Umgehen mit Heterogenität. Dem Umgang mit Vielfalt und Differenz kommt in der Grundschule ein zentraler Stellenwert zu
3.8. Bildungs- und Betreuungsangebote Lernbezogene Aktivitäten, Sprachförderung und Fördermaßnahmen zur Stärkung von Basiskompetenzen, Entwicklung von Lernstrategien und fachlichen Kompetenzen müssen im außerunterrichtlichen Angebot höhere Aufmerksamkeit und mehr Raum erhalten. Hier ist kooperatives Handeln der Lehrkräfte und Erzieher/innen unverzichtbar. Wenn Lehrkräfte und Erzieher/innen diese Angebote gemeinsam konzipieren und reflektieren, trägt die Arbeit beider Professionen nachhaltiger zur Förderung der Schülerinnen und Schüler bei.
Neben den von pädagogischen Fachkräften entwickelten Bildungsangeboten sind Angebote zu konzipieren, die Kindern Raum eröffnen, eigene Ideen zu realisieren. Kindern müssen auch Begegnungsräume zur Verfügung stehen, die keine vorstrukturierten Angebote umfassen, sondern Möglichkeiten schaffen, Kreativität zu entfalten und unter Begleitung Erwachsener Ideen im Bereich von Spiel, Spaß und Bewegung zu realisieren.
A 3.9 Umgehen mit Heterogenität
Dem Umgang mit Vielfalt und Differenz kommt in der Grundschule ein zentraler Stellenwert zu. Bereits in der dem Parlament zuvor vorgelegten Mitteilung zur Kenntnisnahme über „Konzeption für eine flexible Schulanfangsphase" (Drs. 15/2504) werden die Akzeptanz der Heterogenität der Lerngruppe eingefordert und ein erweiterter Förderbegriff entfaltet: „Fördern dient nicht vorrangig dem Ausgleich von Unterschieden mit dem Ziel der Homogenisierung der Lerngruppe, sondern zielt darauf ab, die Lernmöglichkeiten eines jeden Kindes auszuschöpfen." Damit verbunden ist vor allem eine neue Sicht auf Lernprozesse und Lernergebnisse, auf den Umgang mit Lernzeit, auf die Rolle der Lehrkräfte und Erzieher/innen und auf die Unterrichtsorganisation. Dies setzt eine veränderte Haltung gegenüber der Lernentwicklung jedes einzelnen Kindes voraus. Erziehung und Unterricht sind auf das einzelne Kind, seine Persönlichkeit und seine Lernbedürfnisse auszurichten. Grundlegend dafür ist eine Ressourcenorientierung anstelle einer Defizitorientierung beim Blick auf das Kind und seine Lernentwicklung.
Das pädagogische Profil einer offenen Ganztagsgrundschule soll den Umgang mit Heterogenität thematisieren und Formen des Umgangs mit Vielfalt und Differenz in Unterricht und Betreuung herausarbeiten. Individualisiertes und differenziertes Lernen sind in den Leitvorstellungen einer offenen Ganztagsgrundschule deutlich zu akzentuieren. Veränderte Unterrichtsformen etablieren sich umso nachhaltiger, je fester sie im Schulprogramm verankert sind. Dazu muss organisatorisch Raum bereitgestellt sein (Stundentafel, Klassenteams). Die gestalterischen Potenziale der Schulleitung sind hier gefordert (Personalentwicklung, Stundenverteilung, Klassen-Teams).
Neben dem Unterricht, der durch die Rahmenlehrpläne und Bildungsstandards festgelegt ist, gibt es in der offenen Ganztagsgrundschule Angebote, die den Schülerinnen und Schülern Wahlmöglichkeiten eröffnen und die unterschiedliche Begabungen bedienen.
