Auch außerhalb der Umweltzone wirkt der Anreiz zum Einsatz emissionsmindernder Fahrzeugtechnik entlastend

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Abb. 5.2 Straßenabschnitte im Gebiet der Innenstadt (großer Hundekopf) mit Überschreitungen des 24h-Grenzwerts für PM10 (links) und des Jahresmittelwertes für Stickstoffdioxid (rechts) sowie die Zahl der davon betroffenen Anwohner, jeweils für verschiedene Minderungsszenarien

Die Abbildung zeigt in der linken Graphik die Entwicklung der Länge der Abschnitte im Hauptverkehrsstraßennetz im Hundekopf mit Überschreitungen des 24 h-Grenzwertes für PM10 und die Zahl der davon unmittelbar betroffenen Anwohner, angefangen mit dem Trendszenario (linke Säule) und für das Szenario der o.g. Umweltzonenvariante (mittlere Säule). Infolge der dadurch geforderten emissionsärmeren Abgastechnik der Dieselfahrzeuge im Hundekopf sinkt die Anzahl betroffener Anwohner um 10.000 und die Abschnitte mit Grenzwertüberschreitungen verringern sich um fast 20 km. Dies ist ein Rückgang im Vergleich zum Trendfall um 23 %. Zusammen mit den Maßnahmen des StEP Verkehr kann die Zahl der Betroffenen um etwa 16.000 vermindert werden.

Auch außerhalb der Umweltzone wirkt der Anreiz zum Einsatz emissionsmindernder Fahrzeugtechnik entlastend. Die Zahl der betroffenen Anwohner geht dort um 2.000 bzw. um 10 % zurück.

Das rechte Diagramm zeigt dieselbe Information in Bezug auf den Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid. Demnach ergibt sich als Folge der Umweltzone eine Entlastung von etwa 2000 betroffenen Anwohnern, was im Vergleich zum Trendszenario etwa einem Rückgang von einem Drittel entspricht.

Trotz der beträchtlichen Minderungseffekte ist in 2010 damit zu rechnen, dass noch zahlreiche Straßenabschnitte mit Grenzwertüberschreitungen übrig bleiben. Aus der in Abschnitt 3.1 dargelegten Rechtslage ist demnach zu prüfen, wie unter Beachtung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit zusätzliche Verbesserungen schneller erreicht werden können.

Deshalb soll eine Umweltzone eingeführt werden, in der künftig nur noch abgasgeminderte Dieselfahrzeuge fahren dürfen. Auch alte Fahrzeuge mit Ottomotor, die große Mengen an Stickoxiden ausstoßen sollen schneller ersetzt werden, um die Grenzwerte für Stickstoffdioxid rechtzeitig vor der ablaufenden Übergangsfrist in 2010 einhalten zu können. Dies soll in Form des folgenden Stufenkonzepts erfolgen: Stufe 1 ab 2008: In der Berliner Innenstadt im Gebiet des großen Hundekopfes müssen DieselFahrzeuge mindestens die Schadstoffklasse Euro II erfüllen.

Von den in Berlin gemeldeten ca. 1,5 Mio. Kraftfahrzeugen haben im Jahre 2003 ca. 70.000 DieselPkw und ca. 40.000 Lkw eine Schadstoffklasse von Euro I und schlechter. Durch Umwälzung des Fahrzeugbestandes bis 2008 wird die Anzahl der betroffenen Fahrzeuge auf ca. 40.000 Diesel-Pkw und 30.000 Lkw zurückgehen. Senatsverwaltung für Stadtentwicklung -- Luftreinhalte- und Aktionsplan Berlin 2005 - 2010 -- Juli 2005 29

Ersatzbeschaffung für die Betroffenen zumutbar erscheint, insbesondere dann, wenn die Bundesregierung eine steuerliche Förderung gewährt.

Stufe 2 ab 2010: In der Berliner Innenstadt im Gebiet des großen Hundekopfes müssen DieselFahrzeuge mindestens die Schadstoffklasse Euro III und einen Rußfilter haben. Fahrzeuge mit Ottomotor müssen mindestens die Schadstoffklasse Euro II erfüllen.

Davon wären in 2003 zusätzlich 43.000 Diesel-Pkw und 15.000 Lkw betroffen. Durch Wälzung des Bestandes werden für 2010 dann noch 20.000 Diesel-Pkw und 10.000 Lkw betroffen sein. Diese Fahrzeuge wären 2010 älter als 10 Jahre. Durch die geforderte Nachrüstung mit einem Rußfilter würden Euro III Fahrzeuge hinsichtlich ihre Partikelemissionen in etwa der neuen, ab 2005/6 verbindlichen Euro IV Norm entsprechen.

