Wettbewerb

Der Rechnungshof hat zunächst untersucht, mit welchen internen Vergabevorschriften die BSR, BWB und BVG in den Jahren 2002 und 2003 die Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen geregelt haben. Anschließend hat er die Vergabestruktur, d. h. den jeweiligen zahlenmäßigen Anteil von öffentlichen und beschränkten Ausschreibungen sowie von freihändigen Vergaben in diesem Zeitraum ermittelt. Hierzu hat der Rechnungshof sämtliche Vergaben von Aufträgen über Bauleistungen des Hochbaus der BSR, der BWB und der BVG in den Jahren 2002 und 2003 mit Auftragswerten zwischen dem derzeit bei der Vergabe von Bauleistungen für Berlin maßgeblichen Grenzwert für öffentliche Ausschreibungen von 100 000 und dem EU-Schwellenwert von 5 Mio. ausgewertet.

T 240:

Die BSR haben als interne Vergabevorschrift eine „Verfahrensanweisung zur Beschaffung von Bauleistungen und baulichen Instandhaltungsleistungen" erarbeitet, in dieser aber nicht festgelegt, ob und unter welchen Voraussetzungen Aufträge unterhalb des EU-Schwellenwertes öffentlich oder beschränkt ausgeschrieben werden sollen (förmliche Verfahren). Sofern Aufträge über Bauleistungen freihändig - also ohne förmliches Verfahren - vergeben werden sollen, sind nach dieser Verfahrensanweisung in der Regel zunächst bei mehreren Unternehmen Angebote einzuholen und dann nach Prüfung der Angebote mit diesen Vergabeverhandlungen zu führen. Schließlich ist über die Auswahl des Bieters zu entscheiden. Die Verhandlungen sollen regelmäßig protokolliert werden.

Die Auswertung von 27 Vergaben von Aufträgen über Bauleistungen des Hochbaus hat ergeben, dass die BSR nach Einholung von mehreren Angeboten sämtliche Aufträge freihändig vergeben haben.

T 241:

Die BWB haben durch Vorstandsbeschluss vom 6. August 2002 intern geregelt, dass Bauleistungen mit voraussichtlichen Auftragswerten unterhalb der EU-Schwellenwerte grundsätzlich im „konkurrenzierenden Vergabeverfahren im Wettbewerb" zu vergeben sind. Förmliche Vergabeverfahren sollen nur in Ausnahmefällen angewendet werden. Im Rahmen des „konkurrenzierenden" Verfahrens sind bei der Vergabe von Bauleistungen mit einem voraussichtlichen Auftragswert von bis zu 100 000 mindestens vier bis sechs Angebote und mit einem voraussichtlichen Auftragswert von 100 000 bis 200 000 mindestens fünf bis acht Angebote einzuholen, davon jeweils möglichst ein Angebot eines „neuen Bieters". Bei Bauleistungen mit einem voraussichtlichen Auftragswert von 200 000 bis unter 5 Mio. sollen mindestens acht bis zwölf Angebote eingeholt werden, davon möglichst zwei Angebote von „neuen Bietern".

Die Angebote sollen regelmäßig nachverhandelt, das Ergebnis der Nachverhandlungen soll jeweils schriftlich festgehalten werden. Die BWB haben das „konkurrenzierende" Verfahren, das der freihändigen Vergabe nach der VOB/A entspricht, aber aufgrund von Vorbehalten der Verbände der Bauwirtschaft bis zum März 2003 vorübergehend ausgesetzt.

Die Auswertung von 132 Vergaben von Aufträgen über Bauleistungen des Hochbaus hat ergeben, dass die BWB 84 Aufträge (63,6 v. H.) freihändig (davon 26 im „konkurrenzierenden" Verfahren) sowie 46 Aufträge (34,8 v. H.) nach beschränkter Ausschreibung oder beschränkter Ausschreibung nach öffentlichem Teilnahmewettbewerb vergeben haben. Lediglich zwei Aufträge (1,6 v. H.) haben die BWB öffentlich ausgeschrieben.

T 242:

Die BVG schreiben in ihrem internen Vergabehandbuch vor, dass Aufträge über Bauleistungen unterhalb des EUSchwellenwertes mit Werten ab 150 000 regelmäßig öffentlich auszuschreiben sind, sofern nicht die Eigenart der Leistung oder besondere Umstände eine Abweichung rechtfertigen (vgl. § 3 Nr. 2 VOB/A).

