Schweiz

27. Sitzung am 7. 10. 04 1569 hende Spiegel-Verlag gesagt hat, wir kehren zurück. Der Burda-Verlag hat das nicht gesagt, die Frankfurter Allgemeine Zeitung hat im Übrigen schon vor vier Jahren wieder auf die alte Rechtschreibung umgestellt.

Meine Damen und Herren, die Reform der deutschen Rechtschreibung ist ein ganz großes Problem in der Vermittlung gewesen, aber die Reform war im Prinzip richtig.

(Beifall bei der CDU) Darum ist die Debatte, die in diesem Sommer begonnen wurde, ein Jahr vor dem Ende der Übergangsfrist das Ende der Reform einzuläuten, eine falsche Debatte. Ungefähr 80 Prozent dieser Reform sind völlig unstrittig bei allen Sprachwissenschaftlern, und selbst bei den schärfsten Kritikern hat man nicht gehört, dass sie die ganze Reform zurücknehmen wollen. Es geht im Prinzip um einen ganz kleinen Prozentsatz, über den man sicherlich streiten kann, aber die Reform insgesamt in Frage zu stellen ist ein Fehler, und es hat, glaube ich, auch wirklich niemand ernsthaft vor, die ganze Reform zurückzunehmen.

Wir in Bremen haben diese Reform begleitet. Es wurden neue Schulbücher angeschafft, und sechs Jahrgänge haben neue Regeln gelernt. Diese Schülerinnen und Schüler können wir jetzt theoretisch vor die Wahl stellen und sagen: Ihr habt jetzt kurz Zeit, ihr könnt dann neue Regeln lernen ­ in Klammern: die alten ­, und dann ist alles so wie früher.

Wir müssten natürlich auch neue Schulbücher anschaffen ­ der Senator hat ja einen hohen Eckwert und wird uns das Geld sicherlich locker zur Verfügung stellen ­, und auch in den Amtsstuben müssen entsprechend neue Formulare, ganz zu schweigen von den Rechtschreibprogrammen in den Computern, angeschafft werden.

Das alles geht ganz einfach und würde das Ende der Reform bedeuten. Das würde aber auch das Ende jeder Reformbereitschaft in Deutschland bedeuten, denn wenn nicht einmal die Reform der Rechtschreibung in Deutschland hinzubekommen ist, meine Damen und Herren, wo leben wir denn dann? Dann gehen, glaube ich, auch die ganz großen Reformen, die wesentlichen Reformen, über die wir ja zum Beispiel noch gestern gesprochen haben, gar nicht mehr.

Darum ist es wichtig, auch an der Reform der Rechtschreibung festzuhalten.

(Beifall bei der CDU und beim Bündnis 90/

Die erste Reform der Rechtschreibung durch Dr. Martin Luther stieß noch auf wenig Protest bei den Bürgerinnen und Bürgern. Es wurde zum ersten Mal überhaupt ein Schriftdeutsch festgelegt. Die einzigen, die sich aufgeregt haben, waren diejenigen, die davor überhaupt Latein lesen konnten, denn zum ersten Mal war für die Deutschen ein Sprachschatz festgelegt worden. Viele Jahrhunderte später kamen dann die Gebrüder Grimm und haben mit ihrem Wörterbuch diesen Sprachschatz, der sich mehrere Jahrhunderte frei entwickelt hatte und ganz verschiedene regionale Ausprägungen hatte, neu modifiziert. Nur wenige Jahre später kam dann schon Konrad Duden und hat in sehr viel kürzeren Abständen angefangen, den Sprachschatz zu erheben.

Meine Damen und Herren, vor 103 Jahren, 1901, wurde auf der Berliner Konferenz eine einheitliche Regelung der Rechtschreibung für alle deutschsprachigen Staaten erreicht. Auch bei dieser Reform, die wir zurzeit haben, sind ja nicht nur Österreich und die Schweiz beteiligt, es ist die Republik Ungarn dabei, es ist die Republik Rumänien dabei, das Fürstentum Liechtenstein und die autonome Provinz der Republik Italien. Meine Damen und Herren, wir reden nicht nur über drei Staaten, wir reden hier über ein riesiges Gebiet in Europa.

