Eine hohe Bedeutung kommt der Einbindung der Schule in den Sozialraum zu

Fazit und Perspektiven

Die Bildungspolitik befindet sich in einem grundlegenden Umbruch. Zwar bleibt die Integration von Schülern/innen aus sozial benachteiligten Milieus in die Bildungsinstitutionen schwierig, der Senat hat aber richtige Weichenstellungen vorgenommen. Im Programm „Integration durch Bildung" sind Indikatoren festgelegt, die der Verwaltung messbare Ziele setzen. In den Bildungsinstitutionen wird besonders deutlich, dass es sich in der Integrationspolitik nicht um einen einseitigen Prozess der Eingliederung von Minderheiten in fest gefügte, bestehende Systeme handeln kann. Hier bewirkt die große Zahl der Schüler/innen mit Migrationshintergrund in einzelnen Stadtteilen und damit Schuleinzugsbereichen einen qualitativen Unterschied. Gerade in diesen Quartieren muss es um die Entwicklung der Schule und anderer Bildungseinrichtungen gehen, die sich auf die Interessen und Bedürfnisse einer vielschichtig differenzierten Bevölkerung hin orientiert. Interkulturalität kann hier nicht mehr als eine zusätzliche Kompetenz verstanden werden, sondern wird zum Strukturelement institutioneller Veränderung. Die mit dem neuen Schulgesetz erfolgte Verlagerung von Kompetenzen auf die einzelnen Schulen schafft die rechtliche Grundlage dafür, dass die Schulen ihre Programme entsprechend ihrer Schülerschaft entwickeln. Entscheidend wird sein, dass die im Integrationskonzept des Senats angestrebte Beteiligung von Migranten/innen an den Schulgremien gelingt und dass ­ insbesondere die Eltern der Schüler/innen ­ ihre Vorschläge zum Beispiel in der Gestaltung des jeweiligen Schulprogramms einbringen.

Eine hohe Bedeutung kommt der Einbindung der Schule in den Sozialraum zu. So sollte ein regelmäßiger Austausch über Kooperationsmöglichkeiten zwischen den vorhandenen öffentlichen Einrichtungen, freien Trägern und Selbsthilfeinitiativen ebenso gewährleistet sein wie eine umfassende Beratung werdender Eltern.

Die Modernisierung des Bildungssystems ist für Berlin eine entscheidende Zukunftsaufgabe.

Modellversuche bzw. die Überführung erfolgreicher Modelle in Regelangebote sind nicht nur auf dem Gebiet der Sprachförderung sinnvoll. Auch zur frühzeitigen Intervention bei Schulmisserfolgen, zur Sicherung guter schulischer Leistungen in Krisensituationen und zur Überwindung von Schulverweigerung sind die daraus gewonnenen Erkenntnisse ggf. auch mittels zusätzlicher Maßnahmen im Rahmen der vorhandenen Mittel umzusetzen, denn ein erfolgreicher Schulabschluss ist ein entscheidender Baustein für die späteren beruflichen Perspektiven.

Ein stärkeres Augenmerk ist auf die Übergänge zwischen einzelnen Bildungsgängen zu richten.

Das gilt für die bereits begonnene stärkere Einbeziehung der Kitas in die Vorbereitung auf die Schule mit Sprachförderung sowie die Sprachstands- und Lernausgangslagenfeststellung und die flexible Schulanfangsphase. Ebenso muss dies für die Begleitung des Übergangs in die berufliche Ausbildung gelten. Intensiveren Einsatz von Beratung werden zudem Stufen innerhalb der Schulbildung (insbesondere der Übergang von der Grundschule in die weiterführenden Schulen) und die so genannte zweite Schwelle der beruflichen Ausbildung, also der Übergang in den Beruf erfordern.

Damit das gelingt muss neben den laufenden Interventionsmaßnahmen in allen Bildungsgängen die zukünftige Absicherung von sprachlichen Integrationsmaßnahmen erfolgen. Die Qualifikation der Erzieher/innen und Lehrer/innen muss nachhaltig sowohl durch veränderte Ausbildung als auch durch berufsbegleitende Fortbildungen mit entsprechender Leistungszertifizierung verbessert werden. Es muss verstärkt darauf hingearbeitet werden, insbesondere Lehrkräfte und Erzieher/innen mit Kenntnissen in einer Migrantensprache oder mit Migrationshintergrund im Rahmen des beschlossenen Einstellungskorridors einzustellen.

