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3. Millionenverluste der Berliner Verkehrsbetriebe durch Aktivitäten in den Geschäftsbereichen Charter und Touristik

Von den Berliner Verkehrsbetrieben (BVG) im Sachgebiet Charter und Touristik durchgeführte Geschäftstätigkeiten, die überwiegend nicht zu deren unmittelbaren gesetzlich festgelegten Aufgabenbereich gehören, haben von 1996 bis 2004 durchweg Verluste von insgesamt 3,8 Mio. verursacht. Der Rechnungshof hat dies beanstandet. Er erwartet insbesondere, dass die BVG die unwirtschaftlichen Teilsachgebiete Reiseverkehr und Stadttouristik aufgeben.

T 249:

Die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) haben 1996 das Sachgebiet Charter und Touristik geschaffen, das sich in die Teilsachgebiete Reiseverkehr, Stadttouristik und Wagenvermietung gliedert. Es unterhält mit insgesamt neun Beschäftigten eine Geschäftsstelle auf dem Omnibusbetriebshof Cicerostraße sowie ein Touristik-Center im Steglitzer Kreisel.

Nach dem „Unternehmensbereichskonzept Omnibus Geschäftsfeld Charter und Touristik" vom 16. Februar 1996 sollte das Sachgebiet zusätzliche Einnahmen für die BVG erzielen und für die gesamten BVG werbewirksam sein.

Darüber hinaus werden nach den Businessplänen von 1998 an und dem „Konzept 2000 - Charter und Touristik" vom 28. Januar 2000 die Erzielung eines Gewinns sowie Image-Pflege für die BVG und Kundenbindung angestrebt. Nach dem 1999 bis zum Jahre 2003 fortgeschriebenen Businessplan sollte die Gewinnzone vom Jahr 2002 an erreicht werden, das Teilsachgebiet Reiseverkehr sollte bereits vom Jahr 2001 an Gewinne erzielen.

T 250: Entgegen allen Planungen hat das Sachgebiet Charter und Touristik seit 1996 stets negative Jahresergebnisse erwirtschaftet, die bis zu 1,5 Mio. betrugen. Von 1996 bis 2004 sind insgesamt Verluste von 3,8 Mio. aufgelaufen.

Zu dem negativen Gesamtergebnis hat vor allem das Teilsachgebiet Reiseverkehr beigetragen. Aber auch das Teilsachgebiet Stadttouristik hat mit der Veranstaltung von Stadtrundfahrten und der Vermietung von Sonderfahrzeugen überwiegend hohe Verluste erwirtschaftet. Die positiven Ergebnisse aus dem Teilsachgebiet Wagenvermietung seit dem Jahr 2002 und der Vermarktung von Angeboten anderer Unternehmensbereiche der BVG in den Jahren 2000 bis 2003 durch die Stadttouristik konnten die negativen Ergebnisse der anderen Produktlinien nicht kompensieren. Im Folgenden werden die drei Teilsachgebiete näher erläutert.

T 251:

In dem Teilsachgebiet Reiseverkehr sind folgende Produktlinien enthalten:

· Reisevermittlung für einen privaten Reiseveranstalter;

· Veranstaltung von Tagesfahrten und Reisen;

· Vermietung von drei Reisebussen und eines Funmobils.

Für die Erlöse und Kosten der verschiedenen Produktlinien des Teilsachgebietes wurde nur eine gemeinsame Kostenstelle „Reisebusse" eingerichtet. Da nur wenige und mangelhafte Kalkulationen für die Preise vorliegen, ist nicht feststellbar, ob Produkte des Teilsachgebietes wenigstens kostendeckend erbracht werden.

Reisevermittlung für einen privaten Reiseveranstalter:

Das Teilsachgebiet Reiseverkehr tritt als Vermittler für einen Reiseveranstalter auf; für Vertriebs- und Buchungsleistungen erhält es eine Provision. Von 2001 bis 2003 sind die vermittelten Buchungen um 31 v. H. zurückgegangen.

