Tarifverträge

NVP Organisation und Eckpunkte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ­ Abt. VII Seite 8

3. Beauftragung der BVG

Der Senat hat in seiner Sitzung am 21. Juni 2005 die Eckpunkte einer Einigung über den Tarifvertrag und die Anwendungsvereinbarung BVG AöR sowie eine Eigentümererklärung des Landes Berlin zur Kenntnis genommen. Darin garantiert das Land Berlin den Fortbestand der BVG als integriertes und im öffentlichen Eigentum stehendes Nahverkehrsunternehmen bis zum 31. 8. 2020. Ein weiterer Eckpunkt ist: Die BVG wird bis zum 31. 8. 2020 durch das Land Berlin mit 100 % des jeweiligen Leistungsumfangs beauftragt, wobei zukünftige Leistungsoptimierungen möglich sind.

Vor dem Hintergrund des geltenden EU-Rechts (EuGH Urteil mit „vier Kriterien") und unter Berücksichtigung des aktuellen Verordnungsvorschlags vom 20.07.2005 muss diese Erklärung des Landes Berlin als Eigentümer der BVG AöR durch vertragliche Vereinbarungen mit der BVG über den Umfang und die Qualität der künftigen ÖPNVLeistungen ergänzt und ausgefüllt werden. Die künftige Verkehrsleistung ist danach im Einklang mit den geltenden wie zukünftigen Vorgaben des EG-Rechts mit einem Verkehrsvertrag im Wege der Direktbeauftragung bei der BVG zu bestellen.

Dieser Verkehrsvertrag muss -- ähnlich wie beim S-Bahn-Vertrag -- folgende Inhalte regeln:

· Umfang und Qualität der Verkehrsleistung auf der Grundlage des Nahverkehrsplanes,

· Anpassungsregeln bei Leistungsoptimierung,

· Parameter für die Bemessung der Höhe des Entgelts in Abhängigkeit von der jeweiligen beauftragten Jahresfahrleistung und Preisanpassungsmechanismen,

· finanzielle Anreize zur Sicherstellung der geforderten Qualität (Malus-Regelung),

· Vorgaben zur Linien-, Leistungs- und Erfolgsrechnung,

· Kriterien zur Erhaltung, Erneuerung und Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur.

Dieser Vertrag soll somit alle Aspekte umfassen, die mit der Definition und Finanzierung des eigentlichen Verkehrsangebots zusammenhängen. Die Finanzierung von nicht-verkehrlichen Aufwendungen der BVG ­ wie bspw. den Aufwendungen nach der Ruhegeldsatzung und aus bestehenden Verpflichtungen aufgrund der Mitgliedschaft in der VBL - sollen hingegen nicht Gegenstand des Vertrages sein.

Das finanzielle Volumen des Verkehrsvertrages lässt sich an Hand der bisher im Rahmen des Unternehmensvertrages geleisteten Zahlungen wie folgt abschätzen:

· Die Aufwendungen für „Erhaltung, Erneuerung und Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur" mit bisher ca. 175 Mio. müssen auch ab 2008 voraussichtlich in ähnlicher Größenordnung finanziert werden. Die Höhe der konkreten Finanzierungssumme wird sich an der Kostenentwicklung orientieren und ist im Rahmen der Verhandlungen zum Verkehrsvertrag festzulegen.

· Für Leistungen im Ausbildungsverkehr und für Schwerbehindertenfreifahrten werden weiterhin ca. 90 Mio. /Jahr erforderlich sein.

· Die Höhe der ergänzend erforderlichen Aufwendungen für die Bestellung von Verkehrsleistungen werden - auch in Abhängigkeit vom Umfang, der Qualität und der NVP Organisation und Eckpunkte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ­ Abt. VII Seite 9 voraussichtlichen Entwicklung der ÖPNV-Tarife - im Rahmen der Vertragsverhandlungen mit der BVG in 2007 festgelegt, da erst dann die erforderlichen aktuellen Kostenvergleichswerte sowie die Ergebnisse des Sanierungsprozesses und damit die maßgeblichen Ist- und Sollkostenstrukturen absehbar sind. In 2004 lagen diese Aufwendungen bei der BVG unter Einbeziehung der bisherigen jährlichen Deckungslücke (Schulden/Eigenkapitalverzehr) bei ca. 265 Mio..

