Darlehen

B. Standortverlegung Abschlussbericht

Auch die hierzu gehörten Zeugen gaben alle an, von der Rechtmäßigkeit der gefundenen Konstruktion überzeugt gewesen zu sein.

Zeuge Hellmann: [...] Es war der Gedanke, nur weil die Landesbürgschaft nicht gegeben werden konnte, aus dem Grund der Begriff „Gemeinnützigkeit" gestrichen werden musste, obwohl sonst alles beim Alten bleiben sollte, dass dann diese ­ wenn alles bei der gleichen Nutzung bleiben würde ­ 3 % gerechtfertigt sind. Dazu ist auch noch eine Kontrollfunktion

Dies bestätigte auch der zuständige Baustadtrat Zeuge Postler: „Es gab [...] diese sehr schwierige und eigentlich kaum zu handhabende Regelung, die wir als Bezirksamt, als ich auch in der Verantwortung stand, ganz klar abgelehnt haben, als das Begehren an uns herangetragen worden ist, dass man mit einem Trägerwechsel und dem Verkauf des Erbbaurechtsvertrages ­ da gab es zwischenzeitlich solche Versuche, das Tempodrom über diesen Weg zu retten ­ und ganz klar gesagt haben, dass wir diese schwierige und kaum zu handhabende Konstruktion keinesfalls aufrechterhalten werden. Das war im Verkauf und der Zustimmung des Erbbaurechtsvertrages von unserem Bezirksamt ganz klar, dass die 6,5 % gefordert werden. Das habe ich auch ins Bezirksamt eingebracht, und dies haben wir ganz klar der Senatsverwaltung signalisiert. [...]"

Der juristische Kunstgriff, an die Stelle der Gemeinnützigkeit eine Gemeinnützigkeitsfiktion, also ein „als-ob-Verhalten" der Stiftung Neues Tempodrom zu setzen und die Einhaltung der Fiktion auf Kosten der Erbbauberechtigten nachweisen zu lassen, erwies sich mithin zumindest ohne flankierende Ausführungsbestimmungen als unpraktikabel. Die ursprüngliche Verknüpfung des ermäßigten Zinssatzes mit der Gemeinnützigkeit war da ungleich einfacher, löste das Problem der hinter der Stiftung stehenden erwerbsorientierten Betreibergesellschaften allerdings auch nicht. Die Gemeinnützigkeitsfiktion wird jedoch nicht als Umgehung eines Gemeinnützigkeitserfordernisses anzusehen sein, da es ein solches Erfordernis für einen Erbbauzins in Höhe von 3% nicht gab. Das oben im Zusammenhang mit dem ermäßigten Erbbauzins bereits erwähnte Rundschreiben des Senators für Finanzen,433 aus dem sich im hiesigen Zusammenhang lediglich die Notwendigkeit ergab, „Geschäftsbauten" von „kulturellen" Bauten abzugrenzen, sah die Gemeinnützigkeit der Erbbauberechtigten gar nicht vor. Wie der Nachweis, dass eine Nutzung kultureller und nicht geschäftlicher Art war, zu erbringen war, ließ das Rundschreiben offen. Die Ersetzung der Gemeinnützigkeit durch die dargestellte Vertragsänderung war vor dem Hintergrund des Rundschreibens daher rechtlich nicht zu beanstanden.

Zeuge Dr. Schulz: [...] Im Land Berlin existiert die Regelung, dass ein Erbbaupachtzins abgesenkt werden kann, wenn eine nicht gewinnorientierte Wirtschaftung vorliegt. Das wird regelmäßig angenommen, wenn die Gemeinnützigkeit vorliegt. In unserem Fall wurde dieses weiterhin nicht gewinnorientierte Wirtschaften mit einem vertraglichen Passus in den Erbbaupachtvertrag übernommen. Ob das dann auch einer haushaltsrechtlichen Zulässigkeit unterliegt und so auch vertreten werden kann, sollte gerade über den Vorbehalt, dass die Senatsfinanzverwaltung dem auch schriftlich zustimmen muss, abgesichert werden. [...]434

Zeuge Stefke: Also, ich habe die Richtlinie von der Senatsfinanzverwaltung [gemeint war das Rundschreiben] jetzt nicht mehr in Erinnerung. Wir sind damals fest davon ausgegangen, dass der ganz überwiegende Zweck der Nutzung ein kultureller ist. Das, was bis dato vom Tempodrom in Berlin bekannt war, war, dass es eine Kulturstätte ist. Ich habe hier noch ein paar ganz alte Zeitungsartikel gefunden, wo auch mal von der „größten Kulturstätte der Stadt" gesprochen wurde, die nach Kreuzberg umziehen sollte. Also, dass es eine überwiegend kommerzielle Nutzung geben würde, davon hatten wir keinen Anlass auszugehen.