Die Auswertung von 78 Vergaben von Aufträgen über Bauleistungen des Hochbaus hat ergeben, dass die BVG

- anders als die BSR und die BWB - sämtliche Aufträge auch ohne rechtliche Verpflichtung öffentlich ausgeschrieben haben. Dabei haben sie nicht nur ihre interne Geschäftsanweisung regelmäßig eingehalten, sondern häufig auch Bauleistungen, deren voraussichtlicher Wert jeweils erheblich unter 150 000 lag, in Lose zusammengefasst und öffentlich ausgeschrieben.

T 243:

Der Rechnungshof verkennt nicht, dass die BSR und die BWB mit ihren internen Regelungen für die Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen unterhalb des EU-Schwellenwertes den unternehmerischen Entscheidungsspielraum ausgeschöpft haben, den das BerlBG zulässt. Dennoch hat der Rechnungshof die Vergabeverfahren der BSR und der BWB beanstandet, weil sie den Wettbewerb erheblich einschränken und damit im Ergebnis unwirtschaftlich sind.

Der Rechnungshof hat die BSR und die BWB darauf hingewiesen, dass eine wesentliche Voraussetzung für ihre kostengünstige Leistungserbringung (§ 2 Abs. 1 BerlBG) sowie für die wirtschaftliche und sparsame Verwendung öffentlicher Mittel die Auftragsvergabe grundsätzlich nach öffentlicher Ausschreibung ist.

Nur die öffentliche Ausschreibung als Regelverfahren

· gewährleistet uneingeschränkten Wettbewerb,

· sorgt für die notwendige Transparenz bei der Auftragsvergabe,

· stellt sicher, dass die Aufträge an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige Unternehmen zum wirtschaftlichsten Gebot vergeben werden und

· erschwert Unregelmäßigkeiten, wie z. B. Preisabsprachen und Korruption.

Ferner hat er auf das Ergebnis zahlreicher Prüfungen verwiesen, wonach bei konsequenter Anwendung öffentlicher Ausschreibung gegenüber beschränkten Ausschreibungen oder freihändigen Vergaben häufig um 20 v. H. bis 30 v. H., in Einzelfällen sogar um bis zu 50 v. H. günstigere Preise erzielbar sind. Insbesondere für bauliche Investitionen hat der Rechnungshof gefordert, dass die Anstalten als juristische Personen öffentlichen Rechts auch bei Auftragswerten unterhalb des EU-Schwellenwertes die öffentliche Ausschreibung als Regelverfahren durchführen.

T 244:

Die BSR haben in ihrer Stellungnahme mitgeteilt, sie könnten die Auffassung des Rechnungshofs nicht teilen, dass nur die öffentliche Ausschreibung in besonderem Maße der Beachtung des Grundsatzes einer sparsamen und wirtschaftlichen Verwendung der Mittel dienen würde. Das Ziel der BSR, durch Verbesserung der Leistungsfähigkeit, Wettbewerbsfähigkeit und Attraktivität zu einem führenden Entsorgungsunternehmen zu werden, könne nur durch eine wettbewerbsfähige (kostengünstige) Beschaffung von Leistungen erreicht werden. Es werde durch starre Vergaberegeln gefährdet. Die freihändige Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen erfolge im Wettbewerb, wobei der Kreis der Unternehmen ständig wechsle und dadurch eine angemessene Wettbewerbssituation hergestellt werde.

Preisabsprachen, Korruption und sonstige Unregelmäßigkeiten würden so erschwert. Bei förmlichen Vergabeverfahren sei besonders der hohe Aufwand zu berücksichtigen. Im Übrigen seien die materiellen und personellen Ressourcen im Beschaffungsprozess der BSR nicht auf die öffentliche Ausschreibung als Regelverfahren ausgerichtet. Die bisherige Vergabepraxis werde nicht geändert.

T 245:

Die BWB haben in einer Stellungnahme im Wesentlichen ausgeführt, dass sie alle betroffenen Mitarbeiter vor der Einführung des auf dem wettbewerblichen Dialog basierenden „konkurrenzierenden" Vergabeverfahrens und zu dessen sicherer Handhabung intensiv geschult hätten. Mit den von den BWB eingeleiteten Maßnahmen (u. a. die konsequente Anwendung des „Vier-Augen-Prinzips" sowie die „unangemeldete Begleitung" durch die interne Revision) würden Unregelmäßigkeiten nicht nur erschwert, sondern weitestgehend verhindert.

