Ökonomische Anreizsysteme für einen umweltfreundlichen Seeverkehr

Die Bürgerschaft (Landtag) hat in ihrer Sitzung vom 23. März folgenden Beschluss gefasst:

1. Die Bürgerschaft (Landtag) fordert den Senat auf, bis zum 30. September 2000 den Bericht des Institutes für Seeverkehr und Logistik vom Januar 2000 über ökonomische Anreizsysteme für einen umweltfreundlichen Seeverkehr auszuwerten und der Bürgerschaft (Landtag) über die Ergebnisse dieser Auswertung sowie die daraus für die bremischen Häfen resultierenden Konsequenzen zu berichten.

2. Der Senat wird gebeten, der Bürgerschaft (Landtag) in dem Bericht auch mitzuteilen, ob und ggf. wie andere deutsche und europäische Seehäfen ökonomische Anreizsysteme für einen umweltfreundlichen Seeverkehr bieten.

Der Senat übermittelt der Bürgerschaft (Landtag) seinen Bericht über ökonomische Anreizsysteme für einen umweltfreundlichen Seeverkehr zur Kenntnisnahme.

1. Einführung

Im Auftrag der Umweltbehörde der Freien und Hansestadt Hamburg hat das Institut für Seeverkehr und Logistik (ISL) an der Universität Bremen einen Bericht über ökonomische Anreizsysteme für einen umweltfreundlichen Seeverkehr für die internationale Konferenz Green Shipping am 16./17. Februar 2000 in Hamburg erstellt. Dieser wurde dort zur Diskussion gestellt.

Ziel der Studie war es zu prüfen, ob die ökonomische Basis der Entscheidungsfindung in der Schifffahrt in Bezug auf den Umweltschutz verändert werden kann.

Reedereien, die Entscheidungen im Sinne des Umweltschutzes treffen und entsprechende Investitionen tätigen, sollten ökonomisch gegenüber jenen, die beides unterlassen, begünstigt werden.

Hintergrund war die Erkenntnis, dass die Schifffahrt hinsichtlich umweltrelevanter Kenndaten zwar die effizienteste Transportform ist, jedoch auch einen Beitrag zur Verschmutzung der Umwelt leistet: Die Luft wird verschmutzt durch das Verbrennen von Treibstoffen und Abfällen. Das Wasser auf dem offenen Meer, an der Küste und auch in den Häfen wird sowohl durch Ölabfälle, Unterwasseranstriche, giftige Flüssigkeiten und andere gefährliche Substanzen als auch durch Schiffsabwässer und Schiffsmüll verunreinigt. Ladungsverluste aufgrund von Schiffsunfällen können ebenfalls Umweltschäden zur Folge haben.

Andererseits stehen für eine Reihe von Umweltproblemen in der Seeschifffahrt technische Lösungen zur Verfügung, wie beispielsweise für Abgase, Ölabfälle, Schiffsabwässer und Schiffsmüll. In anderen Problembereichen sind Lösungen zumindest teilweise verfügbar oder in der Entwicklung. Es ist weniger eine Frage der technischen Durchführbarkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen zur Reduktion oder Eliminierung der Umweltverschmutzung als vielmehr eine Frage der Schwerpunktsetzung der am Transport Beteiligten. Im Vordergrund stehen häufig genug allein Kostenerwägungen. Gegenwärtig sind Reedereien, die Investitionen in eine umweltfreundliche Ausstattung ihrer Schiffe unterlassen, gegenüber jenen, die solche Maßnahmen ergreifen, begünstigt.

Im Mittelpunkt der ISL-Studie steht die Analyse der Möglichkeiten für die Einführung eines Hafengebührensystems, welches umweltfreundliche Schiffe und Reedereien ökonomisch begünstigt und jene, die keinen Umweltschutz betreiben, benachteiligt.

Indirekte Anreize können sich aus der Beitragsgestaltung von Versicherungsgesellschaften und aus Inspektionen von Schiffen hinsichtlich ihrer Standards, z. B. durch Ölgesellschaften oder Chemieunternehmen ergeben.

