Kredit
F. „Erste Rettungsaktion" Abschlussbericht Bürgschaftsgeber weiter und valutierte zudem den Kredit an die SNT zunächst ohne weitere Einschränkungen. Erst später stellte die LBB auf Anraten der PwC die Valutierung ein. Zu diesem Zeitpunkt war jedoch der Großteil des Kredits bereits ausgereicht. So gesehen war durch dieses Agieren der Landesbank und die zu späte "Krisenreaktion" eine Zwangssituation entstanden. Erst vor diesem Hintergrund dieser Entwicklungen wird die Notwendigkeit für eine externe „Rettung" verständlich.
Die drei Bausteine der Rettungsaktion, die Zuwendung der Senatsverwaltung für Kultur in Höhe von 1,78 Mio., ein Zuschuss der DKLB in Höhe von 2,05 Mio. und ein Sponsoring der IBB in Höhe von 3,05 Mio. wurden haushaltsrechtlich korrekt gehandhabt.
Die Senatsverwaltung für Stadtentwicklung hat als zuständige Verwaltung für den größten öffentlichen Finanzierungsbaustein, die Mittel des Umweltförderprogramms V, in dieser Situation einen Vorschlag für eine finanzielle Unterstützung erarbeitet, der eine dauerhafte Sanierung des Projekts ermöglichen sollte. Die Problemlage des Tempodroms wurde im Berliner Senat vom 28. August 2001 bis zur Verabschiedung des Rettungspakets am 9. Oktober 2001 ausführlich diskutiert.
Neben den Koalitionsparteien SPD und Bündnis 90/Die Grünen waren Politiker der CDU durch ihre Mitgliedschaft im Stiftungsrat der Deutschen Klassenlotterie Berlin an der Rettungsaktion beteiligt.
Die endgültige Entscheidung über eine Rettung des Projektes ist gründlich vorbereitet worden durch ein Gutachten der Kanzlei Gassner, Stockmann & Kollegen, in dem eine umfangreiche rechtliche Prüfung der vorliegenden Verträge und der geplanten Maßnahmen vorgenommen wurde. Unter Federführung von GSK wurden die Verträge der Pächter mit der SNT neu gefasst. Die im GSKGutachten skizzierten Maßnahmen wurden durch eine aktualisierte Ertrags- und Finanzplanung der Stiftung Neues Tempodrom betriebswirtschaftlich flankiert. Die LBB und die PwC prüften diese Planung und hielten sie für plausibel. Rückblickend muss gesagt werden, dass die Annahmen der neuen Ertrags- und Finanzplanung nicht belastbar waren und die unmittelbaren rechtlichen Maßnahmen wie vor allem die Anpassung der Pachtverträge sich als nicht nachhaltig erwiesen.
Schließlich ist als weiteres Resultat der „Ersten Rettungsaktion" festzuhalten, dass der IBB eingeräumt wurde, die Projektführerschaft für die Stiftung Neues Tempodrom zu übernehmen und die Sanierungsmaßnahmen umzusetzen. In diesem Sinne übernahm ein Verantwortlicher der IBB den Vorsitz im Stiftungsrat, in dem er von vier Vertretern der Senatsverwaltungen für Finanzen, Kultur, Stadtentwicklung und Wirtschaft unterstützt wurde. Der neue Stiftungsrat war angetreten, um einen personellen Wechsel des Stiftungsvorstandes zu vollziehen, die Pachtverträge zwischen Betreibern und Stiftung Neues Tempodrom zu überprüfen sowie die Stiftung zu sanieren. Vor diesem Hintergrund wird im Folgenden zu bewerten sein, wie die Situation für eine „Zweite Rettungsaktion" heranreifen konnte.
Abschlussbericht I. Die Tätigkeit des zweiten Stiftungsrats G. „Zweite Rettungsaktion"
Unter der sog. „2. Rettungsaktion" verstand der Untersuchungsausschuss den nochmaligen RettungsZuschuss aus Mitteln der öffentlichen Hand, dieses Mal in Höhe von 1 500 TEURO, die schließlich im Oktober und November 2002 ausgezahlt wurden.
1. Bauliche Fertigstellung Per 31. Dezember 2002 kamen die Steinbacher Treuhand und die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft Verhülsdonk & Partner in ihren vorläufigen Schlussrechnungen übereinstimmend zwar zu Gesamtkosten von rund 62 200 TDM.