Ergänzend haben die BWB Unterlagen vorgelegt, nach denen im Jahr 2003 im Vergleich zu den selbst kalkulierten Auftragswerten in den Bereichen Hochbau und Netze öffentliche Ausschreibungen um ca. 31 v. H. und beschränkte Ausschreibungen um ca. 5 v. H. günstigere Preise erbracht haben sollen. Demgegenüber solle das Gesamteinsparpotenzial bei den „konkurrenzierenden" Vergabeverfahren bei ca. 17 v. H. liegen. Wegen der Eigenart der benötigten Leistungen bzw. wegen eines eingeschränkten potenziellen Bieterkreises komme die öffentliche Ausschreibung aber in der Regel für die BWB nicht in Betracht. Somit sei das „konkurrenzierende" Vergabeverfahren für die BWB die wirtschaftlich vorteilhafteste Vergabeart.

In einer weiteren Stellungnahme haben die BWB ergänzend dargelegt, dass mit ihrem Verfahren „freihändige Vergabe im Wettbewerb" (bis dahin als „konkurrenzierendes Vergabeverfahren im Wettbewerb" bezeichnet) im Jahr 2003

- bezogen auf die kalkulierten Auftragswerte der jeweiligen Maßnahmen - bei 10 v. H. der Vergaben mehr als 30 v. H. und in Einzelfällen sogar mehr als 50 v. H. Einsparungen und nach Ansicht der BWB damit vergleichbare Ergebnisse wie bei öffentlichen Ausschreibungen erzielt worden seien.

T 246:

Die BVG haben nach Abschluss der Prüfung in einem Gespräch angegeben, dass die öffentlichen Ausschreibungen bei voraussichtlichen Auftragswerten in der genannten Höhe zu keinem unverhältnismäßigen personellen oder finanziellen Mehraufwand geführt hätten und sie organisatorisch auf dieses Vergabeverfahren eingestellt seien. Zwar seien besonders sorgfältig aufzustellende Leistungsverzeichnisse notwendig und es sei aufwändig, die zahlreichen Angebote auszuwerten. Beides werde aber durch den Einsatz entsprechender IT-Software erleichtert. Der etwas erhöhte Aufwand würde bei weitem durch zum Teil 20 v. H. bis 50 v. H. günstigere Angebotspreise aufgewogen.

Die BVG halten ihre Verfahrensweise auch wegen der möglichen Einführung elektronischer Vergabeverfahren für zukunftsweisend und haben sich bereit erklärt, die BSR und die BWB an ihren jahrelangen Erfahrungen mit der Vergabe von Bauleistungen gemäß VOB/A teilhaben zu lassen. Generell schriftliche Angebote einzuholen und anschließend Preisverhandlungen zu führen, lehnen die BVG ab, weil die Bieter in diesem Fall die Angebotspreise zunächst erhöhen würden, um bei den Verhandlungen dann entsprechende Preisnachlässe gewähren zu können.

T 247:

Der Rechnungshof hält die Argumente, mit denen die BSR und die BWB die Wirtschaftlichkeit ihrer Verfahrensweise begründet haben, nicht für überzeugend:

Dem Rechnungshof sind keine Vergabeverfahren bekannt, bei denen nachhaltig die Vorteile erzielt werden, die mit denen bei öffentlichen Ausschreibungen vergleichbar sind. Dies haben insbesondere die Ausführungen der BVG bestätigt. Die von den BWB aufgrund von „freihändigen Vergaben im Wettbewerb" genannten Einsparergebnisse bei etwa 10 v. H. der Vergaben ändern nichts an der generellen Einschätzung des Rechnungshofs. Die öffentliche Aus119 schreibung bietet grundsätzlich die größte Gewähr, die wirtschaftlichsten Angebote zu erzielen. Es mag zutreffen, dass diese Vergabeart mit personellem Mehraufwand verbunden ist. Dieser wird aber mit zunehmendem Auftragswert durch den erzielbaren Preisvorteil mehr als ausgeglichen. Weiterhin ist zu berücksichtigen, dass zunehmend Maßnahmen der Anstalten mit Zuwendungen (§ 44 LHO) gefördert werden. Die Zuwendungsbescheide sehen regelmäßig die Anwendung des Zuwendungsrechts vor, wonach bei der Vergabe von Aufträgen bei einem Gesamtbetrag der Zuwendung von mehr als 25 000 die VOB/A bzw. die VOL/A zu beachten sind. Hierfür ggf. zusätzlich notwendige personelle Ressourcen sind bei Zuwendungsempfängern ohnehin vorzuhalten. Auch kann es durchaus zutreffen, dass die freihändige Vergabe (einschließlich des „konkurrenzierenden" Verfahrens) als nicht förmliches Verfahren sowie alle Zwischenformen in der Praxis „flexibler" gehandhabt werden können als die öffentliche Ausschreibung. Entscheidend ist aber, dass solche Verfahren intransparente Verhaltensweisen der an den Vergaben beteiligten Mitarbeiter erleichtern und die hohen Anforderungen an rechtlicher Nachprüfbarkeit und Nichtdiskriminierung, die an Auftragsvergaben im öffentlichen Bereich zu stellen sind, regelmäßig nicht erfüllen.