2. Bestehende ökonomische Anreizsysteme in Häfen Grundlage der ISL-Untersuchung ist die Betrachtung verschiedener ökonomischer Anreizsysteme, die vorgeschlagen oder bereits in der Praxis umgesetzt sind. Es gibt eine Reihe sehr unterschiedlicher Ansätze, Hafengebühren als Instrument des ökonomischen Anreizes zur Einführung umweltfreundlicher Maßnahmen auf Schiffen einzusetzen:

a. Bonus für SBT- und Doppelhüllentanker

In deutschen Häfen gibt es eine umweltbezogene Hafengebührenreduktion nur für Tanker mit getrennten Ballasttanks (segregated ballast tanks, SBT) und für Doppelhüllentanker, und zwar in Hamburg, Wilhelmshaven, Emden, Brunsbüttel, Nordenham und den bremischen Häfen. Innerhalb der Nordrange sind die Häfen Antwerpen und Rotterdam an diesem System beteiligt; einen Rabatt auf die Transitgebühren gewährt der Suezkanal.

b. Green Award-Zertifizierungssystem

Das Green Award System, initiiert in Rotterdam, hat das Ziel, im Hinblick auf die Sicherheit und den Umweltschutz die Verbesserung des Standards des Schiffsbetriebs zu fördern. Es ist gegenwärtig auf Rohöl- und Ölproduktentanker über 20.000 dwt. beschränkt, soll aber künftig erweitert werden. Die Green Award-Stiftung zertifiziert auf Antrag von Reedereien Schiffe hinsichtlich einer Vielzahl von Anforderungen an die Mannschaften und das Management sowie an die Schiffstechnik. Nach Erreichen einer Mindestpunktzahl wird das Green-Award-Zertifikat verliehen, das in vier niederländischen, einem portugiesischen, einem britischen, einer Reihe von spanischen und sechs südafrikanischen Häfen Hafengebührenreduktionen bis maximal 7 % verschafft.

c. Differenzierte Wasserstraßen- und Hafengebühren in Schweden

Seit Anfang 1998 werden in Schweden differenzierte Wasserstraßen- (fairway dues) und Hafengebühren erhoben. Die Gebühren werden so berechnet, dass der Gesamtzahl der die schwedischen Häfen anlaufenden Schiffe die gleichen Kosten entstehen wie vor 1998. Bei den Schiffen wird nach der Höhe ihrer Emissionen differenziert. Damit sollen insbesondere Fähren und andere Schiffe, die häufig schwedische Häfen anlaufen, zu Maßnahmen der Verminderung der Stickstoffemissionen und zur Verbrennung niedrigschwefelhaltiger Brennstoffe veranlasst werden. Neben der schwedischen Schifffahrtsverwaltung, die die Wasserstraßengebühren erhebt, sind rund 20 schwedische Häfen an dem System beteiligt.

d. Andere Hafengebührenermäßigungen

In einigen Ostseehäfen bestehen weitere Beispiele für die finanzielle Begünstigung umweltfreundlicher Schiffe: Helsinki gewährt Passagierschiffen, die regelmäßige öffentliche Transportdienste anbieten, einen Rabatt von 40 % auf die Hafengebühren, wenn innerhalb der finnischen Territorialgewässer Treibstoffe mit einem Schwefelgehalt von unter 1 % verwendet werden. Die Häfen von Kaliningrad und Szczecin-Swinoujscie bieten Schiffen einen finanziellen Anreiz zur Reduktion der Luftverschmutzung. Details zum Anreizsystem und zur Höhe der Rabatte sind nicht bekannt.

3. Empfehlungen der ISL-Studie

Nach Darstellung der bestehenden ökonomischen Anreizsysteme für einen umweltfreundlichen Seeverkehr kommt die ISL-Studie im Ergebnis zur Empfehlung eines Bonus-Malus-Systems, das für Schiffe, die bestimmte Kriterien der Umweltfreundlichkeit erfüllen, reduzierte Hafengebühren vorsieht. Die Hafengebührenreduktionen sollen für die Häfen kostenneutral bleiben, da die Gewährung von Bonusleistungen durch solche Schiffe refinanziert werden soll, die aufgrund unzulänglicher Ausrüstungen finanziell bestraft werden sollen, d. h. Mali zu zahlen haben.