Wortprotokoll, 27.Sitzung, 17.6.2005, S. 75.

Rundschreiben SenFin, 23.2.1979, F 5, Bl. 80.

Wortprotokoll, 26.Sitzung, 10.6.2005, S. 3.

Wortprotokoll, 18.Sitzung, 8.4.2005, S. 4.

Abschlussbericht IV. Grundstücksüberlassung im Wege der Erbpacht eingeführt worden. Wenn sich dann diese Nutzung tatsächlich aber anders verhalten würde, dann sind auch die 6,5 % zu zahlen. Also, im Prinzip war der Gedanke ­ im Bezirk und überall ­ noch der gleiche: Wenn die gleiche Nutzung stattfindet, dann ist das so zu rechtfertigen.

Um dieses Ergebnis zu vermeiden, ohne darauf angewiesen zu sein, dass die vorrangigen Gläubiger einem Ausbietungsabkommen und damit dem Anspruch auf Erbbauzinszahlung zustimmen, was sich wiederum nachteilig auf den zu erzielenden Versteigerungserlös auswirken würde, waren entsprechende Eintragungen im Erbbaugrundbuch erforderlich. Diese wurden durch die zweite Erbbauvertragsänderung vorbereitet.

Problematisch ist auch in diesem Zusammenhang vielmehr ­ wie oben bereits ausgeführt436

­ die Struktur aus der gemeinnützigen oder auch nur fingiert gemeinnützigen Stiftung Neues Tempodrom und den unzweifelhaft gewinnorientierten Betreibergesellschaften. Sollten diese als wahre Nutznießer des herabgesetzten Erbbauzinses anzusehen sein, bestände die tatsächliche Umgehung in der Vorschaltung der Stiftung mit kultureller Zwecksetzung. Die Tempodrom am Anhalter Bahnhof GmbH als Hauptpächterin des Veranstaltungsortes arbeitete unzweifelhaft gewinnorientiert. Ihr wäre der herabgesetzte Erbbauzins daher wohl nicht zugestanden worden.

b) Zweite Vertragsänderung: 7. November 2000

Der Inanspruchnahme eines zum großen Teil landesverbürgten LBB-Darlehens geschuldet war auch die zweite Änderung des Erbbauvertrages. Voraussetzung der Landesbürgschaft war unter anderem die Eintragung einer Grundschuld auf das Erbbaurecht in Höhe von 25 Mio. DM zuzüglich Nebenkosten.

Aufgrund des vom Land Berlin anderen Gläubigern eingeräumten Rangvortritts438 bestand die Gefahr, dass ein Ersteigerer in der Zwangsversteigerung das Gebäude nebst Erbbaurecht hätte ersteigern können, ohne zur (nachrangigen) Erbzinszahlung verpflichtet zu sein. Das Land Berlin drohte aufgrund der Nachrangigkeit des Erbbaurechts den Anspruch auf Erbbauzinsen zu verlieren.

So wurde zu § 4 Ziff. 4 der Vertrag dahingehend konkretisiert, dass die als Reallast des Grundstücks eingetragene Erbbaurealzinslast abweichend von § 52 Abs. 1 ZVG mit ihrem Hauptanspruch im Falle der Zwangsversteigerung bestehen bleibt. Die zweite Änderung betraf die Erbbauzinsregelung des § 4 Abs. 5 und 6 des Erbbauvertrages. Die dort vereinbarte „Gleitklausel" war nach Ansicht des Grundbuchamtes beim Amtsgericht Tempelhof-Kreuzberg als dinglicher Rechtsinhalt nicht eintragungsfähig, da der Zeitpunkt „Bezugsfertigkeit des Bauvorhabens" nicht ausreichend bestimmt sei.

Die Parteien vereinbarten daher das Datum „01.01.2008". Der weitere Vertragstext wurde diesen Änderungen angepasst.

Zeuge Hellmann hob die Regelung eines zwangsversteigerungssicheren Erbbauzinses als Novum ein seinem Bezirk hervor.

Zeuge Hellmann: [...] Das war früher im Land Berlin nicht der Fall. Wir hatten viele Fälle, wo das dann schiefgelaufen ist. Das ist durch Gerichtsentscheidungen auch später bestätigt worden, dass das so nicht sein darf, aber damals war das eben ­ ­, wäre es runtergefallen, und wir hatten es dann auch erstmal reingenommen. Ich weiß nicht, andere Bezirke hatten das sicher vielleicht schon vorher gemacht ­ oder der Finanzsenator. [...]441

Vgl. oben, S. 83.

Schreiben LBB vom 14.9.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 904.

§ 4 Ziff. 4 Abs. 4 Erbbaurechtsvertrag; vgl. Vermerk, 17.10.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 906.