Der Rechnungshof bekräftigt seine Auffassung, dass die öffentliche Ausschreibung als Regelverfahren grundsätzlich zu den wirtschaftlichsten Ergebnissen führt und zugleich das mit Abstand geeignetste Instrument ist, um Unregelmäßigkeiten, wie z. B. Preisabsprachen und Korruption, zu erschweren. Die öffentliche Ausschreibung mit ihrem nicht eingeschränkten Wettbewerb ist auch das einzige Vergabeverfahren, das über den „vertrauten" Bieterkreis hinausgehend allen weiteren Unternehmen, die ihre Fachkunde, Leistungsfähigkeit und Zuverlässigkeit nachweisen, die Teilnahme am Wettbewerb ermöglicht.

T 248:

Der Rechnungshof erwartet, dass die BSR und die BWB dem Beispiel der BVG folgen und im Interesse ihrer Wirtschaftlichkeit sowie im Interesse der wirtschaftlichen und sparsamen Verwendung öffentlicher Zuwendungsmittel ihre internen Vergabevorschriften so gestalten, dass sie Bauleistungen sowie andere Lieferungen und Leistungen auch unterhalb der EU-Schwellenwerte in der Regel öffentlich ausschreiben.

Zu T 238 bis 248:

Der Rechnungshof erkennt an, dass die BSR und BWB mit ihren internen Regelungen für die Vergabe von Aufträgen über Bauleistungen unterhalb des EU-Schwellenwertes den unternehmerischen Entscheidungsspielraum ausgeschöpft haben, den das BerlBG zulässt. Der Rechnungshof erkennt ebenfalls an, dass die Vergabe von geförderten Baumaßnahmen durch die Anstalten zuwendungsrechtlich einwandfrei erfolgt ist. Aus diesen Gründen besteht aus Sicht der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen auch keine Veranlassung, die Anstalten aufzufordern, ihre internen Vergabevorschriften den Erwartungen des Rechnungshofs entsprechend anzupassen. Dies gilt vor allem auch deshalb, weil der Gesetzgeber im Rahmen der Umwandlung der Eigenbetriebe in Anstalten des öffentlichen Rechts im Interesse der Weiterentwicklung und Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit geregelt hat, dass die LHO bis auf die §§ 88-90, 94-99 keine Anwendung finden. Diese ausdrückliche gesetzgeberische Intention sollte nicht durch Verfahrensvorgaben außer Kraft gesetzt werden. Einer Änderung von § 23 BerlBG bedürfte es jedoch nur dann, wenn man sich der Auffassung des Rechnungshofs zu den Vorzügen einer generellen öffentlichen Ausschreibung anschließen würde. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen sieht jedoch keine Veranlassung, im Rahmen der Novellierung des BerlBG § 55 LHO für die Anstalten des öffentlichen Rechts für anwendbar zu erklären. Nach Auffassung der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen sollte es dabei verbleiben, dass über das „Wie" von Vergabeverfahren unterhalb der EU-Schwellenwerte die Anstalt eigenverantwortlich nach kaufmännischen Grundsätzen unter Berücksichtigung gemeinwirtschaftlicher Gesichtspunkte entscheidet. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen beabsichtigt bei der Neufassung des BerlBG jedoch, die Anstalten des öffentlichen Rechts zu verpflichten, Vergabeverfahren unterhalb des Schwellenwertes in einem geeigneten Medium zu veröffentlichen, um damit Vorgaben der EU-Kommission Rechnung zu tragen, die ein transparentes und diskriminierungsfreies Verfahren fordert.

Unabhängig davon wird bei der BSR im Zuge der „Strategischen Neuausrichtung des Beschaffungsprozesses" zur Zeit auch das Vergabeverfahren für Bauleistungen unterhalb des Schwellenwertes überarbeitet. Es ist vorgesehen, ein Auswahlverfahren zu installieren für a) die fakultative Ausschreibung geeigneter Aufträge unterhalb des Schwellenwertes im „offenen Verfahren" und b) die öffentliche Ausschreibung von Bauaufträgen ab 200.000. Im Vorgriff auf die Veröffentlichungspflicht im Zuge der geplanten Änderung des BerlBG hat die BWB mitgeteilt, über beabsichtigte Investitionen schon jetzt verstärkt zu informieren.