin hinsichtlich der Strategie zur Beseitigung des Problems an Flexibilität.

Daraus folgt andererseits, dass die durch die Entscheidungen der Verfassungsorgane initiierten Maßnahmen, insbesondere der Haushalt aber auch einfache Gesetze usw. primär daran zu orientieren sind, die strukturelle Schwäche der Berliner Wirtschaft zu beheben. Dies beinhaltet auch Zukunftsinvestitionen im weitesten Sinne. Auch diese Umorientierung ist weder innerhalb eines Haushaltsjahres noch innerhalb einer Legislaturperiode zu bewältigen.

Die logische Schlussfolgerung besteht darin, beide Prozesse parallel zu gestalten und aufeinander abzustimmen. Die Rückführung der Ausgaben muss einer möglichst starken Entlastung des Landeshaushalts dienen und zunächst in den Bereichen einsetzen, die für die wirtschaftliche Entwicklung der Stadt weniger bedeutsam sind. Die Maßnahmen zur Beseitigung der strukturellen Schwäche müssen wirksam sein und den Haushalt möglichst wenig belasten.

Der erste Schritt zur Abarbeitung dieser Aufgabenstellung muss darin bestehen, alle Maßnahmen und Einsparvorschläge zur Reduzierung auf die Kernaufgaben einerseits und alle Maßnahmen, Einsparvorschläge und Zukunftsinvestitionen im weitesten Sinne zur Behebung der Strukturschwäche andererseits aufzulisten und nach ihrer Wirksamkeit zu gewichten. Die Schnittmenge stellt das aktuelle Handlungsfeld für die Berliner Politik dar.

Das Ergebnis wird nicht zwangsläufig eine permanente Absenkung der Ausgaben sein, sondern eine Umgestaltung staatlicher Aktivitäten, die zur Schließung der Haushaltslücke führt, sein. Es ist ­ allein vor dem Hintergrund des Rationalisierungspotentials in der Verwaltung von 10 bis 30 %, das in einzelnen Breichen bereits realisiert worden ist ­ davon auszugehen, dass die Notwendigkeit einer Überschreitung der Kreditobergrenze entfallen sein wird, bevor die Rückführung auf die Kernaufgaben abgeschlossen ist.

Eine besondere Schwierigkeit besteht darin, dass Sparmaßnahmen zu Einkommensverlusten und damit zu einem Nachfragerückgang führen. Die Konsolidierung wird nur gelingen, wenn der Ausfall staatlicher Nachfrage durch den Zuwachs an privater Nachfrage kompensiert werden kann. Der Umfang in dem dies gelingt, ist der Erfolgsmaßstab für die sukzessive Beseitigung der strukturellen Schwäche.

G: Abweichende Meinung der FDP-Fraktion:

Die Mehrheit der Kommission vertritt die Auffassung, dass im momentanen Haushalt ein Konsolidierungsbedarf von rund 2 Mrd. Euro besteht, der durch Eigenanstrengungen des Landes aufzulösen ist. Aus Sicht der FDP summiert sich dieser Konsolidierungsbedarf auf deutlich mehr als 2 Mrd. Euro. Zunächst besteht eine Differenz zwischen Primärausgaben und Primäreinnahmen. Dies macht ein Konsolidierungsvolumen von etwa 1,5 Milliarden erforderlich. Ein weiterer notwendiger Schritt ist es, die Relation von Primäreinnahmen und -ausgaben bundesweiten Standards oder zumindest an die des vergleichbaren Stadtstaates Hamburg anzupassen. Dies bedarf der Auflösung eines weiteren Konsolidierungsbedarfes von zusätzlichen 2 Milliarden. Erschwerend kommt hinzu, dass sich Berlins relative Einnahmeposition drastisch verschlechtern wird, weil die EUFörderung ab 2007 sukzessive auslaufen und der Solidarpakt Ost 2020 komplett abgebaut sein wird. Dies bedeutet einen weiteren Konsolidierungsbedarf von 2 Milliarden bis zum Jahr 2020. In der Summe besteht somit ein Konsolidierungsbedarf von etwa 5,5 Milliarden. Berlin wird diese Konsolidierungssummen aus eigener Kraft finanzieren und erwirtschaften müssen. Dies erfordert von der Berliner Politik, zunächst die Altlasten im Haushalt (siehe Tabelle 2 in Kapitel I) bis auf die verbleibende Zinslast,