Notar Norbert Mauer, Urkundenrolle Nr. 233/2000 vom 7.11.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 922.

Zwischenverfügung vom 17.8.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 888.

Wortprotokoll, 18. Sitzung, 8.4.2005, S.16.

B. Standortverlegung Abschlussbericht

c) Dritte Vertragsänderung: 21. März 2001

Eine dritte Vertragsänderung des Erbbauvertrages wurde erforderlich, um die in dem Vertrag enthaltene Regelung zu den Eintragungen ins Erbbaugrundbuch zu korrigieren. Ausweislich zweier Zwischenverfügungen des zuständigen Grundbuchamtes442 enthielt der Vertrag unter der maßgeblichen Regelung nicht ausschließlich eintragungsfähige dingliche Rechte, sondern auch schuldrechtliche Ansprüche. Die bereits am 7. November 2000 erfolgte Änderung des § 23 Ziff. 2 des Erbbaurechtsvertrages wurde daher entsprechend korrigiert und erneut notariell beurkundet, so dass das Erbbaurecht am 6. April 2001 schließlich eingetragen werden konnte.

Zeuge Dr. Schulz: [...] Das ist der erste Nachtrag zum Erbbaupachtvertrag im Jahr 2000. Sie erkennen an den Bezirksamtsprotokollen, dass von meiner Seite her mehrmals in der Bezirksamtssitzung dieses Thema angesprochen wurde, in welcher Form wir das bewältigen wollen. Der Anlass war, dass ich vom Tempodrom darauf angesprochen worden war, dass das angestrebt wird.

[...]

d) Aussagen des Zeugen Dr. Schulz

Ein wichtiger Zeuge für den Themenkomplex Erbbaurechtsvertrag und Vertragsänderungen war der in der 6. Sitzung des Untersuchungsausschusses am 16. August 2004 befragte Zeuge Dr. Schulz, in dessen Amtszeit als Bezirksbürgermeister von Kreuzberg sowohl der Vertragsabschluss als auch die Vertragsänderungen fielen.

In seiner Aussage belastete er den damaligen Baustadtrat Stefke, indem er behauptete, dieser habe wesentliche Vertragsänderungen eigenmächtig ohne Beteiligung des Bezirksamtes durchgeführt. Es habe insgesamt zwei Vertragsänderungen gegeben: zum einen das Streichen der Gemeinnützigkeit und zum anderen die Aufhebung der Regelung zur Gewinnbeteiligung des Bezirks.

Abg. Frau Kolat (SPD): [...] Und Sie haben auch gesagt, dass dieser vergünstigte Erbbauzins gekoppelt war an die Gemeinnützigkeit. Die Gemeinnützigkeit wurde später aufgehoben ­ das war die Voraussetzung für das LBB-Darlehen ­, und danach gab es eine Vertragsänderung, und der vergünstigte Zinssatz ist trotzdem geblieben. Können Sie erklären, wie Sie das im Bezirksamt damals behandelt haben?

Der zuständige Dezernent, Herr Stefke ­ auch das finden Sie in den Protokollen ­ hat bis in den Spätherbst 2000 immer wieder erwähnt, auf meine Fragen hin, dass man da im Gespräch ist und Vorbereitungen trifft. Zum 1.1.2001 gab es dann die Fusion. Das Grundstücksamt ist dann an einen ganz anderen Dezernenten gegangen, und erst durch den Zusammenhang mit der Tempodromuntersuchung hier ist dann klar geworden, dass die Mitarbeiter von Herrn Stefke aus dem Grundstücksamt schon im Frühjahr 2000 eine Vertragsänderung zum Erbbaupachtvertrag unterschrieben hatten im Zusammenhang mit dem Wegfall der Gemeinnützigkeit.

Es gab dann auch noch mal eine zweite Vertragsergänzung aus dem November 2000 ­ wenn ich richtig erinnere ­, die dem Bezirksamt und mir ebenfalls nicht bekannt war und die den Wegfall der Gewinnbeteiligung enthält. Insoweit ist das für mich wie für das heutige Bezirksamt irritierend. Wir wussten nicht, dass, während wir im Bezirksamt ­ von mir initiiert

­ nachfragten, wie die Bewältigung geschehen soll, im Grunde diese Vertragsänderung schon abgehandelt war.

Zwischenverfügung vom 17.8.2000, BA-FK, Grund IV, Bl. 888; Zwischenverfügung vom 14.3.2001, BAFK, Grund V, Bl. 948.

Notar Norbert Mauer, Urkundenrolle Nr. 47/2001 vom 21.3.2001, BA-FK, Grund V, Bl. 981.

Eintragungsbestätigung, BA-FK, Grund V, Bl. 994.

Wortprotokoll, 6.Sitzung des 2. UntA, 16.8.2004, S. 8.