Kreditnehmer

Abschlussbericht IV. Grundstücksüberlassung im Wege der Erbpacht

5. Vertragsänderungen

Nach Abschluss des Erbbaurechtsvertrages am 25. November 1999 machten vor allem Veränderungen der Finanzierungskonzeption aber auch gesetzliche Änderungen des Erbbaurechts insgesamt drei nachträgliche Vertragsänderungen erforderlich, die, dem Formerfordernis des § 21 Abs. 1 des Erbbaurechtsvertrages entsprechend, jeweils durch notarielle Änderungsurkunden beurkundet wurden.

a) Erste Vertragsänderung, 16. Mai 2000

Die Umstellung des Finanzierungskonzeptes der Stiftung Neues Tempodrom, die bisher vorgesehen hatte, den Neubau ausschließlich aus Eigenmitteln zu errichten, später aber feststellte, dass ein Verzicht auf eine bankenmäßige Finanzierung nicht darstellbar war, brachte es mit sich, dass der Erbbauvertrag bereits im Verlauf der Finanzierungsverhandlungen geändert werden musste.

Hintergrund dieser ersten Änderung war, dass die Landesbank Berlin ­ Girozentrale ­ (LBB) zwar bereit war, der Stiftung Neues Tempodrom ein Darlehen einzuräumen. Zur Besicherung des Darlehens sollte jedoch eine Landesbürgschaft in Form einer Ausfallbürgschaft über 80% des besicherten Darlehenswertes übernommen werden. Nach Ziff. 5 der Landesbürgschaftsrichtlinien (LaBürgR)417 konnten indes nur „Berliner Betriebe" gefördert werden. „Das sind gewerbliche und landwirtschaftliche Betriebe sowie Angehörige freier Berufe, die ihren Sitz im Europäischen Wirtschaftsraum haben, soweit sie in Berlin eine Betriebsstätte im Sinne von § 12 der Abgabenordnung unterhalten."

Die eine Gemeinnützigkeit begrifflich ausschließende Gewerbsmäßigkeit der vom Antragsteller ausgeübten Tätigkeit war mithin eine Grundvoraussetzung der Bürgschaftsvergabe.

Um die Landesbürgschaft und damit die von der LBB wohl geforderte Besicherung des Darlehens zu erlangen, war es erforderlich, die Gemeinnützigkeit der Stiftung Neues Tempodrom aufzuheben.

Dies hätte nach § 7 Abs. 1 UAbs. 3 Erbbaurechtsvertrag zur Anhebung des Erbbauzinssatzes von 3% auf 6,5% und damit zu einer finanziellen Mehrbelastung geführt, die die Stiftung ausweislich eines Gesprächsvermerks nicht leisten konnte.

Zeuge Hellmann: [...] Und da kamen der Bezirk und das Tempodrom in das Problem, dass wir ja durch Wegfall der Gemeinnützigkeit auf 6,5 % Erbbauzinsen kommen müssten. Das hat dann große Hektik und Tätigkeit zwischen den Beteiligten entfaltet: zwischen dem Finanzsenator und dem Tempodrom und dem Bezirk. [...]421

Grundsätzliche Widerstände gegen die erforderliche Vertragsänderung sind aus den Akten nicht ersichtlich. Offenbar hatte man dieses Problem bei den vorherigen Vertragsverhandlungen tatsächlich übersehen, wie der damalige Leiter des Rechtsamtes der Senatsfinanzverwaltung mitteilte: „Alle Beteiligten waren ursprünglich davon ausgegangen, dass die Gemeinnützigkeit einer Kreditgewährung oder Landesbürgschaft nicht im Wege stehen würde. Wenn diese Umstände vorher bekannt gewesen wären, wäre der Erbbaurechtsvertrag von vornherein in der jetzt zur Änderung vorgeschlagenen Form vereinbart worden."

Richtlinien für die Übernahme von Bürgschaften zur Förderung der Berliner Wirtschaft (Landesbürgschaftsrichtlinien) vom 3.12.1999, in Kraft seit 1.1.2000 (Ziff. 13.2), ABl. Nr. 7, 11.2.2000, S. 451 ff.

Auszug der Vorschrift Ziff. 5.1 „Antragsteller (Kreditnehmer)" der LaBürgR.

Näher zur Abhängigkeit von Darlehensvergabe und Besicherung, siehe unten, S. 237 ff.

Vermerk, Gespräch 27.4.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 827; vgl. Befassung des Bezirksamts in der BASitzung vom 18.4.2000, BA-FK, BA-Prot.

Wortprotkoll, 18.Sitzung, 8.4.2005, S. 17.

Schreiben am SenFin vom 3.5.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 839.