In der mittelfristigen Finanzplanung 2005 bis 2009 (Senatsvorlage vom 9. August 2005) sind im Etat von SenWiArbFrau (Seite 84 des Berichtes zur Finanzplanung) die Leistungen an die BVG aufgeführt: Der Betrag sinkt nach 2007 auf 250 Mio. ab. Mit dieser Summe sollen sowohl die bestehenden Verpflichtungen zum Ausgleich für Ruhegeldzahlungen und VBL, die Infrastrukturerstattungen als auch die Ausgleichszahlungen für zu bestellende Verkehrsleistungen abgedeckt werden.

Diesem Ansatz von 250 Mio. Euro liegt die Annahme zu Grunde, dass über die Umsetzung des neuen Tarifvertrages, sinkende VBL- und Ruhestandsverpflichtungen sowie reduzierte Aufwendungen für die Verkehrsinfrastruktur finanzielle Mittel für die Bestellung von Verkehrsleistungen verbleiben. Sollte das Ergebnis der Verhandlungen über einen Verkehrsvertrag zur Folge haben, dass diese Mittel nicht ausreichen, um die im öffentlichen Interesse erforderlichen Leistungen zu finanzieren, muss die Finanzplanung an das Ergebnis der Vertragsverhandlungen angepasst werden.

4. Fachliche Unterstützung des Aufgabenträgers

Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ist der verantwortliche Aufgabenträger für den Berliner ÖPNV. Umfang und Komplexität der Aufgaben des Aufgabenträgers erfordern dauerhaft leistungsfähige Strukturen, um den Berliner Nahverkehr effizient zu gestalten und angesichts knapper Haushaltsmittel auf angemessene Weise die öffentlichen Verkehrsinteressen durchsetzen zu können:

· Im Hinblick auf die grenzüberschreitenden Verkehre im SPNV und das Controlling der SPNV-Verträge wird der Aufgabenträger durch die Verkehrsverbund Berlin Brandenburg GmbH unterstützt, an der das Land Berlin mit 33,3% beteiligt ist.

· Im Hinblick auf die lokalen Berliner Verkehre (Bus, Tram, U-Bahn) wird der Aufgabenträger seit dem Jahr 2004 durch einen Projektkoordinator unterstützt, dessen Vertrag auf drei Jahre ­ mit der Option einer Verlängerung ­ angelegt ist. Diese Kooperation mit externen Experten war bewusst nur für einen begrenzten Zeitraum bis zur vollen Wahrnehmung der Aufgabenträgerfunktion auch gegenüber der BVG vorgesehen. Diese externe Lösung ermöglicht es, die neuen Kompetenzen schrittweise aufzubauen ohne in dieser Übergangsphase bereits dauerhafte Organisationsstrukturen schaffen zu müssen.

Ab 2008 kommt es mit dem Auslaufen des bisherigen Unternehmensvertrages zu einer veränderten Aufgabenteilung zwischen Verkehrsunternehmen und Aufgabenträger. Entsprechend den oben dargestellten rechtlichen Rahmenbedingungen obliegt es dem Aufgabenträger, zu definieren, welches Leistungsangebot von den Verkehrsunternehmen im öffentlichen Interesse zu erbringen ist. Nur so kann die Umsetzung der im NVP gesetzten Standards gewährleistet werden.

Eine Definition des Angebots allein durch die BVG, wie es bisher geschieht, wäre künftig nur dann plausibel, wenn die Ziele des Unternehmens mit den öffentlichen Interessen des Aufgabenträgers und den Interessen der Nutzerinnen und der Nutzer stets identisch wären. Das kann nicht immer der Fall sein, denn die BVG ist als AöR gemäß NVP Organisation und Eckpunkte Senatsverwaltung für Stadtentwicklung ­ Abt. VII Seite 10

Berliner Betriebegesetz gehalten, vorrangig auf die Wirtschaftlichkeit zu achten. Die künftige transparente Zuordnung von Aufgaben und Ausgleichszahlungen sichert daher nicht nur die öffentlichen Verkehrsinteressen, sondern bringt auch Vorteile für das Unternehmen. Denn die Erfüllung verkehrspolitischer Vorgaben im Interesse der Fahrgäste wird zukünftig wie bei den S-Bahn-Verkehren mit einer konkreten finanziellen Gegenleistung entlohnt. Die im öffentlichen Interesse erbrachten Verkehrsleistungen bedrohen damit nicht mehr die Wirtschaftlichkeit, sondern werden zur lohnenden Tätigkeit.