Diese beinhalteten jedoch einige Positionen, wie etwa ein Schallsegel, das als „gesonderter Vorgang" in den übrigen Baukostenrechnungen soweit erkennbar nicht enthalten war, sowie Kosten für Rechtsberatung und andere Nebenleistungen. Zudem war auch diese Berechnung wie bereits die Prognose des Zeugen Lux nur vorläufig, da noch immer Risiken aus noch nicht beigelegten Streitigkeiten über einzelne Kostenpositionen bestanden.
I. Die Tätigkeit des zweiten Stiftungsrats
Der zweite Stiftungsrat hatte mit seinem Amtsantritt am 18. Oktober 2001 die Aufgabe der baulichen Fertigstellung und der wirtschaftlichen Sanierung der Stiftung Neues Tempodrom übernommen. Dabei waren die wesentlichen Maßnahmen durch das Gutachten der Kanzlei Gassner, Stockmann & Kollegen vorgezeichnet. Entsprechend der Forderungen der Investitionsbank Berlin hatte die IBB die Projektführerschaft übernommen. Der Bereichsleiter der IBB, Thomas Dankwart, amtierte bis zum 20. November 2002 als Vorsitzender des Stiftungsrates. Hierbei konnte er auf die betriebswirtschaftliche Kompetenz der IBB zurückgreifen.
Der Stiftungsrat nahm unverzüglich seine Arbeit auf und kümmerte sich intensiv, weit über das normale Maß eines beaufsichtigenden Organs in sechzehn Sitzungen (bis zum erneuten Wechsel des Ratsvorsitzes im November 2002) um die Belange der Stiftung. Das erste und vordringliche Ziel, die fristgerechte Fertigstellung zur Veranstaltung des Europäischen Filmpreises am 1. Dezember 2001, wurde erreicht. Dagegen wurde der Betrieb des Neuen Tempodroms in finanzieller Sicht nicht stabilisiert, was letztlich zur 2. Rettungsaktion führte.
Es blieben, soweit erkennbar, weitere signifikante Baukostensteigerungen aus. Der für das stiftungsseitige Baumanagement auf Vorschlag der IBB durch den neuen Stiftungsrat eingesetzte Zeuge Lux legte in seinem Schlussbericht vom August 2002 und auch vor dem Untersuchungsausschuss dar, den Baukostenrahmen von 60 000 TDM sogar um knapp 1 000 TDM unterschritten zu haben.
Gewisse Zweifel, denen der Untersuchungsausschuss allerdings nicht vertieft nachgehen konnte, bestehen an der Einhaltung des im Rahmen der 1. Rettungsaktion gesetzten Kostenrahmens vor allem auf Grund der Aussage des Zeugen Buchholz dennoch. Zeuge Buchholz, der als kaufmännischer Vorstand seine Arbeit in der Stiftung Neues Tempodrom erst im Juni 2002 aufnahm, berichtete dem Untersuchungsausschuss, im Herbst und Winter 2002 seien noch hohe Forderungen von am Bau beteiligten Unternehmen eingegangen, mit denen er nicht gerechnet habe. Zudem hätten die Firmen nach Abschluss der Arbeiten die Sicherheitseinbehalte gefordert. Diese Einbehalte der Stiftung Neues Tempodrom seien zuvor aber nicht etwa auf einem gesonderten Konto als Rückstellung gebucht worden, sondern unmittelbar in die Liquidität geflossen und zum Zeitpunkt der Anforderung durch die Baufirmen mithin nicht mehr verfügbar gewesen.
Offen bleiben musste vor dem Untersuchungsausschuss, ob die vom Zeugen Buchholz als unerwartet bezeichneten Forderungen von Bauunternehmen sowie die Sicherheitseinbehalte tatsächlich in den 1795
Schlussbericht Lux, 16.8.2002, S 5, Bl. 503.
1796
Mittelverwendungsnachweis, Steinbacher Treuhand, 3.12.2003, K 6, Bl. 228; Baukostenübersicht Verhülsdonk & Partner, K 6, Bl. 237.