B. Standortverlegung Abschlussbericht Ersichtlich ging es allen Beteiligten bei der nun erforderlichen Vertragsänderung darum, einer Drittmittelfinanzierung des finanziell gefährdeten Tempodroms nicht im Wege zu stehen. Die Gemeinnützigkeit war in die Stiftungssatzung unter anderem eingefügt worden, um die Nutzung der als „Gemeinbedarfsfläche" auszuweisenden Fläche des Bebauungsplanes zu ermöglichen und gleichzeitig den ermäßigten Erbbauzinssatz zu legitimieren. Mit diesen Maßnahmen hatte man die Ansiedlung des Tempodroms in Kreuzberg ermöglichen wollen und gerade nicht vorhergesehen, damit ein Hindernis für die Finanzierung zu errichten.

Die Anforderungen an die erforderliche Vertragsänderung waren damit klar: Unter Erhaltung des bebauungsplanadäquaten Nutzungsprofils der Stiftung, das gleichzeitig weiterhin den „kulturfreundlichen" Erbbauzins rechtfertigen musste, war der Stiftung gleichwohl eine sie als „Berliner Betrieb" im Sinne der LaBürgR qualifizierende Gewerbsmäßigkeit zuzugestehen. Die Streichung der Gemeinnützigkeit aus der Satzung war zu diesem Zweck unumgänglich. „Die Gemeinnützigkeit wird aufgehoben, Erbbauzins bleibt bei 3%, so lange die wirtschaftFederführend war nach Aussage des Zeugen Stefke bei der erforderlich werdenden Vertragsänderung das Rechtsamt, da im zuständigen Grundstücksamt kein Jurist beschäftigt gewesen sei.

Das Rechtsamt des Kreuzberger Bezirksamtes entwarf daher eine als „als-ob-Lösung" oder „fiktive Gemeinnützigkeit" bezeichnete Konstruktion: lichen Voraussetzungen so sind, als ob die Gemeinnützigkeit noch gegeben wäre. Sind die wirtschaftlichen Gegebenheiten so, dass keine Gemeinnützigkeit mehr zu gewähren wäre, ist der volle Erbbauzins zu zahlen. Der Nachweis dieser wirtschaftlichen Lage ist jährlich durch einen unabhängigen Sachverständigen zu erbringen."

Zwar blieb die Frage nach dem praktischen Vollzug dieser Neuregelung unbeantwortet: Gemeinsam mit Vertretern der Senatsverwaltung für Finanzen, der beteiligten Ämter des Bezirksamts sowie der Stiftung Neues Tempodrom fand am 27. April 2000 eine Besprechung bei der Senatsverwaltung für Finanzen statt, in deren Verlauf der vorgeschlagene Weg näher erörtert und im Nachgang im schriftlichen Wege eine Vertragsänderung vorbereitet wurde.

Eine entsprechende Regelung wurde als § 4 Abs. 1a in den Erbbaurechtsvertrag eingefügt. Demnach durften die erzielten Erträge nicht höher sein als bei einer Gemeinnützigkeit, ein Umstand der jährlich auf Kosten der Stiftung nachzuweisen war. Gleichzeitig wurde festgelegt, dass der Stiftungszweck und die Stiftungssatzung ­ nach Streichung der Gemeinnützigkeit ­ Bestandteil des Vertrages bleiben, und die Änderungsurkunde hebt hervor, dass die Förderungswürdigkeit „insbesondere auf der kulturellen Vielfalt entsprechend dem bisherigen Veranstaltungsprogramm des Tempodroms beruht. Beide gehen davon aus, dass diese Vielfalt solange gewährleistet ist, wie keine langfristigen kommerziellen Veranstaltungen stattfinden."

Nach dem Beschluss des Änderungsentwurfs durch das Bezirksamt426 und Erteilung der nach §§ 58, 63 LHO erforderlichen Zustimmung der Senatsverwaltung für Finanzen wurde die Vertragsänderung unter dem 16. Mai 2000 notariell beurkundet.

Wortprotkoll, 18.Sitzung, 8.4.2005, S. 4.

Vermerk, Gespräch 27.4.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 827; Schreiben, RA 1 an SenFin, 28.4.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 833.

BA-FK, Grund VI, Bl. 831.

BA-Vorlage Nr. 34/2000, BA-Sitzung, 2.5.2000, BA-FK, BA-Prot.

Erteilt am 10.5.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 850.

Notar Norbert Mauer, Berlin, Urkundenrolle Nr. 91/2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 868 ff.