Integrationsförderung und eine neue Willkommenskultur Rund 40.000 Zuzüge aus dem Ausland hat Berlin jährlich zu verzeichnen. So vielfältig die Gründe, warum die Menschen in unsere Stadt kommen, so ähnlich ist ihr Anliegen: Sie möchten ihre Kompetenzen und Qualifikationen einsetzen, schnell auf eigenen Füßen stehen und in dieser Stadt zu Hause sein. Das Konzept „Unterstützung von Anfang an" setzt auf eine neue Willkommens- und Aufnahmekultur.

Ziel der Berliner Integrationspolitik ist, Zuwanderer/innen so früh wie möglich in die Lage zu versetzen, ihre Ressourcen und Potentiale zu mobilisieren und Fähigkeiten zu entwickeln, die eigene Zukunft aktiv mitzugestalten.

Individuelle systematische Eingliederungsplanung nach der Methode des Case ­ Managements stellt mitgebrachte soziale und berufliche Kompetenzen fest, bewertet Stärken und Schwächen und plant gemeinsam mit den Zuwanderern/innen den Integrationsprozess. Integration ist keine einseitige Eingliederungsleistung von zuwandernden Menschen, sondern verlangt allen Bürger/innen der Stadt Veränderungsleistungen ab. Auch aus gegenseitigem Austausch und Zusammenschluss mit Anderen erwachsen neue Handlungsspielräume.

Basiskompetenz und Grundlage für eine gelungene umfassende gesellschaftliche Integration stellt der Spracherwerb dar. Insbesondere für eine Integration in den Arbeitsmarkt sind gute Sprachkenntnisse unabdingbare Voraussetzung. Der Vermittlung von Sprachkenntnissen als Teil der Bildung und Ausbildung von Zuwanderern/innen kommt in der Senatspolitik hohe Priorität zu.

Integrationskurse für Zuwanderer/innen

Im Oktober 2004 wurde unter der Leitung des Integrationsbeauftragten die Ressortübergreifende Koordinierungsgruppe Zuwanderungsgesetz eingerichtet. Neben den betroffenen Senatsverwaltungen ist hier auch die Berliner Außenstelle des BAMF vertreten. Ziel der Koordinierungsgruppe ist es, in Berlin durch ein gutes Zusammenspiel der unterschiedlichen Akteure die integrationspolitische Neuausrichtung der Bundespolitik optimal auf die Berliner Verhältnisse weiterzuentwickeln. Dabei geht es insbesondere um die Integrationskurse.

Als integrationspolitisches Kernstück der mit dem Zuwanderungsgesetz eingeleiteten Reformen erhalten alle Neuzuwanderer/innen mit dauerhaftem Bleiberecht seit dem 1. Januar 2005 mit Sprachförderung und sozialer Beratung in neuer Konzeption ein staatliches Grundangebot zu ihrer Integration. Dieses Angebot besteht aus dem Integrationskurs zur Vermittlung der deutschen Sprache und Orientierungshilfe in der neuen Gesellschaft im Umfang von insgesamt 630 Stunden sowie der Migrationserstberatung, einem einheitlichen Angebot für alle Zuwanderergruppen zur Initiierung und Begleitung des Integrationsprozesses.

Der Integrationskurs besteht aus einem modular gegliederten Basissprachkurs mit 300 Unterrichtseinheiten (UE) und einem Aufbausprachkurs (mit weiteren 300 UE) sowie einem Orientierungskurs, in dem Grundkenntnisse zur Rechtsordnung, Kultur und Geschichte der Bundesrepublik Deutschland vermittelt werden (30 UE). Der Sprachkurs dient dem Erwerb ausreichender deutscher Sprachkenntnisse im Sinne der Integrationsziele und führt über Basis- und Aufbausprachkurs zum Niveau B 1 (erste Stufe der selbständigen Sprachverwendung gem. dem Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmen ­ GER). Die Zuständigkeit für die bundeseinheitliche Durchführung sowie für die formale und inhaltliche Ausgestaltung der Kurse liegt beim BAMF. Zur Fortentwicklung des Integrationskurskonzeptes wird eine Bewertungskommission beim BAMF eingerichtet.