G. „Zweite Rettungsaktion" Abschlussbericht Schlussrechnungen der Projektleitenden unberücksichtigt geblieben waren. Nur dann handelte es sich tatsächlich um Kostenerhöhungen. Zeuge Buchholz erklärte vor dem Untersuchungsausschuss, es sei ihm weder zeitlich möglich, noch sei es seine Aufgabe gewesen, die Bau-Buchhaltung des Gesamtprojekts zu überprüfen. Ähnlich hatte sich bereits der bausachverständige Vorstand, der Zeuge Lux, geäußert. Ob die Forderungen daher auch objektiv unerwartet waren, ist zumindest fraglich. Sicher erscheint nur, dass Zeuge Buchholz bei Aufnahme seiner Tätigkeit nicht über eine abschließende Auflistung der Forderungen verfügte, die in der Folgezeit noch auf ihn zukommen würden. Zumindest hinsichtlich der Sicherheitseinbehalte der Stiftung, die stiftungsseitig bekannt gewesen sein müssen, wäre dies zu erwarten und zur Liquiditätsplanung auch zwingend erforderlich gewesen. Dass die Buchhaltung der Stiftung Neues Tempodrom Aussagen hierzu offenbar nicht traf, passt indes in das Bild, das Zeuge Buchholz dem Ausschuss von den kaufmännischen Zuständen, die er in der Stiftung vorfand, vermittelte.
Die dem Untersuchungsausschuss allein mögliche kursorische Prüfung der vorliegenden Kostenberechnungen legt nach alledem noch nicht den Schluss nahe, bei der Fertigstellung des Tempodroms sei es zu eklatanten Mehrkosten gekommen, die im Rahmen der 1. Rettungsaktion noch nicht vorhergesehen worden seien.
Die von LBB-Vorstandsmitglied Morgenroth eingeführte Verantwortlichkeit der IBB für die Fertigstellung und den Betrieb des Neuen Tempodroms wurde zeitlich nur begrenzt fortgeführt. Bei Morgenroths abruptem Ausscheiden aus der Bank im März 2002 wurde sie nicht an dessen Nachfolger
Jörg Auermann als IBB-Generalbevollmächtigtem sowie Hans-Jürgen Kulartz als verantwortlichem LBB-Vorstandsmitglied weitergegeben bzw. wurde nicht von diesen geteilt. Dies wurde deutlich, als der Vorstand Kulartz zum ersten Mal mit den Problemen der Stiftung Neues Tempodrom konfrontiert wurde: Sofort bat er Dankwart, sich vom Vorsitz des Stiftungsrates der Stiftung Neues Tempodrom zurückzuziehen. Kulartz wusste im Jahr 2002 nach eigener Aussage nicht, dass die Satzung des Stiftungsrates die Mitgliedschaft eines IBB-Vertreters vorsah.
Die personelle Neubesetzung der Vorstandsposten war ein für alle an der ersten Rettungsaktion Beteiligten wichtiger Baustein, um einen Neuanfang beim Neuen Tempodrom zu ermöglichen. In der ersten Sitzung des neuen Stiftungsrates am 18. Oktober 2001 wurde der Rücktritt von Irene Moessinger als Vorstand angenommen. Sie erhielt bis zum 31. Dezember 2001 eine Anstellungsvergütung für ihr weiteres Engagement zur Sicherstellung der Eröffnung des Neuen Tempodroms. Für den bautechnischen Bereich wurde Günter Lux zum Vorstand bestellt. Die Tätigkeit des zweiten Stiftungsvorstands Norbert Waehl wurde bis zum 31. Dezember 2001 verlängert, wobei sich der Stiftungsrat einig war, dass es sich um eine Übergangszeit handele.
Die Neubesetzung dieses kaufmännischen Vorstandspostens mit Gerhard Buchholz gelang jedoch erst zum 1. Juni 2002, worin Vieles spricht nach der Beweisaufnahme des Untersuchungsausschusses indes dafür, dass sich die Liquidität der Stiftung Neues Tempodrom als sehr viel angespannter erwies als erwartet und für den laufenden Betrieb nicht auskömmlich war. Neben der geschilderten Belastung mit Forderungen aus dem Baubereich, seien diese nun vorhersehbar gewesen oder nicht, erfüllten insbesondere die Pachteinnahmen nicht die Erwartungen, die der Ertrags- und Finanzplanung und damit den Wirtschaftlichkeitsprognosen zugrunde lagen.
Dieses Defizit wog umso schwerer, als die Stiftung Neues Tempodrom zu Beginn des Geschäftsbetriebs des Tempodroms noch nicht durch die Rückzahlungsverpflichtung des Rahmenkredits der LBB belastet war. Die Kredittilgung sollte erst ab dem Jahr 2005 beginnen und dann zu einer zusätzlichen Belastung der Liquidität um jährlich 892 TEUR führen.