Abschlussbericht IV. Grundstücksüberlassung im Wege der Erbpacht Frau Abg. Oesterheld (Grüne): [...] Der Wegfall der Gemeinnützigkeit und trotzdem der günstige Zins ­ da steht ein Passus, dass das aber nur so lange gewährt wird, solange sich die Tempodromstiftung gemeinnützig verhält. Wer sollte das eigentlich kontrollieren?

Zeuge Dr. Schulz: Nach dem Vertragsänderungsentwurf hätte eine Berichterstattung an das Bezirksamt gemacht werden müssen.

Frau Abg. Oesterheld (Grüne): Gab es die?

Frau Abg. Oesterheld fragte daher den Zeugen Postler, ob er überprüft habe, ob sich das Tempodrom verhalten habe, als sei es gemeinnützig. „Ja, auch dieser Punkt ist schwierig, weil der Stiftungszweck, dem ja die Stiftung nach wie vor unterworfen war, Bestandteil des Erbbaurechtsvertrages wurde. Also, solange die Stiftung diesen Zweck auch von der Stiftungsaufsicht her erfüllt, muss man eigentlich davon ausgehen können, dass dieser Zweck erfüllt wird. Für die Stiftungsaufsicht sind wir in dem Sinne nicht zuständig. Es gab da noch eine Formulierung, die so ungefähr sagte: „... wenn nicht dauerhaft regelmäßig kommerzielle Veranstaltungen aufgeführt werden." Schauen Sie, allein diese Formulierung ­ das war für uns auch der Grund, so ein Konstrukt auf keinen Fall weiterzuführen ­ ist so eine weiche Formulierung, die man von ganz unterschiedlichen Seiten her betrachten kann. Man könnte vielleicht darunter verstehen, dass man wie in Hamburg Musicals meint, die wirklich erheblichen Gewinn abwerfen und über Jahre etabliert werden.

So etwas könnte man vielleicht darunter verstehen ­ das ist ja nicht erfolgt. Aber ich will gern zusammenfassen, dass auch ich finde, dass die Kontrolle über diesen Weg mir kaum möglich erscheint. Das war für uns der Grund, das auch für die nächsten Vertragsabschlüsse auf keinen Fall zu genehmigen."

Zeuge Dr. Schulz: Das kann ich Ihnen nicht sagen, weil das in die Zuständigkeit des Dezernenten fällt, der für das Grundstücksamt zuständig ist, also Herr Postler.

Zeuge Postler: Ich will Ihre Frage einmal wie folgt beantworten: Es gab ja diese merkwürdige Regelung, dass ab 10 Millionen Jahreserlös dann nachträglich diese 6,5 % hätten gezahlt werden müssen. Der Nachweis wäre das erste Mal im September 2002 erforderlich gewesen, und im August 2002 ist der Antrag auf Erlass gestellt worden. Also kam diese Regelung in dem Sinne nicht zustande. Sie wäre auch sehr kompliziert zu handhaben gewesen. Ich habe mir von dem Finanzserviceleiter sagen lassen, dass damals in der Erörterung im Bezirksamt gesagt worden sei, es sollten dazu noch spezielle Regelungen erlassen werden, begleitend zum Erbbaurechtsvertrag. Das ist nicht erfolgt. Das wäre aber in Gänze auch eine sehr schwierige Konstruktion. Man sollte sich schon entscheiden, ob man ganz klar sagt: Das ist gewerblich, oder das ist frei gemeinnützig, und solche Vermischungen mit einem nicht ganz klaren Nachvollzugsprocedere sind schwer zu handhaben. Aber als es daran gewesen wäre, hätte ich auch nicht richtig gewusst wie, denn wir waren ja an den Träger Stiftung gebunden. Über die anderen Konstrukte wissen Sie wahrscheinlich besser Bescheid als ich, wie sich das im Hause dargestellt hat. Wir haben solche Nachweise nicht erhalten.

Hinsichtlich der Kontrolle der Einhaltung des Stiftungszwecks, der auch nach den Vertragsänderungen unverändert Grundlage des Erbbaurechtsvertrags blieb, ergänzte Zeuge Postler:

Auch Zeuge Hellmann teilte dem Untersuchungsausschuss mit, dass das Tempodrom die Erfüllung der Nachweispflicht schuldig geblieben sei. Im Bezirksamt sei man daher zu der Überzeugung gelangt, künftig, im Falle eines Verkaufs, die Regelung der an den Nachweis der kulturellen Nutzung gekoppelten Gemeinnützigkeitsfiktion nicht aufrecht zu halten.

Wortprotokoll, 27. Sitzung, 17.6.2005, S. 78.

Wortprotokoll, 27. Sitzung, 17.6.2005, S. 79.

Wortprotokoll 18. Sitzung, 8.6.2005, S. 26.