(Abg. Pietrzok [SPD]: Hannover war auch dabei!) Übrigens ist auch Belgien dabei, wo es auch eine deutschsprachige Region gibt. Mit diesen Staaten ist eine gemeinsame Absichtserklärung erreicht worden, und es ist ein Fehler anzunehmen, dass diese Reform einfach so an einem Kaminfeuer der Ministerpräsidenten oder sonst wo reformiert werden könnte.

Wir sind hier den richtigen Weg gegangen, mit dem Rat für deutsche Rechtschreibung in Zukunft Modifikationen zu erarbeiten. Das ist auch unser Ansatz gewesen. In unserem Entwurf des Antrags, den wir der SPD herübergereicht hatten, hatten wir ganz konkret gesagt, es gibt Probleme in dem Bereich der Groß- und Kleinschreibung, im Bereich der Getrennt- und Zusammenschreibung und auch in dem Bereich der eingedeutschten Fremdwörter, über die man sicherlich reden muss, die zum großen Teil auch dazu beitragen, dass die Akzeptanz bei vielen noch nicht ganz so vorhanden ist.

Ich glaube, dass hier Ergebnisse erreicht werden können, wenn man jetzt nachverhandelt, weil es auch vor 103 Jahren dort viele Probleme gab. Eine große deutsche Rechtschreibreform wurde damals von Kaiser Wilhelm II. verhindert, weil er vermeiden wollte, dass sein Thron in Zukunft ohne h geschrieben wird. Das ist ein ganz konkretes Beispiel, an dem man sieht, dass bei so einer fachlichen Diskussion auch immer persönliche Befindlichkeiten eine Rolle spielen können.

(Abg. Frau Busch [SPD]: Jetzt weiß ich endlich, was Herrn Wulff bewogen hat!)

In den letzten 103 Jahren sind viele Reformversuche gescheitert. Sowohl in der demokratischen als auch in der undemokratischen Zeit unseres Landes hat es Versuche gegeben, Reformen der Rechtschreibung voranzutreiben. Erst 1996 hat es im Juli eine Einigung gegeben, die 1998 in Kraft getreten ist. Der Dudenverlag hat zwischenzeitlich viele eigene Projekte oder Versuche gestartet, manche musste er auch zurücknehmen. Es ist gut, dass wir in Zukunft mit einem Rat für deutsche Rechtschreibung, mit dem Institut für Deutsche Sprache und der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung verschiedene Fachgremien haben, die die Reform der Rechtschreibung immer begleiten werden.

Meine Damen und Herren, jeder wird in Zukunft schreiben können, wie er will, jeder Abgeordnete in diesem Hause auch. Die Drucksachen der Bürgerschaft werden dann allerdings gegebenenfalls in leicht veränderter offizieller Rechtschreibung gedruckt werden. Ich glaube aber, dass die klare Aussage wichtig ist, dass es hier um die offizielle Orthographie eines Landes geht. Diese entwickelt sich weiter, diese entwickelt sich auch nach dem Sprachgebrauch weiter. Ich glaube, niemand ist so vermessen zu sagen, diese Sprache kann politisch oder administrativ durch irgendeine Verwaltung beeinflusst werden, es ist aber wichtig, dass wir das Signal geben, dass die Weiterentwicklung der deutschen Sprache in geregelten Bahnen erfolgt. Darum wollen wir dies fortsetzen und nicht zurücknehmen. ­

Ich danke für Ihre Aufmerksamkeit!

(Beifall bei der CDU) Präsident Weber: Als nächste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Hövelmann.

Abg. Frau Hövelmann (SPD): Herr Präsident, meine Damen und Herren! Nun habe ich in dieser Debatte doch noch etwas gelernt. Das mit dem Sommerloch, Kollege Wedler, das war mir bekannt, das fiel auch eigentlich gleich auf. Es war ja vorher auch schon spannend, wer denn hier die Hoheit über das Sommerloch haben würde. Dass aber Herr Ministerpräsident Wulff Kaiser werden will, das hat sich eben erschlossen, als Herr Rohmeyer seinen historischen Abriss gegeben hat.