Konkret heißt dies lt. ISL-Studie:

1. Das Anreizsystem soll Schiffe, die alle IMO-Regeln erfüllen, nicht benachteiligen. Dies bedeutet, dass diese Schiffe weiterhin 100 % der Hafengebühren bezahlen.

2. Folgende Schiffe sollten mit einem Malus belastet werden:

- Substandardschiffe, die bereits in einem Hafen festgehalten wurden,

- Schiffe (Öl- und Gastanker), die von OCIMF(Oil Companies International Marine Forum)-Mitgliedern für eine Charter abgelehnt wurden, wenn einheitliche Tankerinspektionsregeln zur Anwendung gekommen sind,

- Schiffe (Chemikalientanker), die einen noch zu definierenden Standard des Chemical Distribution Institute (CDI) nicht erreichen.

3. Umweltfreundliche Schiffe sollten hingegen mit einem Bonus begünstigt werden. Folgende Schiffe sollten für einen Bonus in Frage kommen:

- Schiffe von Gesellschaften mit ISO 14001 (International Organsation for Standardisation)-Zertifizierung,

- Schiffe mit einem noch zu definierenden Level über dem Level 2 im Ratingsystem der norwegischen Klassifikationsgesellschaft Det Norske Veritas (DNV),

- Schiffe, die Häfen außerhalb von Emissionskontrollgebieten anlaufen, wenn sie die Verpflichtungen dieser Gebiete erfüllen,

- Schiffe, die sich für reduzierte Wasserstraßengebühren in Schweden qualifizieren,

- Schiffe, die bereits die Regeln der International Maritime Organisation (IMO) erfüllen, bevor diese in Kraft getreten sind,

- Green Award zertifizierte Schiffe.

4. Bewertung des vorgeschlagenen Systems Grundsätzlich können ökonomische Anreizsysteme ein sinnvolles Instrument zur Förderung umweltfreundlicher Investitionen auf Schiffen sein. Das vorgeschlagene Modell hat jedoch eine Reihe von Schwachstellen, die von Seiten der Häfen, z. T. auch seitens der Schifffahrt, nicht akzeptabel sind.

- Eine Vielzahl von Schiffen könnte nach dem ISL-System einen Anspruch auf Gebührenermäßigung erheben; mit einem Malus belastet werden könnte hingegen ein verschwindend kleiner Anteil. Daher müssten die Häfen Einkommensverluste durch das verringerte Gebührenaufkommen hinnehmen.

- Diese Mindereinnahmen können nicht oder nur sehr begrenzt durch eine allgemeine Erhöhung der Hafengebühren aufgefangen werden, da überhöhte Hafengebühren eine Benachteiligung beim Hafenwettbewerb bedeuten, wenn nicht alle Konkurrenten in der gleichen Art verfahren.

- Bislang lässt sich nicht abschätzen, in welchem Umfang die Häfen mit Mindereinnahmen aufgrund einer Bonusregelung zu rechnen hätten. Eine solide Finanzierungsplanung wäre daher zurzeit nicht möglich.

- vorgeschlagen wird, erscheint wenig hilfreich. Zum einen erschwert dies die Kontrolle der Schiffe durch die Häfen hinsichtlich des Anspruchs des Schiffes auf eine Gebührenreduktion. Zum anderen steht zu befürchten, dass bei gleichberechtigtem Nebeneinander verschiedener Systeme nur dasjenige, das auf dem niedrigsten Niveau operiert, durch die Schiffe erfüllt wird.

- Regeln, die nur eine begrenzte geographische Abdeckung aufweisen, würden u. U. den Hafenwettbewerb beeinflussen und den Betrieb der Schiffe verkomplizieren und verteuern, wenn verschiedene Regionen unterschiedliche Umweltstandards vorgeben. Die meisten Schiffe operieren auf weltweiter Basis.