Von der Beschränkung für Fahrzeuge mit Ottomotor, also vorwiegend Pkw, wären in 2010 etwa 1300 Kfz tangiert, die bereits mindestens 18 Jahre alt sind und keiner Eurostufe genügen („Euro 0"). Zusätzlich wären 6500 Otto-Pkw der Eurostufe I betroffen, die dann bereits über 15 Jahre alt sind.

Durch die Stufe 2 ist im Jahre 2010 mit der in Abb. 5.2 gezeigten Entlastungswirkung von 10. weniger, von PM10-Grenzwertüberschreitungen betroffenen Anwohnern im Gebiet des großen Hundekopfes zu rechnen. In Bezug auf den Jahresgrenzwert für Stickstoffdioxid werden durch die Beschränkungen für hochemittierende Dieselfahrzeuge etwa 2000 Anwohner entlastet. Durch den beschleunigten Ersatz alter Fahrzeuge mit Ottomotor durch modernere Kfz wird die Stickstoffdioxidkonzentration in hochbelasteten Straßenabschnitten noch weiter zurückgehen.

Die zusätzliche für 2008 vorgesehene Stufe 1 des Konzepts führt dazu, dass gut die Hälfte dieser Entlastungswirkung schon einige Jahre früher zum Tragen kommt, weil durch die vorzeitige Einführung mehr alte, hoch emittierende Fahrzeuge erfasst werden.

Auch bei der momentanen Unsicherheit hinsichtlich

· der rechtzeitigen Verfügbarkeit von Nachrüstungsmöglichkeiten für alle gängigen Dieselfahrzeugtypen,

· der steuerlichen Förderung der Nachrüstung sowie der Neubeschaffung, insbesondere für Lkw, kann zumindest bei der Stufe 2 auf die Forderung nach gleichzeitiger Nachrüstung grundsätzlich nicht verzichtet werden. Andernfalls würde die Entlastungswirkung deutlich sinken.

In Anbetracht der jüngsten Signale seitens der Fahrzeug- und Rußfilterhersteller ist mit hinreichender Sicherheit zu erwarten, dass Nachrüstsätze für Fahrtypen der Eurostufe III bis 2010 angeboten werden. Ob dies für auch für Euro II Fahrzeuge rechtzeitig vor Eintreten der Stufe 1 in 2008 geschieht, ist derzeit noch nicht abzusehen. Dies hängt u.a. auch von der baldigen Einführung der von der Bundesregierung beabsichtigten steuerlichen Förderung und dem Zufassungsverfahren für die Rußfilter ab.

Im Lichte der zukünftigen Entwicklung wird jedoch geprüft, ob bei der Stufe 1 neben dem Mindestkriterium der Euronorm II, für diese Fahrzeuge auch die Nachrüstung mit einem Rußfilter verlangt werden kann.

Darüber hinaus müssen die unter 4.2.2 genannten Rahmenbedingungen erfüllt sein,

Eine durchgreifende Verbesserung bei der PM10-Belastung erfordert neben der abgastechnischen Modernisierung der Fahrzeuge auch eine Reduzierung der PM10 Emission durch Abrieb und Aufwirbelung. Der Abrieb und die Staubaufwirbelung können durch eine Verstetigung des Verkehrs bei geringerer Geschwindigkeit gemindert werden. Die wichtigste Maßnahme besteht jedoch in einer Minderung des Verkehrs, weil dadurch neben den Auspuffemissionen der Abrieb und die Staubaufwirbelung gleichzeitig begrenzt werden. Den immissionsseitigen Erfolg einer Verkehrsreduzierung illustriert das Beispiel der Londoner City, wo es gelang, den Verkehr um 15 % zu reduzieren und die Luftbelastung um 12 % zu senken.

B Umsetzung der verkehrsdämpfenden Maßnahmen des Stadtentwicklungsplan (StEP) Verkehr

Den Verkehr zu mindern, ist eine verkehrsorganisatorische und -planerische Aufgabe. Die entsprechenden Maßnahmen sind in Abschnitt 4.2.1.2 in den Punkten B, C und E beschrieben. Ihre Realisierung ist Teil des Stadtentwicklungsplans Verkehr. Mit ihm hat Berlin ein mittel- und langfristiges 30 © Senatsverwaltung für Stadtentwicklung -- Luftreinhalte- und Aktionsplan Berlin 2005 - 2010 -- Juli 2005

Handlungskonzept vorgelegt, das in seinen Zielkatalog auch die Minderung der Luftschadstoffbelastung einbezogen hat.