Erlöse und Kosten sind nicht gesondert ausgewiesen, sodass nicht ersichtlich ist, ob die Provisionen wenigstens die Kosten decken.

Veranstaltung von Tagesfahrten und Reisen:

Die BVG veranstalten selbst Tagesfahrten und Reisen. Die Preise werden auf Grundlage der Kosten für Vorleistungen beauftragter Subunternehmer bzw. der Verrechnungspreise für die dem Sachgebiet zugeordneten drei Reise121 busse zuzüglich Aufschläge gebildet, wobei eine Mindestteilnehmerzahl sowie bestehende Marktpreise berücksichtigt werden. Ein festes Schema für die Preisbildung existiert nicht. Für die durchgeführten Tagesfahrten und Reisen haben die BVG nur vereinzelte Nachkalkulationen vorgelegt. Diese sind jedoch nur sehr eingeschränkt aussagekräftig, da die anteiligen Gemeinkosten nicht berücksichtigt worden sind.

Vermietung von drei Reisebussen und eines Funmobils:

Die Reisebusse werden für die Veranstaltungen des Teilsachgebietes eingesetzt. Andernfalls werden sie vermietet.

Für die Vermietung an den Reiseveranstalter (s. Reisevermittlung) werden die Buskosten ohne Gemeinkostenzuschlag in Rechnung gestellt. Für die Überlassung an Dritte hingegen erheben die BVG am Markt orientierte Preise, denen aber keine Kalkulation zugrunde liegt. Das Funmobil wird zu einem verhandelbaren Preis von 62 /Stunde vermietet; auch hierfür existiert keine Preiskalkulation. Der Kostenstelle „Reisebusse" werden nur die Erlöse und die Personalkosten des Funmobils zugeordnet; die übrigen Kosten sind beim Fuhrpark der BVG erfasst.

T 252:

Zu dem Teilsachgebiet Stadttouristik gehören folgende Produktlinien:

· Durchführung von Stadtrundfahrten;

· Vermietung von Sonderfahrzeugen;

· Vermarktung von Angeboten anderer Unternehmensbereiche.

Ob Produkte des Teilsachgebietes wenigstens kostendeckend erbracht werden, ist nicht nachvollziehbar.

Durchführung von Stadtrundfahrten:

Für die Durchführung der Stadtrundfahrten stehen fünf rote Cabrio-Doppeldeckerbusse (Top-Tour-Berlin) sowie zwei historische Oldtimerbusse (Zille-Express) zur Verfügung. Die Ticket-Preise werden ausschließlich in Orientierung am Markt, d. h. ohne eigene Kalkulation, festgelegt. Die Erlöse und Kosten werden nicht einzeln aufgezeichnet. Bis zum Jahr 2002 wurden alle Stadtrundfahrten auf der Kostenstelle „Top-/City-Tour" erfasst. Der Zille-Express ist seit 2003 zusammen mit weiteren Produkten einer gesonderten Kostenstelle zugeordnet. Zeitweise werden bis heute die Cabrio-Doppeldeckerbusse im Teilsachgebiet Vermietung von Sonderfahrzeugen eingesetzt, ohne dass die Kosten anteilig zugeordnet werden.

Vermietung von Sonderfahrzeugen:

Die für die Stadtrundfahrten eingesetzten Busse können ebenso wie verschiedene Sonderfahrzeuge (2 Party-Busse, 1 Sightseeing-Bus, 1 Hochzeitsbus und 1 weiterer offener historischer Oldtimerbus) gemietet werden. Die Miete beträgt für drei Stunden zwischen 210 und 400. Kalkulationen auf der Basis von Selbstkosten liegen diesen Preisen nicht zugrunde. Die Erlöse und Kosten aus der Vermietung sämtlicher Zille-Express- und Sonderfahrzeuge werden derzeit zusammen mit der Stadtrundfahrt Zille-Express auf der Kostenstelle „Vermietung Sonderfahrzeuge" erfasst. Bei der Vermietung von Top-Tour-Berlin-Bussen werden dieser Kostenstelle zwar die Erlöse, nicht aber die zugehörigen anteiligen Kosten zugeordnet. Teils wurden die Sonderfahrzeuge vom Teilsachgebiet Wagenvermietung vermietet, ohne dass die Kosten anteilig zugeordnet wurden.