Diese Angebote zu konzipieren ist gemeinsame Aufgabe von Lehrkräften und Erzieherinnen. Zusätzliche Angebote können über die Fächer hinausgehen und die Vielfalt individueller Interessen der Kinder aufgreifen, erweitern und fördern. Eine inhaltliche Profilierung erfolgt über das Schulprogramm (Astronomie, Formen literarischer Geselligkeit, neue Medien, Theater, Museum, Sport, Instrumentalspiel, künstlerische oder naturwissenschaftliche Werkstätten Freizeitangebote und anderes mehr). Das schulinterne Curriculum schafft hierfür ein Fundament: „Schulinterne Curricula berücksichtigen die EigenverantO:\III Plen\Drucksachen\d15-4125.doc 07.07.2005 11:24 von 58 wortung der Schule und Besonderheiten des Standortes, die soziale Lage und kulturellen Eigenheiten der Schülerinnen und Schüler sowie die besonderen Fähigkeiten der Lehrerinnen und Lehrer. Sie sind ein wichtiges Instrument für die Förderung der Kooperation mit Schulpartnern. Schulinterne Curricula werden auf der Grundlage der Rahmenlehrpläne gestaltet. Sie umfassen z. B. die Fach-Pläne der Fachkonferenzen, JahrgangsstufenPläne, themenorientierte Pläne."
A 3.10 Förderangebote Besondere Begabungen und Benachteiligungen veranlassen in der offenen Ganztagsgrundschule entsprechende Förderung. Förderangebote können, wenn unterschiedliche Professionen und außerschulische Partner in das Schulleben einbezogen sind, weit über das hinausreichen, was sie in der herkömmlichen Halbtagsgrundschule im Allgemeinen bieten (nach- oder vorausarbeitende Unterstützung für fachspezifische Lernrückstände).
Von schulischen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern können neben fachspezifischer Förderung Angebote zur Förderung der Feinmotorik, Grobmotorik, Konzentrations- und Stilleübungen, Auseinandersetzung mit spezifischen Inhalten, Methodenlernen und anderes mehr erfolgen. Individuelle Förderung im kognitiven, sozialen, psychomotorischen und affektiven Bereich ist auch durch außerschulische und ehrenamtliche Partner möglich.
Individueller Förderung gewinnt an Nachhaltigkeit, wenn planmäßige Fördermaßnahmen mit differenzierenden Unterrichtsformen (Freiarbeit, Wochenplan, Lernen an Stationen) korrespondieren. Differenzierungsangebote, die der individuellen Förderung dienen, sollten den integrativen Zusammenhang der Lerngruppe im Blick halten und auf die Arbeit der Gruppe bezogen sein. Temporäre Lerngruppen sind ein organisatorisches Modell individueller Förderung, solange der soziale Kontext der Lerngruppe nicht langfristig berührt ist und individuelles Lernen in temporär ausgegliederten Gruppen in das Lernen und die Arbeitsergebnisse der Klasse zurückfließt und dieses anreichert. Diese Angebote können auch klassen- und jahrgangsstufenübergreifend konzipiert werden. Lernbezogene Aktivitäten und individuelle Fördermaßnahmen zur Stärkung von Basiskompetenzen erhalten in einer offenen Ganztagsgrundschule, die durch eine kind- und lerngerechte Rhythmisierung ein Mehr an Zeit für das einzelne Kind bereithält, höhere Aufmerksamkeit und mehr Raum. Die Kooperation von Lehrkräften und Erziehern ist dabei unverzichtbar.
Da Förderung nicht allein in der Förderung von Sach- und Methodenkompetenz besteht, sind Angebote zur Förderung personaler Kompetenz für Mädchen und Jungen ebenso einzubeziehen wie Angebote zur Förderung sozialer Kompetenz. Bei der Konzeption außerunterrichtlicher Angebote eröffnet reflexive Koedukation auch Raum für Angebote, die auf genderspezifische Interessen und Bedürfnisse von Jungen und Mädchen ausgerichtet sind.
Förderung - so verstanden - bezieht sich auf alle Angebote, die die kindlichen Bedürfnisse nach Nähe und Zuneigung ebenso wie nach Bewegung und Wettkampf ansprechen sowie ihre Neugier und ihren Wissensdurst erfüllen. Kinder brauchen dafür eine Vielfalt an Ansprechpartnern (Erwachsene sowie andere Kinder). Die unterschiedlichen Personen, die in der offenen Ganztagsgrundschule mitarbeiten, bringen spezielle Haltungen, Fähigkeiten und Interessen ein, die diese Vielfalt herstellen.
Rahmenlehrplan für die Grundschule, Teil 1, 1.7.