Besonders wichtig sind die Reduktion des Quell- und Zielverkehrs im „großen Hundekopf" durch konsequente Förderung des Umweltverbundes (ÖPNV, Fahrrad und Fußgänger) und die Ausweitung der Parkraumbewirtschaftung, mit der überdies der Parksuchverkehr wirksam gemindert werden kann. Als komplementäres Konzept zur Verkehrsvermeidung durch Parkraumbewirtschaftung wirkt die tangentiale Ableitung von Durchgangsverkehr um die Innenstadt herum.

Die meisten Maßnahmen erfordern erhebliche Infrastrukturinvestitionen und wirken daher erst mittel- und langfristig. Umso entscheidender ist die möglichst schnelle Umsetzung der im vorigen Abschnitt beschriebenen Maßnahmen, damit bis 2010 eine Entlastungswirkung zusätzlich zum kürzerfristig wirkenden fahrzeugtechnischen Element der Minderungsstrategie (Punkt A) erzielt werden kann.

Abb. 5.2 zeigt in der rechten Säule die dadurch in 2010 zu erwartenden Entlastungseffekte bei gleichzeitiger Umsetzung der abgastechnischen Maßnahmen in A und der verkehrsdämpfenden Maßnahmen des StEP Verkehr. Im Vergleich zum Trendfall wird bei Feinstaub(PM10) eine Entlastung für mehr als 15.000 Anwohner oder mehr als 30 km Hauptverkehrsstraße erreicht.

Die Entlastungswirkung der Fahrzeugtechnik kann in Kombination mit der Verkehrsplanung im Gebiet des großen Hundekopfs fast verdoppelt werden.

Allerdings wird es voraussichtlich nicht gelingen, mit den Mitteln der Verkehrsplanung den prognostizierten (moderaten) Verkehrszuwachs beim Kfz-Verkehr für die gesamte Stadt in eine Verkehrsabnahme zu verwandeln. Das bedeutet, dass bis 2010 mit den Mitteln der Verkehrsplanung allein für den gesamtstädtischen Raum kein Entlastungsbeitrag zur Luftschadstoffsituation erwartet werden kann.

Auf einigen wichtigen Stadt-Umland-Radialstraßen wird die Verkehrsbelastung womöglich zunehmen, was den gleichzeitigen Einsatz emissionsarmer Fahrzeugtechnik um so wichtiger macht.

In diesen Bereichen sowie an einigen weiteren Belastungspunkten im Innenstadtbereich des Berliner Hauptstraßennetzes werden deshalb zusätzliche Möglichkeiten zur Entlastung durch lokale Verkehrsumlenkung geprüft, die das dritte Element der Minderungsstrategie darstellen.

C Lokales Verkehrsmanagement zur Entlastung von Brennpunkten Lokales Verkehrsmanagement umfasst verschiedene Maßnahmen, wie Verkehrsumlenkung, dynamische Verkehrssteuerung, Verkehrsverstetigung und temporäre Geschwindigkeitsbeschränkungen.

Ihre Umsetzung kann -- abhängig von den erforderlichen Investitionen in notwendige technische Infrastruktur - kurz- bis mittelfristig erfolgen und damit gleichzeitig mit dem Einsatz der Fahrzeugtechnik (Punkt A) und in Koordination mit den verkehrsorganisatorischen Maßnahmen (Punkt B). Abschnittsweise Umlenkung von Teilen des Verkehrs (z.B. LKW) führt zu einer spürbaren Minderung der Luft- und Lärmbelastung (siehe Abschnitt 4.2.1.2 D). Sie ist aber an die in Berlin meistens nicht vorhandene Voraussetzung gebunden, dass gering belastete Umgehungs- und Umleitungsstrecken mit wenig Wohnbebauung vorhanden sind. Hier ist eine detaillierte, auf die Randbedingungen des Einzelfalls ausgerichtete Planung erforderlich.

Auf der Grundlage der hier durchgeführten Wirkungsanalysen werden die Bereiche identifiziert, wo lokales Verkehrsmanagement als komplementäre Maßnahme sinnvoll sein kann, um Konzentrationsspitzen zu reduzieren. In der Silbersteinstraße ist seit Mai 2005 ein Fahrverbot für den LkwDurchgangsverkehr in Kraft, dessen Wirksamkeit durch Analyse der Schadstoffmessungen an der Straßenmessstation überprüft werden soll.

Auf vielen Hauptachsen des Verkehrs sind meist nur Maßnahmen zur Verstetigung des Verkehrs bei geringer Geschwindigkeit angebracht, die in Übereinstimmung mit der Lärmminderungsplanung geprüft und umgesetzt werden müssen.