Vermarktung von Angeboten anderer Unternehmensbereiche:

Für den Unternehmensbereich Straßenbahn wurde die City-Tour-Straßenbahn ohne Provision und die Party-Tram gegen eine Vergütung in Höhe von 15 v. H. der Einnahmen vermarktet. Für den Unternehmensbereich U-Bahn wird für eine Vermittlungsprovision in Höhe von 20 v. H. der Einnahmen aus dem Ticketverkauf die Tunnel-Tour-Berlin angeboten. Für die Vermarktung der Party-Tram und der Tunnel-Tour-Berlin wurde die Kostenstelle „Agent. PartyTram" eingerichtet; für die Vermittlung der City-Tour-Straßenbahn wurden weder Kosten noch Erlöse verbucht.

T 253:

Das Teilsachgebiet Wagenvermietung gehört seit 2002 mit einer eigenen Kostenstelle zum Sachgebiet Charter und Touristik. Es vermietet Busse der BVG. Die BVG haben eine Preisliste vorgelegt, die sie auf der Grundlage einer Kalkulation der Kosten zum Einsatz der Busse im Linienverkehr zuzüglich eines Gewinnaufschlages von 10 v. H. bis 20 v. H. und unter Berücksichtigung der Vermietungspreise anderer Unternehmen erstellt haben.

Die Erlöse und Kosten aus der Vermietung aller BVG-Busse werden in der Kostenstelle „Wagenvermietung" erfasst.

Seit dem Jahr 2003 wurden teilweise auch die Fahrzeuge der Stadttouristik vermietet. Bei der Vermietung der Stadttouristik-Fahrzeuge wurden dieser Kostenstelle zwar die Erlöse, nicht jedoch die anteiligen Kosten zugeordnet. Die Wirtschaftlichkeit der Vermietungen des Sachgebietes insgesamt oder gar der Vermietung einzelner Fahrzeuge ist damit nicht feststellbar, da korrekte Kostenzuordnungen aus den anderen Teilsachgebieten fehlen.

T 254:

Der Rechnungshof hat beanstandet, dass die BVG versäumt haben,

· eine detaillierte und aussagefähige Kosten- und Leistungsrechnung für das Sachgebiet einzurichten,

· Erlöse und Kosten einschließlich anteiliger Gemeinkosten verursachungsgerecht zuzuordnen sowie

· aussagefähige Vorkalkulationen und entsprechende Nachkalkulationen durchzuführen.

Stattdessen haben die BVG über mehrere Jahre hohe Verluste in Kauf genommen, obwohl die Verlustsituation des Sachgebietes Charter und Touristik zu erkennen war und die einzelnen Planziele nahezu durchgehend nicht erreicht wurden. Die zunächst erwogene Ausgliederung von Angeboten im Bereich Tagesfahrten und Reisen sowie Stadttouristik zum 31. Dezember 2000 ist unterblieben. Auskunftsgemäß haben die BVG erst während der Prüfung durch den Rechnungshof Untersuchungen über die Wirtschaftlichkeit einzelner Produkte begonnen.

Unabhängig davon hat der Rechnungshof den BVG vorgehalten, dass die Teilsachgebiete Reiseverkehr und Stadttouristik nicht zum gesetzlichen Aufgabenbereich der BVG gehören. Dieser umfasst nach § 2 Abs. 5 BerlBG nur den öffentlichen Personennahverkehr sowie alle hiermit in Zusammenhang stehenden Tätigkeiten.

Der Rechnungshof hat daher gefordert, dass die BVG diese Geschäftsfelder aufgeben.