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Schul-/Hausaufgabenbetreuung
Die bildungsbezogenen Elemente von Betreuungszeiten sind verstärkt in den Blick zu nehmen. Individuelle Förderung und Hausaufgabenhilfen sind auf die spezifischen Lernbedürfnisse jedes Kindes auszurichten. Wichtig ist, dass Inhalte und Produkte, die im Rahmen dieser Förderung entstehen, in den Unterricht zurückfließen und für die Lerngruppe produktiv gemacht werden. Angebote zur individuellen Förderung sollten nicht den Charakter der „Nach-Hilfe" haben, sondern den der Unterstützung, Herausforderung und Ermöglichung. Wenn Kinder üben oder Hausaufgaben anfertigen, benötigen sie fachkompetente Begleitung bei der Entwicklung von Lernkompetenz. Eine enge Kooperation von Lehrkräften und Erzieherinnen ist dafür unverzichtbar.
Individuelle Förderung und Hausaufgabenbetreuung sowie Angebote zur Entwicklung von Selbst- und Sozialkompetenz setzen didaktisch-methodisch qualifizierte Settings voraus, die eine lernförderliche Unterstützung für jedes Kind sicherstellen. Ein Lernen des Lernens will nicht nur beaufsichtigt, sondern muss qualifiziert angeleitet und begleitet werden.
Lehrkräfte und Erzieher/innen müssen daher gemeinsam für eine zielgerichtete Begleitung der individuellen Lernentwicklung und Persönlichkeitsbildung sorgen. Sie müssen differenzierte Lernarrangements entwickeln, vielfältige Lernzugänge und Lernwege ermöglichen und lebensnahe Erfahrungsbereiche mit traditionellen Lernformen verknüpfen.
Die zusätzlichen Bildungsangebote in der offenen Ganztagsgrundschule müssen daher Rückwirkungen auf den Unterricht entfalten oder sich aus dem Unterricht ergeben. Für die Planung und Umsetzung ist vorab von Lehrkräften und Erzieherinnen oder außerschulischen Partnern ein gemeinsames Verständnis von Lernen zu erarbeiten. Differenzierte Kenntnisse über diagnostische Verfahren und Fördermöglichkeiten führen in Verbindung mit dem Wissen über Lern- und Lebensbedingungen der Kinder zu fördernden und fordernden Angeboten, die gemeinsam erarbeitet werden.
A 3.11 Erweiterte Lernmöglichkeiten
Die offene Ganztagsgrundschule bietet mehr Möglichkeiten, Kinder bei der Entwicklung spezifischer Kompetenzen und bei der Erweiterung ihrer Handlungsmöglichkeiten zu unterstützen sowie anschlussfähiges Wissen zu sichern. Sie bietet mehr Zeit für das Bereitstellen individueller Lernangebote, für Anforderungen und Herausforderungen. Angebote der Infrastruktur der Schule können sehr viel umfassender ausgeschöpft werden, wenn sie ganztägig genutzt werden (Computerraum, Bibliothek, Kunstwerkstatt, Turnhalle, Pausenhof). Offene Ganztagsgrundschulen bieten Schülerinnen und Schülern erweiterte Lernmöglichkeiten über Kunst-, Sport-, Medien-Arbeitsgemeinschaften. Gerade Schülerinnen und Schüler aus bildungsfernen Familien können in ihrer Persönlichkeit umfassend gestärkt und gefördert werden. Diese Förderung wirkt sich auf ihre Lernchancen im Fachunterricht aus. Die offene Ganztagsgrundschule birgt Möglichkeiten, offene Lernorte anzubieten, in denen Kinder bei Fragen und Problemen Zuwendung und Aufmerksamkeit von Erwachsenen erhalten. Eine integrative Konzeption einer verlässlichen Halbtagsgrundschule mit ihren außerunterrichtlichen Bildungsangeboten ist dafür allerdings zwingend erforderlich.
Ein Mehr an Zeit eröffnet in der offenen Ganztagsgrundschule ein Mehr an Raum für genderspezifische Förderung. Spezifische Angebote für Mädchen und spezifische Angebote O:\III Plen\Drucksachen\d15-4125.doc 07.07.2005 11:24 von 58