Ernsthaft, ganz kurz aus der Sicht der SPD-Fraktion: Zu einer guten Demokratie gehört natürlich Verlässlichkeit. Wir können nicht alle drei Tage die Pferde wechseln. Das, was Herr Wulff dort gemacht hat, finde ich verantwortungslos, eigentlich auch ziellos und chaotisch, teuer und willkürlich. Die Gründe haben meine Kolleginnen und Kollegen hier vorher genannt.

Profilierung hat ganz offensichtlich ihren Preis, und Juristen sagen in so einem Fall, das ist ein Vertrag zu Lasten Dritter, denn die Zeche sollen offensichtlich die Hunderttausende Kinder zahlen, die schon nach der neuen Rechtschreibung gelernt ha ben. Das allerdings wird nicht klappen, und ich freue mich natürlich sehr, dass der Landtag hier so einmütig und auch die Ministerpräsidenten und die deutsche Öffentlichkeit so verantwortungsbewusst handeln. Wir können beruhigt davon ausgehen, dass die Rechtschreibreform nicht zu einer Rechthabereireformruine verkommt. ­ In diesem Sinne danke ich Ihnen! Präsident Weber: Als nächster Redner hat das Wort Herr Senator Lemke.

Senator Lemke: Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Aufgrund der Tatsache, dass keiner der Debattenredner hier etwas gesagt hat, das mich nun auffordert, das alles noch einmal zu wiederholen, kann ich mich sehr kurz fassen.

Wenn Bundeselternrat, Bundesschülerkonferenz, Lehrerverbände im DGB und im Deutschen Beamtenbund, Schulbuchverlage, das Präsidium der KMK sich im Interesse der vielen Millionen Schülerinnen und Schüler einig sind, die sich auf einen Weg gemacht haben, der nicht von Bildungspolitikern angeschoben worden ist, sondern von Wissenschaftlern, die gesagt haben, wenn man eine gewisse Zeit, mehrere Jahrzehnte an einer Sprache keine Korrekturen vorgenommen hat, sofern diese Korrekturen sinnvoll und notwendig erscheinen, dann denke ich, dass es damals, 1998, richtig war, diese Reform umzusetzen.

Ich habe überhaupt kein Verständnis für die im Sommerloch losgetretene Debatte. Es sind Fragen gestellt worden, warum das so passiert ist, das ist ja politisch durchaus nachvollziehbar, aber es soll uns nicht beeinflussen in unserer Position zu der Reform.

Für mich ist allein wichtig, wie die Resonanz aus den Schulen ist. Die Schülerinnen und Schüler, die auch dieser Debatte folgen, werden sagen, wir haben eigentlich keine Probleme mit der Umsetzung dieser Reform, weil sie die Rechtschreibung vereinfacht und nicht erschwert hat.

(Beifall beim Bündnis 90/Die Grünen)

Das ist der entscheidende Punkt für diejenigen, die das lernen und damit umgehen.

Deshalb, meine Damen und Herren, nachdem ich hier im Hause keinen Widerspruch bei den verschiedenen Debattenrednern gehört habe, möchte ich noch einmal das zitieren, was Herr Wedler, glaube ich, anfangs auch gesagt hat. Das konnte man vor wenigen Wochen in der internationalen Zeitschrift The Economist wunderbar nachlesen. Hier hat derjenige, der das geschrieben hat, in einem Kommentar gefragt: Ja, spinnen die Deutschen eigentlich? Haben sie keine anderen Sorgen, als nach sechs Jahren erfolgreicher Einführung einer Reform diese

27. Sitzung am 7. 10. 04 1571 wieder in Frage zu stellen und damit ein Chaos an den Schulen zu produzieren?

Ich kann diesem Mann nur zustimmen. Wir haben andere Probleme, wir haben im Kampf um mehr Arbeitsplätze und ich im Kampf um besseren Unterricht wahrlich wichtigere Fragen, und auf die gilt es sich zu konzentrieren und nicht auf so eine lächerliche Sommerlochdebatte! ­ Danke sehr! Präsident Weber: Liebe Kolleginnen und Kollegen, weitere Wortmeldungen liegen nicht vor.

Die Beratung ist geschlossen.

Wir kommen zur Abstimmung.

Als Erstes lasse ich über den Antrag des Abgeordneten Wedler, FDP, abstimmen.