Der Aufgabenträger wird somit künftig Aufgaben übernehmen, die bisher entweder in der erforderlichen Form nicht wahrgenommen werden (z.B. unternehmensübergreifende Entwicklung des ÖPNV, Abstimmung mit StEP Verkehr) oder von der BVG intern erfüllt werden. Das betrifft hauptsächlich die Rahmenvorgaben für die Netzgestaltung und für den Fahrplan sowie die Markt- und Verkehrsforschung (z. B. Kundenbefragungen, Zählungen, Marktpotenzialanalysen). Die konkrete Fahrplanplanung verbleibt bei der BVG. Die Einzelheiten der Aufgabenteilung zwischen BVG und Aufgabenträger werden im Rahmen der Vertragsverhandlung zu klären sein.

Aufgrund des ab 2008 vorgesehenen Vertragsverhältnisses im ÖPNV ­ zusätzlich zu den bestehenden Verträgen im SPNV (S- und Regionalbahn) ­ kann der Aufgabenträger in Berlin erstmals eine verkehrsträgerübergreifende und kontinuierliche Rahmenplanung und Abstimmung der Verkehrsangebote im Bus-, U-Bahn-, Straßenbahn- und S-Bahn- und Regionalbahnverkehr vornehmen.

Hinzu kommen die Aufgaben des Managements des Vertrages mit der BVG zur Erfüllung der beauftragten „gemeinwirtschaftlichen Verpflichtungen" einschließlich der Vorgaben zur Erhaltung, Erneuerung und Weiterentwicklung der Verkehrsinfrastruktur sowie der Qualität. Mit Inkrafttreten des künftigen Vertrages ist darüber hinaus der Aufbau eines unternehmensübergreifenden Qualitätssteuerungssystems für den gesamten Berliner ÖPNV geplant, in das die die Ergebnisse des VBBQualitätscontrollings für den S-Bahn-Vertrag mit einbezogen werden.

Im Sinne der Konzentration der Aufgaben- und Ausgabenverantwortung sollte der Aufgabenträger die Betreuung und Abrechnung auch der Ausgleichsleistungen für den Ausbildungsverkehr und für Schwerbehindertenfreifahrten von der Senatsverwaltung für Wirtschaft, Arbeit und Frauen übernehmen.

Zur Wahrnehmung der oben aufgeführten Aufgaben sowie zur effizienten Steuerung der Gesamtheit der finanziellen Mittel für den ÖPNV einschließlich SPNV von ca. 900 Mio. Euro pro Jahr ist es allerdings unabdingbar, dass der Aufgabenträger kontinuierlich fachlich unterstützt wird. Hierzu soll eine neue, schlanke Organisationseinheit gegründet werden, die vom Aufgabenträger gesteuert und kontrolliert wird. Dabei gilt es, klare Schnittstellen zu den Tätigkeitsbereichen der Verkehrsunternehmen und des VBB zu definieren, um Doppelarbeit zu vermeiden und das spezifische Know-how der unterschiedlichen Akteure optimal zu nutzen. Im Einzelnen wird diese neue Organisation hauptsächlich folgende Aufgaben wahrnehmen:

· Rahmenvorgaben für die Netzgestaltung und den Rahmenfahrplan für alle Verkehrsunternehmen einschließlich der Anschlussbeziehungen,

· Unternehmensübergreifende, fortlaufende Netzoptimierung im Bus-, U-Bahn-, Straßenbahn- und S-Bahnbereich,

· Entwicklung neuer Angebote (Kiezbusse, flexible Bedienung, Nachtverkehr usw.),