T 255:

Die BVG haben nur teilweise Stellung genommen. Sie haben erwidert, dass die einzelnen Teilbereiche durch separate Kostenstellen geplant und abgerechnet würden und eine Verrechnung zwischen den Kostenstellen bei entsprechendem Leistungsbezug erfolge. Das grundsätzliche Fehlen von Kalkulationen könne nicht bestätigt werden; die Hinweise zu den Kalkulationen für das Teilsachgebiet Reiseverkehr würden jedoch aufgenommen. Das Ziel von Charter und Touristik bestünde in der Erschließung zusätzlicher Einnahmen, was neben einem Imagegewinn erreicht worden sei. Der Gesamtverlust von 3,8 Mio. sei um Kosten von 6,8 Mio., die der BVG auch ohne die Geschäftstätigkeit des Sachgebietes entstanden wären, zu relativieren. Damit würde sich ein Deckungsbeitrag von über 3 Mio. ergeben. Es seien zahlreiche Maßnahmen festgelegt und durchgeführt worden, die eine Verbesserung des Ergebnisses zur Folge hatten. Die BVG haben in Aussicht gestellt, dass auf der Grundlage der Ergebnisse von Charter und Touristik in den Jahren 2004 und 2005 endgültig über die weitere Betreibung des Geschäftsfeldes entschieden werde.

T 256:

Die Ausführungen der BVG entkräften die Beanstandungen des Rechnungshofs im Wesentlichen nicht. Die wenig detaillierte Kostenstellenstruktur im Sachgebiet erlaubt keine Aussagen über die Wirtschaftlichkeit von Produktlinien.

Zwar wurden ursprünglich zusätzliche Einnahmen als Ziel formuliert, jedoch geht aus den Businessplänen, dem „Konzept 2000 - Charter und Touristik" sowie aus dem mit der Stellungnahme übersandten „Strategiepapier Charter & Touristik" vom August 2004 eindeutig die Gewinnerzielungsabsicht hervor. Die von den BVG in Abzug gebrachten Kosten sind ohne weitere Erläuterung geblieben, in der Höhe nicht nachvollziehbar und bereits in der Darstellung des Gesamtverlustes enthalten. Die von den BVG eingeleiteten Maßnahmen zur Ergebnisverbesserung haben die fortlaufend negativen Jahresergebnisse des Sachgebietes nicht verhindert und nicht einmal eine vollständige Deckung der Kosten erreicht. Vergleichbare Mängel in den Geschäftsbereichen Werbung und Kundenpflege hatte der Rechnungshof bereits im Jahresbericht 2003 (T 295 bis 306) aufgegriffen.

Zu T 249 bis 256:

Der Vorstand der BVG hat dazu bereits mehrfach gegenüber dem Rechnungshof detailliert Stellung genommen, dessen umfangreichen Fragenkatalog beantwortet und ihm eine ausführliche Dokumentation vorgelegt. Der Rechnungshof hält dennoch an seiner Kritik fest. Die Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen teilt diese nur bedingt.

Der Darstellung des Rechnungshofs zum vom Sachgebiet Charter und Touristik erbrachten Jahresergebnis ist differenziert zu sehen. Die BVG hat gegenüber dem Rechnungshof bereits mehrfach die Zusammenhänge und Hintergründe dazu erläutert. Sie werden im Folgenden noch einmal dargestellt.

Das Berliner Betriebegesetz bildet die Grundlage für die Teilnahme der BVG am marktwirtschaftlichen Wettbewerb. Für den Unternehmensbereich Omnibus ist dies u. a. das ProfitCenter Charter und Touristik als Teil der Rand- und Nebengeschäfte.

Unternehmensziel dieses Profit-Centers sowie aller Rand- und Nebengeschäfte ist die Erzielung von zusätzlichen Einnahmen durch Ausnutzung des vorhandenen Know-hows und freier Kapazitäten (insbes. Personal und Fahrzeuge). Dadurch soll und wird die Ergebnissituation der BVG verbessert.

Nach Angaben des Vorstands konnte das Ziel, zusätzliche Einnahmen zu erschließen, erreicht werden. Von 1996 bis 31.12.2004 wurden insgesamt ca. 18,7 Mio. realisiert.