Wer dem Antrag des Abgeordneten Wedler mit der Drucksachen-Nummer 16/374 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

(Dafür Bündnis 90/Die Grünen und Abg. Wedler [FDP])

Ich bitte um die Gegenprobe!

(Dagegen SPD und CDU) Stimmenthaltungen?

(Abg. Tittmann [DVU])

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) lehnt den

Antrag ab.

Ich lasse jetzt über den Antrag der CDU und der SPD abstimmen.

Wer dem Antrag der CDU und der SPD mit der Drucksachen-Nummer 16/386 seine Zustimmung geben möchte, den bitte ich um das Handzeichen!

Ich bitte um die Gegenprobe!

Stimmenthaltungen?

Ich stelle fest, die Bürgerschaft (Landtag) stimmt dem Antrag zu.

(Einstimmig) Schutz von Jugendlichen vor Verlockung zu Alkoholkonsum durch Alkopops

Antrag der Fraktionen der CDU und der SPD vom 15. Juli 2004

Dazu als Vertreter des Senats Herr Staatsrat Dr. Knigge.

Meine Damen und Herren, die Beratung ist eröffnet.

Als erste Rednerin hat das Wort die Abgeordnete Frau Dr. Mohr-Lüllmann.

Abg. Frau Dr. Mohr-Lüllmann (CDU): Sehr verehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren, liebe junge Gäste! Die Hochkonjunktur der Alkopops macht nicht nur den Eltern von Jugendlichen Sorgen, sondern auch den Politikern. Was sind Alkopops? Ich glaube, ich brauche das nicht mehr ganz ausführlich zu erwähnen. Jeder kennt sie. Es sind wohlschmeckende alkoholische Mixgetränke, gesüßt, bunt und mit einem Alkoholgehalt von fünf bis sechs Prozent. Ich möchte aber gleich zu Anfang deutlich machen, dass es sehr wohl drei verschiedene Gruppen von alkoholischen Mixgetränken dieser Art gibt, und zwar einmal die Limonadengetränke mit Spirituosen, das heißt, bei dieser Gruppe stammt der Alkohol aus Branntwein. Dann gibt es die Biergetränke mit süßen Fruchtauszügen oder Aromastoffen. Hier ist Bier die alkoholische Grundlage.

Dann gibt es noch die Weinschorlegetränke mit Limonaden, natürlich mit Wein als alkoholischer Grundlage. Alle gemeinsam schmecken süß, fruchtig und frisch, sie trinken sich wie Limonade, und vor allen Dingen sind sie hip und in, und alle haben einen Alkoholgehalt von fünf bis sechs Prozent.

Seit 1998 sind die Alkopops auf dem Markt, und ihr Marktanteil ist rasant nach oben geschnellt. Bei den Elf- bis Fünfzehnjährigen nehmen sie auf der Beliebtheitsskala den Platz zwei ein. Studien im Auftrag der WHO, der Weltgesundheitsorganisation, belegen einen enormen Anstieg des Alkoholkonsums bei Jungen und Mädchen. Krankenhäuser beklagen deutlich mehr volltrunkene Jugendliche. In den letzten drei Jahren haben sich die Krankenhauskontakte für dieses Indikationsgebiet vervierfacht. Die WHOStudie stützt im Übrigen den Gedanken, dass durch die Süßgetränke die Jugendlichen schneller an die Alkoholdroge herangeführt werden und das so genannte Kampf- und Komasaufen dadurch noch gefördert wurde.

Alkohol ist für Kinder und Jugendliche schädlich.

Alkohol ist ein Zellgift, und vor allen Dingen hat der kindliche Körper noch nicht ausreichend Enzyme entwickelt, die zum Abbau von Alkohol notwendig wären. Es besteht damit eine erhöhte Gefahr, eine Alkoholvergiftung zu bekommen. Darüber hinaus führt das frühe Einstiegsalter im Übrigen zu besonders gravierenden Folgeschäden und macht eine Entwöhnung sehr viel schwieriger.

Verkauft werden dürfen Alkopops nach Jugendschutzgesetz erst an Jugendliche ab 18 Jahren, womit wir beim ersten brisanten Punkt wären, denn nur die branntweinhaltigen Mixgetränke dürfen nur an über Achtzehnjährige abgegeben werden.