Das Zuwanderungsgesetz unterscheidet hinsichtlich der Teilnahme am Integrationskurs zwischen Berechtigung und Verpflichtung. Einen Rechtsanspruch auf Teilnahme haben alle Spät38 aussiedler/innen und neu zugewanderten Ausländer/innen mit auf Dauer angelegtem Aufenthalt. Berechtigt sind ferner so genannte „Bestandsausländer/innen" sowie Unionsbürger/innen, die im Rahmen verfügbarer Plätze auf Antrag zugelassen werden können. Eine Teilnahmeverpflichtung besteht für teilnahmeberechtigte Ausländer/innen, die sich nicht auf einfache Weise in deutscher Sprache mündlich verständigen können, sowie Ausländer/innen, die Leistungen nach dem SGB II beziehen oder in besonderer Weise integrationsbedürftig sind, nach Aufforderung durch die Ausländerbehörde.

Das neue Zuwanderungsgesetz bietet einen verbesserten integrationspolitischen Rahmen, der sich in der Praxis noch bewähren muss. Allein mit Deutschkursen und der Verpflichtung zur Teilnahme hieran wird es nicht getan sein, aber dennoch sind dies wichtige Bausteine zur Verbesserung der Integrationschancen von Migranten/innen.

Positiv zu bewerten ist, dass auf der Grundlage des Zuwanderungsgesetzes mit Einschränkungen auch schon länger in Deutschland lebende Zuwanderer/innen gefördert werden können.

Erste Erfahrungen mit der Durchführung der Integrationskurse zeigen, dass gerade bei den schon länger hier lebenden Ausländer/innen großes Interesse und hohe Motivation vorhanden sind, die neuen Möglichkeiten zu nutzen und an den Kursen teilzunehmen. Die Tatsache, dass neben der Notwendigkeit der Bereitstellung von Angeboten für die Gruppe der Neuzuwanderer/innen ein erheblicher Bedarf an nachholender Integration besteht, muss bei der Entwicklung und Fortentwicklung der Angebote und Instrumente der Integrationsförderung berücksichtigt werden.

Bezüglich des Anlaufens der Integrationskurse in Berlin ist grundsätzlich eine erste positive Bilanz zu ziehen. In allen Bezirken ist ein flächendeckendes Angebot vorhanden und die regionale Versorgung aller Anspruchsberechtigten gewährleistet. Vom BAMF angekündigte Integrationskurse für spezielle Zielgruppen (Jugendliche, Frauen / Eltern, Analphabeten/innen) befinden sich derzeit in der Entwicklung. Allgemein kritisch beurteilt wird das eingeführte Verfahren einer Teilnehmerindividualförderung im Gegensatz zur bisherigen Kursförderung, welches mit deutlich erhöhtem Verwaltungsaufwand einhergeht.

Ein großes Problem wird darin gesehen, dass ein nicht unerheblicher Teil der Teilnehmer/innen mit der vorgesehenen Stundenzahl aller Voraussicht nach das Qualifikationsniveau der Stufe B 1 GER nicht erreichen wird und damit insbesondere die zügige Integration in den Arbeitsmarkt nicht möglich ist.

Erstberatung für Neuzuwanderer/innen Teil des Konzeptes „Unterstützung von Anfang an" ist der Aufbau einer systematischen Struktur von Erstberatung für neu zuwandernde Menschen mit dem Ziel der Initiierung, Steuerung und Begleitung des Integrationsprozesses ergänzend zum Integrationskurs. Ein zeitlich befristetes bedarfsorientiertes individuelles Beratungsangebot für erwachsene Neuzuwanderer/innen (Migrationserstberatung) wird als Grundberatungsangebot in jedem Bundesland durch das BAMF bereitgestellt. Ziel in Berlin ist es, dieses bundesfinanzierte Unterstützungssystem in die Landesnetzwerke einzubinden (s. Kapitel 3.4.) Auch die konzeptionellen und inhaltlichen Neuausrichtungen in der Integrationspolitik des Bundes wie Case-Management, individuelle Kompetenzanalyse und systematische Hilfeplanung bei der Beratung von Neuzuwanderer/innen sind zu begrüßen, da in größerem Umfang als bisher Systematik hergestellt und Verbindlichkeit eingefordert wird. Die Klient orientierte Fallberatung und ­betreuung im Sinne des Case-Managements setzt an deren Kompetenzen und Ressourcen an, trägt zu ihrer Aktivierung bei und übernimmt Funktionen der Steuerung und Koordinierung im Sozialraum.

Das BAMF als zentrale Instanz in der Durchführung des Zuwanderungsgesetzes weist eine dezentrale Organisationsstruktur mit Außenstellen in allen Bundesländern auf. Regionalstellen für Integration in den Bundesländern haben ihre Arbeit aufgenommen.